lichen verflochten werden (ta dalla epagein .... panta taut ekeinou exertemena kai allelois sugkekramena kata ton tes khreias logon; oder: plekein ta ethe tois pragmasin). Als Beispiele solcher ethe führt aber Dionys an die Erregungen des Zornes, des Mitleids, des Witzes, der Bitterkeit, des Neides: ta thu- mika kai ta oiktra kaa ta asteia kai ta pikra kai ta epiphthona. Hier also erscheinen die ethe nicht als der von der Handlung unabhängige Charakter, sondern sie sind die von der jedes- maligen Sachlage bedingten Stimmungen, die Erregungen des Gemüthes, welche erst durch die Verhältnisse der Handlung hervorgerufen werden, und welche der Redner, indem er sie lebhaft vor die Seele der Zuhörer stellt, in diesen wiederzu- erwecken streben soll. Diese ethe nun in der Malerei in einer früher noch nicht dagewesenen Weise zur Darstellung gebracht zu haben, war offenbar der Vorzug des Aristides; und so will es auch Plinius verstanden wissen, wenn er übersetzt: animum pinxit et sensus hominis expressit. Man könnte hier animus durch Seele wiedergeben, insofern wir die Seele dem Geiste als der thätigen Lebenskraft entgegen- setzen und sie als jenen inneren Sinn, als jenes unauslösch- liche Gefühl für das Gute auffassen, welches durch die Thä- tigkeit des Geistes oder durch die von aussen einwirkenden Ereignisse fortwährend erregt einen Wechsel von Stimmun- gen und inneren Bewegungen hervorruft, der sich auch äus- serlich in dem feinsten Spiele der Mienen und Bewegungen oft unabsichtlich offenbart. Der Ausdruck sensus aber be- zieht sich auf ein ganz analoges, nur auf eine minder hohe Sphäre gerichtetes Gefühl, auf das für das sinnlich Ange- nehme, insofern dasselbe in durchaus verwandter Weise, wie jenes seelische Element die empfangenen Eindrücke auch äusserlich wiederspiegelt. Wenn nun zu diesen durch gei- stige und sinnliche Empfindungen hervorgerufenen Stimmun- gen, den ethe, in dem Urtheile über Aristides noch die pathe hinzugefügt werden, so sind diese von den ersteren weniger dem Wesen, als dem Grade nach verschieden. Beide sind Affecte oder Erregungen derselben Thätigkeit der Seele oder Sinne. Aber während die ethe überall der mildere, noch durch die Energie des Geistes gemässigte Ausdruck der- selben sind, ist mit den pathe, wie auch die lateinische Uebersetzung perturbationes zeigt, stets der Begriff des Ge-
lichen verflochten werden (τὰ δ̛ἄλλα ἐπάγειν .... πάντα ταῦτ̕ ἐκείνου ἐξηϱτημένα καὶ ἀλλήλοις συγκεκϱαμένα κατὰ τὸν τῆς χϱείας λόγον; oder: πλέκειν τὰ ἤϑη τοῖς πϱάγμασιν). Als Beispiele solcher ἤϑη führt aber Dionys an die Erregungen des Zornes, des Mitleids, des Witzes, der Bitterkeit, des Neides: τὰ ϑυ- μικὰ καὶ τὰ οἰκτϱὰ καὰ τὰ ἀστεῖα καὶ τὰ πικϱὰ καὶ τὰ ἐπίφϑονα. Hier also erscheinen die ἤϑη nicht als der von der Handlung unabhängige Charakter, sondern sie sind die von der jedes- maligen Sachlage bedingten Stimmungen, die Erregungen des Gemüthes, welche erst durch die Verhältnisse der Handlung hervorgerufen werden, und welche der Redner, indem er sie lebhaft vor die Seele der Zuhörer stellt, in diesen wiederzu- erwecken streben soll. Diese ἤϑη nun in der Malerei in einer früher noch nicht dagewesenen Weise zur Darstellung gebracht zu haben, war offenbar der Vorzug des Aristides; und so will es auch Plinius verstanden wissen, wenn er übersetzt: animum pinxit et sensus hominis expressit. Man könnte hier animus durch Seele wiedergeben, insofern wir die Seele dem Geiste als der thätigen Lebenskraft entgegen- setzen und sie als jenen inneren Sinn, als jenes unauslösch- liche Gefühl für das Gute auffassen, welches