Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Apollo hielt nach Pausanias 1) die Chariten auf seiner Hand.
Plutarch 2), der aus Antikles (oder richtiger aus den Deliaca
des Antikleidas) und aus Istros (en tais epiphaneiais) schöpft,
giebt die Attribute derselben an: die beiden äusseren hatten
die Leier und die Flöten, die mittlere hielt die Syrinx an den
Mund, die Rechte des Gottes endlich führte den Bogen. Die
weitere Nachricht, das Bild sei so alt, dass die Künstler den
Meropern zur Zeit des Herakles angehören sollten, können wir
füglich unbeachtet lassen. Nachbildungen der Statue hat man
auf einem geschnittenen Stein und auf Münzen von Athen wie-
derzufinden geglaubt 3). Doch lassen sich daraus über die Ei-
genthümlichkeiten des Styls keine bestimmten Schlüsse ziehen;
sowohl wegen der Kleinheit, als auch wegen der Freiheit sol-
cher Nachahmungen, die sich z. B. in der Gemme so weit er-
streckt, dass die Chariten nackt und ohne Attribute gebildet
sind, gerade wie in den späteren Marmorgruppen. Die Haltung
des Apollo ist die gewöhnliche alter Götterbilder; die Arme
sind fast gleichmässig ausgestreckt und die Last des Körpers
auf beiden Beinen gleichmässig vertheilt.



An die Schule des Dipoenos und Skyllis knüpfen wir pas-
send an, was wir sonst von Künstlern wissen, welche in die-
ser Epoche im Peloponnes thätig waren. Cheirisophos ge-
hört, wie jene, zu den kretischen Daedaliden. "In Tegea ist
ein Tempel des Apollo mit einem vergoldeten Bilde des Gottes.
Cheirisophos machte es, ein Kreter von Geschlecht; sein Zeit-
alter indessen und seinen Lehrer kennen wir nicht. Der Auf-
enthalt des Daedalos in Knosos beim Minos verschaffte aber
auf längere Zeit hin den Kretern auch in der Verfertigung
der Xoana Ruhm. Neben dem Apollo steht Cheirisophos aus
Stein gebildet." Paus. VIII, 53, 3. Der Apollo scheint also
ein vergoldetes Holzbild gewesen zu sein, und der Stoff so-
mit der hergebrachte für alte Götterbilder, während für das
Bild des Künstlers, wo die Wahl frei stand, der Marmor den
Vorzug erhielt. Da nun Pausanias den Künstler als einen

1) IX, 35, 1. In wiefern sich diese Stelle aus Philostr. vit. Apoll. III, 3 (?)
verbessern lasse, wie Müller (Dor. I. S. 353) behauptet, vermag ich eben so wenig
wie Sillig zu bestimmen.
2) de mus. III. p. 2081 Steph.
3) Vgl. Müller
Hdb. §. 86.
4 *

Apollo hielt nach Pausanias 1) die Chariten auf seiner Hand.
Plutarch 2), der aus Antikles (oder richtiger aus den Deliaca
des Antikleidas) und aus Istros (ἐν ταῖς ἐπιφανείαις) schöpft,
giebt die Attribute derselben an: die beiden äusseren hatten
die Leier und die Flöten, die mittlere hielt die Syrinx an den
Mund, die Rechte des Gottes endlich führte den Bogen. Die
weitere Nachricht, das Bild sei so alt, dass die Künstler den
Meropern zur Zeit des Herakles angehören sollten, können wir
füglich unbeachtet lassen. Nachbildungen der Statue hat man
auf einem geschnittenen Stein und auf Münzen von Athen wie-
derzufinden geglaubt 3). Doch lassen sich daraus über die Ei-
genthümlichkeiten des Styls keine bestimmten Schlüsse ziehen;
sowohl wegen der Kleinheit, als auch wegen der Freiheit sol-
cher Nachahmungen, die sich z. B. in der Gemme so weit er-
streckt, dass die Chariten nackt und ohne Attribute gebildet
sind, gerade wie in den späteren Marmorgruppen. Die Haltung
des Apollo ist die gewöhnliche alter Götterbilder; die Arme
sind fast gleichmässig ausgestreckt und die Last des Körpers
auf beiden Beinen gleichmässig vertheilt.



