den Umschwung der vorliegenden Periode nicht nur vorbe- reitet, sondern selbst mit herbeigeführt haben. Eben so schwankend ist die Begrenzung nach der andern Seite hin. Wir werden später allerdings finden, dass die Malerschulen der folgenden Periode in ihrer Entwickelung sich scharf und bestimmt von der Geschichte der hier behandelten Künstler trennen. Dabei aber dürfen wir es doch nicht leugnen, dass ihre Anfänge einen solchen Gegensatz noch keineswegs nothwendig bedingen. Soll sich also die ganze vorgeschla- gene Gliederung der Perioden rechtfertigen, so darf unser Blick nicht an vereinzelten Thatsachen und Erscheinungen haften bleiben, sondern muss sich auf die Phasen der allge- meinen Entwickelung nach ihren grösseren Massen richten.
Dass nun trotz einzelner Künstler, welche gewisser- massen mitten inne stehen, die Zeit der Kleinasiaten (so wollen wir sie der Kürze wegen nennen) zu der des Poly- gnot im schärfsten und bestimmtesten Gegensatz steht, dar- über wird uns kein Zweifel obwalten, wenn wir an die Er- örterungen in dem Rückblick auf die vorhergehende Periode zurückdenken. Dem Ethos der polygnotischen Kunst tritt die gloria penicilli, die rein malerische, auf Illusion hinarbei- tende Behandlung mit dem Anspruch auf eine überwiegende Geltung entgegen. Die grosse historische Malerei, welche in der rein geistigen Auffassung und Charakteristik ihren Schwerpunkt hat, wird verdrängt durch die auf der Durch- führung des Einzelnen beruhende Tafelmalerei. Was wir von dem Künstler wissen, den wir an die Spitze dieser Periode ge- stellt haben, von Apollodor, reicht gerade hin, uns diesen Ge- gensatz in vollster Reinheit deutlich zu machen. Tritt nun der- selbe bei den drei folgenden Künstlern, welche den Mittelpunkt unserer Erörterungen bildeten, nicht mehr so stark in dieser Form in den Vordergrund, so zeigen doch die Fortschritte, welche sich an ihre Namen knüpfen, uns nur die weitere Entwickelung innerhalb dieses Gegensatzes nach verschie- denen Richtungen hin. Denn nachdem einmal die gesammte Grundanschauung verändert war, konnte sich die Umbildung nicht auf die äussere Behandlung der Farbe und der Form beschränken, sondern auch die Darstellung des Ausdrucks im Einzelnen, wie die Motivirung ganzer Gestalten musste davon in sehr wesentlichen Punkten berührt werden. Wie
den Umschwung der vorliegenden Periode nicht nur vorbe- reitet, sondern selbst mit herbeigeführt haben. Eben so schwankend ist die Begrenzung nach der andern Seite hin. Wir werden später allerdings finden, dass die Malerschulen der folgenden Periode in ihrer Entwickelung sich scharf und bestimmt von der Geschichte der hier behandelten Künstler trennen. Dabei aber dürfen wir es doch nicht leugnen, dass ihre Anfänge einen solchen Gegensatz noch keineswegs nothwendig bedingen. Soll sich also die ganze vorgeschla- gene Gliederung der Perioden rechtfertigen, so darf unser Blick nicht an vereinzelten Thatsachen und Erscheinungen haften bleiben, sondern muss sich auf die Phasen der allge- meinen Entwickelung nach ihren grösseren Massen richten.