durch die Thä- tigkeit des Geistes oder durch die von aussen einwirkenden Ereignisse fortwährend erregt einen Wechsel von Stimmun- gen und inneren Bewegungen hervorruft, der sich auch äus- serlich in dem feinsten Spiele der Mienen und Bewegungen oft unabsichtlich offenbart. Der Ausdruck sensus aber be- zieht sich auf ein ganz analoges, nur auf eine minder hohe Sphäre gerichtetes Gefühl, auf das für das sinnlich Ange- nehme, insofern dasselbe in durchaus verwandter Weise, wie jenes seelische Element die empfangenen Eindrücke auch äusserlich wiederspiegelt. Wenn nun zu diesen durch gei- stige und sinnliche Empfindungen hervorgerufenen Stimmun- gen, den ἤϑη, in dem Urtheile über Aristides noch die πάϑη hinzugefügt werden, so sind diese von den ersteren weniger dem Wesen, als dem Grade nach verschieden. Beide sind Affecte oder Erregungen derselben Thätigkeit der Seele oder Sinne. Aber während die ἤϑη überall der mildere, noch durch die Energie des Geistes gemässigte Ausdruck der- selben sind, ist mit den πάϑη, wie auch die lateinische Uebersetzung perturbationes zeigt, stets der Begriff des Ge-
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lichen verflochten werden (τὰ δ̛ἄλλα ἐπάγειν .... πάντα ταῦτ̕
ἐκείνου ἐξηϱτημένα καὶ ἀλλήλοις συγκεκϱαμένα κατὰ τὸν τῆς χϱείας
λόγον; oder: πλέκειν τὰ ἤϑη τοῖς πϱάγμασιν). Als Beispiele
solcher ἤϑη führt aber Dionys an die Erregungen des Zornes,
des Mitleids, des Witzes, der Bitterkeit, des Neides: τὰ ϑυ-
μικὰ καὶ τὰ οἰκτϱὰ καὰ τὰ ἀστεῖα καὶ τὰ πικϱὰ καὶ τὰ ἐπίφϑονα.
Hier also erscheinen die ἤϑη nicht als der von der Handlung
unabhängige Charakter, sondern sie sind die von der jedes-
maligen Sachlage bedingten Stimmungen, die Erregungen des
Gemüthes, welche erst durch die Verhältnisse der Handlung
hervorgerufen werden, und welche der Redner, indem er sie
lebhaft vor die Seele der Zuhörer stellt, in diesen wiederzu-
erwecken streben soll. Diese ἤϑη nun in der Malerei in
einer früher noch nicht dagewesenen Weise zur Darstellung
gebracht zu haben, war offenbar der Vorzug des Aristides;
und so will es auch Plinius verstanden wissen, wenn er
übersetzt: animum pinxit et sensus hominis expressit. Man
könnte hier animus durch Seele wiedergeben, insofern wir
die Seele dem Geiste als der thätigen Lebenskraft entgegen-
setzen und sie als jenen inneren Sinn, als jenes unauslösch-
liche Gefühl für das Gute auffassen, welches durch die Thä-
tigkeit des Geistes oder durch die von aussen einwirkenden
Ereignisse fortwährend erregt einen Wechsel von Stimmun-
gen und inneren Bewegungen hervorruft, der sich auch äus-
serlich in dem feinsten Spiele der Mienen und Bewegungen
oft unabsichtlich offenbart. Der Ausdruck sensus aber be-
zieht sich auf ein ganz analoges, nur auf eine minder hohe
Sphäre gerichtetes Gefühl, auf das für das sinnlich Ange-
nehme, insofern dasselbe in durchaus verwandter Weise, wie
jenes seelische Element die empfangenen Eindrücke auch
äusserlich wiederspiegelt. Wenn nun zu diesen durch gei-
stige und sinnliche Empfindungen hervorgerufenen Stimmun-
gen, den ἤϑη, in dem Urtheile über Aristides noch die πάϑη
hinzugefügt werden, so sind diese von den ersteren weniger
dem Wesen, als dem Grade nach verschieden. Beide sind
Affecte oder Erregungen derselben Thätigkeit der Seele oder
Sinne. Aber während die ἤϑη überall der mildere, noch
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selben sind, ist mit den πάϑη, wie auch die lateinische
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/184>, abgerufen am 24.11.2024.
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