An die Schule des Dipoenos und Skyllis knüpfen wir pas-
send an, was wir sonst von Künstlern wissen, welche in die-
ser Epoche im Peloponnes thätig waren. Cheirisophos ge-
hört, wie jene, zu den kretischen Daedaliden. „In Tegea ist
ein Tempel des Apollo mit einem vergoldeten Bilde des Gottes.
Cheirisophos machte es, ein Kreter von Geschlecht; sein Zeit-
alter indessen und seinen Lehrer kennen wir nicht. Der Auf-
enthalt des Daedalos in Knosos beim Minos verschaffte aber
auf längere Zeit hin den Kretern auch in der Verfertigung
der Xoana Ruhm. Neben dem Apollo steht Cheirisophos aus
Stein gebildet.” Paus. VIII, 53, 3. Der Apollo scheint also
ein vergoldetes Holzbild gewesen zu sein, und der Stoff so-
mit der hergebrachte für alte Götterbilder, während für das
Bild des Künstlers, wo die Wahl frei stand, der Marmor den
Vorzug erhielt. Da nun Pausanias den Künstler als einen

1) IX, 35, 1. In wiefern sich diese Stelle aus Philostr. vit. Apoll. III, 3 (?)
verbessern lasse, wie Müller (Dor. I. S. 353) behauptet, vermag ich eben so wenig
wie Sillig zu bestimmen.
2) de mus. III. p. 2081 Steph.
3) Vgl. Müller
Hdb. §. 86.
4 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0064" n="51"/>
Apollo hielt nach Pausanias <note place="foot" n="1)">IX, 35, 1. In wiefern sich diese Stelle aus Philostr. vit. Apoll. III, 3 (?)<lb/>
verbessern lasse, wie Müller (Dor. I. S. 353) behauptet, vermag ich eben so wenig<lb/>
wie Sillig zu bestimmen.</note> die Chariten auf seiner Hand.<lb/>
Plutarch <note place="foot" n="2)">de mus. III. p. 2081 Steph.</note>, der aus Antikles (oder richtiger aus den Deliaca<lb/>
des Antikleidas) und aus Istros (&#x1F10;&#x03BD; &#x03C4;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C2;) schöpft,<lb/>
giebt die Attribute derselben an: die beiden äusseren hatten<lb/>
die Leier und die Flöten, die mittlere hielt die Syrinx an den<lb/>
Mund, die Rechte des Gottes endlich führte den Bogen. Die<lb/>
weitere Nachricht, das Bild sei so alt, dass die Künstler den<lb/>
Meropern zur Zeit des Herakles angehören sollten, können wir<lb/>
füglich unbeachtet lassen. Nachbildungen der Statue hat man<lb/>
auf einem geschnittenen Stein und auf Münzen von Athen wie-<lb/>
derzufinden geglaubt <note place="foot" n="3)">Vgl. Müller<lb/>
Hdb. §. 86.</note>. Doch lassen sich daraus über die Ei-<lb/>
genthümlichkeiten des Styls keine bestimmten Schlüsse ziehen;<lb/>
sowohl wegen der Kleinheit, als auch wegen der Freiheit sol-<lb/>
cher Nachahmungen, die sich z. B. in der Gemme so weit er-<lb/>
streckt, dass die Chariten nackt und ohne Attribute gebildet<lb/>
sind, gerade wie in den späteren Marmorgruppen. Die Haltung<lb/>
des Apollo ist die gewöhnliche alter Götterbilder; die Arme<lb/>
sind fast gleichmässig ausgestreckt und die Last des Körpers<lb/>
auf beiden Beinen gleichmässig vertheilt.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>An die Schule des Dipoenos und Skyllis knüpfen wir pas-<lb/>
send an, was wir sonst von Künstlern wissen, welche in die-<lb/>
ser Epoche im Peloponnes thätig waren. <hi rendition="#g">Cheirisophos</hi> ge-<lb/>
hört, wie jene, zu den kretischen Daedaliden. &#x201E;In Tegea ist<lb/>