Dass nun trotz einzelner Künstler, welche gewisser- massen mitten inne stehen, die Zeit der Kleinasiaten (so wollen wir sie der Kürze wegen nennen) zu der des Poly- gnot im schärfsten und bestimmtesten Gegensatz steht, dar- über wird uns kein Zweifel obwalten, wenn wir an die Er- örterungen in dem Rückblick auf die vorhergehende Periode zurückdenken. Dem Ethos der polygnotischen Kunst tritt die gloria penicilli, die rein malerische, auf Illusion hinarbei- tende Behandlung mit dem Anspruch auf eine überwiegende Geltung entgegen. Die grosse historische Malerei, welche in der rein geistigen Auffassung und Charakteristik ihren Schwerpunkt hat, wird verdrängt durch die auf der Durch- führung des Einzelnen beruhende Tafelmalerei. Was wir von dem Künstler wissen, den wir an die Spitze dieser Periode ge- stellt haben, von Apollodor, reicht gerade hin, uns diesen Ge- gensatz in vollster Reinheit deutlich zu machen. Tritt nun der- selbe bei den drei folgenden Künstlern, welche den Mittelpunkt unserer Erörterungen bildeten, nicht mehr so stark in dieser Form in den Vordergrund, so zeigen doch die Fortschritte, welche sich an ihre Namen knüpfen, uns nur die weitere Entwickelung innerhalb dieses Gegensatzes nach verschie- denen Richtungen hin. Denn nachdem einmal die gesammte Grundanschauung verändert war, konnte sich die Umbildung nicht auf die äussere Behandlung der Farbe und der Form beschränken, sondern auch die Darstellung des Ausdrucks im Einzelnen, wie die Motivirung ganzer Gestalten musste davon in sehr wesentlichen Punkten berührt werden. Wie
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den Umschwung der vorliegenden Periode nicht nur vorbe-
reitet, sondern selbst mit herbeigeführt haben. Eben so
schwankend ist die Begrenzung nach der andern Seite hin.
Wir werden später allerdings finden, dass die Malerschulen
der folgenden Periode in ihrer Entwickelung sich scharf und
bestimmt von der Geschichte der hier behandelten Künstler
trennen. Dabei aber dürfen wir es doch nicht leugnen, dass
ihre Anfänge einen solchen Gegensatz noch keineswegs
nothwendig bedingen. Soll sich also die ganze vorgeschla-
gene Gliederung der Perioden rechtfertigen, so darf unser
Blick nicht an vereinzelten Thatsachen und Erscheinungen
haften bleiben, sondern muss sich auf die Phasen der allge-
meinen Entwickelung nach ihren grösseren Massen richten.
Dass nun trotz einzelner Künstler, welche gewisser-
massen mitten inne stehen, die Zeit der Kleinasiaten (so
wollen wir sie der Kürze wegen nennen) zu der des Poly-
gnot im schärfsten und bestimmtesten Gegensatz steht, dar-
über wird uns kein Zweifel obwalten, wenn wir an die Er-
örterungen in dem Rückblick auf die vorhergehende Periode
zurückdenken. Dem Ethos der polygnotischen Kunst tritt
die gloria penicilli, die rein malerische, auf Illusion hinarbei-
tende Behandlung mit dem Anspruch auf eine überwiegende
Geltung entgegen. Die grosse historische Malerei, welche
in der rein geistigen Auffassung und Charakteristik ihren
Schwerpunkt hat, wird verdrängt durch die auf der Durch-
führung des Einzelnen beruhende Tafelmalerei. Was wir von
dem Künstler wissen, den wir an die Spitze dieser Periode ge-
stellt haben, von Apollodor, reicht gerade hin, uns diesen Ge-
gensatz in vollster Reinheit deutlich zu machen. Tritt nun der-
selbe bei den drei folgenden Künstlern, welche den Mittelpunkt
unserer Erörterungen bildeten, nicht mehr so stark in dieser
Form in den Vordergrund, so zeigen doch die Fortschritte,
welche sich an ihre Namen knüpfen, uns nur die weitere
Entwickelung innerhalb dieses Gegensatzes nach verschie-
denen Richtungen hin. Denn nachdem einmal die gesammte
Grundanschauung verändert war, konnte sich die Umbildung
nicht auf die äussere Behandlung der Farbe und der Form
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im Einzelnen, wie die Motivirung ganzer Gestalten musste
davon in sehr wesentlichen Punkten berührt werden. Wie
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/135>, abgerufen am 27.11.2024.
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