ein Tempel des Apollo mit einem vergoldeten Bilde des Gottes.<lb/>
Cheirisophos machte es, ein Kreter von Geschlecht; sein Zeit-<lb/>
alter indessen und seinen Lehrer kennen wir nicht. Der Auf-<lb/>
enthalt des Daedalos in Knosos beim Minos verschaffte aber<lb/>
auf längere Zeit hin den Kretern auch in der Verfertigung<lb/>
der Xoana Ruhm. Neben dem Apollo steht Cheirisophos aus<lb/>
Stein gebildet.&#x201D; Paus. VIII, 53, 3. Der Apollo scheint also<lb/>
ein vergoldetes Holzbild gewesen zu sein, und der Stoff so-<lb/>
mit der hergebrachte für alte Götterbilder, während für das<lb/>
Bild des Künstlers, wo die Wahl frei stand, der Marmor den<lb/>
Vorzug erhielt. Da nun Pausanias den Künstler als einen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0064] Apollo hielt nach Pausanias 1) die Chariten auf seiner Hand. Plutarch 2), der aus Antikles (oder richtiger aus den Deliaca des Antikleidas) und aus Istros (ἐν ταῖς ἐπιφανείαις) schöpft, giebt die Attribute derselben an: die beiden äusseren hatten die Leier und die Flöten, die mittlere hielt die Syrinx an den Mund, die Rechte des Gottes endlich führte den Bogen. Die weitere Nachricht, das Bild sei so alt, dass die Künstler den Meropern zur Zeit des Herakles angehören sollten, können wir füglich unbeachtet lassen. Nachbildungen der Statue hat man auf einem geschnittenen Stein und auf Münzen von Athen wie- derzufinden geglaubt 3). Doch lassen sich daraus über die Ei- genthümlichkeiten des Styls keine bestimmten Schlüsse ziehen; sowohl wegen der Kleinheit, als auch wegen der Freiheit sol- cher Nachahmungen, die sich z. B. in der Gemme so weit er- streckt, dass die Chariten nackt und ohne Attribute gebildet sind, gerade wie in den späteren Marmorgruppen. Die Haltung des Apollo ist die gewöhnliche alter Götterbilder; die Arme sind fast gleichmässig ausgestreckt und die Last des Körpers auf beiden Beinen gleichmässig vertheilt. An die Schule des Dipoenos und Skyllis knüpfen wir pas- send an, was wir sonst von Künstlern wissen, welche in die- ser Epoche im Peloponnes thätig waren. Cheirisophos ge- hört, wie jene, zu den kretischen Daedaliden. „In Tegea ist ein Tempel des Apollo mit einem vergoldeten Bilde des Gottes. Cheirisophos machte es, ein Kreter von Geschlecht; sein Zeit- alter indessen und seinen Lehrer kennen wir nicht. Der Auf- enthalt des Daedalos in Knosos beim Minos verschaffte aber auf längere Zeit hin den Kretern auch in der Verfertigung der Xoana Ruhm. Neben dem Apollo steht Cheirisophos aus Stein gebildet.” Paus. VIII, 53, 3. Der Apollo scheint also ein vergoldetes Holzbild gewesen zu sein, und der Stoff so- mit der hergebrachte für alte Götterbilder, während für das Bild des Künstlers, wo die Wahl frei stand, der Marmor den Vorzug erhielt. Da nun Pausanias den Künstler als einen 1) IX, 35, 1. In wiefern sich diese Stelle aus Philostr. vit. Apoll. III, 3 (?) verbessern lasse, wie Müller (Dor. I. S. 353) behauptet, vermag ich eben so wenig wie Sillig zu bestimmen. 2) de mus. III. p. 2081 Steph. 3) Vgl. Müller Hdb. §. 86. 4 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/64
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/64>, abgerufen am 21.11.2024.