vor der elfenbeinernen des Pelops den Vorzug verdienen sollte, zeigt uns, in welchem Sinne Euphranor seinen rind- fleischgenährten Theseus dem rosengenährten des Parrhasios gegenübergestellt haben mag. Ueberall soll die Grösse des Sieges durch die Anstrengungen deutlich gemacht werden, welche er gekostet hat. Nicht genug, dass Perseus von Schweiss triefend zu ermattet scheint, um der Geliebten selbst die Fesseln zu lösen: sogar Eros, der Gott zeigt sich aufge- regt durch die Mühen des vorangegangenen Kampfes. Wohl ziemt es ferner dem Nikias als Maler von Frauen, dass er Andromeda unbekleidet hingestellt hat, "eine Lydierin an Zartheit, eine Athenerin an Ehrbarkeit und kräftig wie eine Spartiatin." Die gewünschte Mannigfaltigkeit endlich erhielt das Ganze durch den Chor der äthiopischen Hirten und den sprechenden Ausdruck ihrer Freude.
Halten wir uns an diese Composition, so werden wir nicht länger leugnen, dass auch unter den übrigen von Pli- nius angeführten Gemälden manche einer ähnlichen breiteren Entwickelung ihrer anderwärts einfacher behandelten Motive sich günstig erweisen. Danae z. B. in der Scene, wo sie in dem Kasten an das Ufer von Seriphos getrieben und von Fi- schern gefunden wird, wäre als ein demselben Mythenkreise angehöriges Bild sogar ein passendes Seitenstück zum Ge- mälde der Andromeda. Noch reicher an dramatischen Moti- ven ist der Mythus der Jo. Auf jeden Fall aber hat sich uns jetzt der scheinbare Widerspruch zwischen den Worten des Nikias und seinen Werken nicht nur gelöst, sondern er hat uns auch den Weg gezeigt, die Eigenthümlichkeit des Künstlers in der Weise näher zu bestimmen, dass seine Stel- lung im Zusammenhange der Schule als eine durchaus natur- gemässe erscheint.
Wir haben das Wesen des Aristides und Euphranor durch die Vergleichung mit analogen Erscheinungen der florentini- schen Kunst zu erläutern versucht. Auch Nikias fordert uns zu einem ähnlichen Verfahren auf, und zwar müssen wir durch ihn an diejenigen Elemente der Kunstübung erinnert werden, welche bei den Florentinern durch Masaccio und seine Nachfolger ihre Ausbildung erhielten. Auch bei Mas- accio finden wir das Streben nach einer mehr plastischen Abrundung der Figuren, auf welcher vor allem jenes "Her-
vor der elfenbeinernen des Pelops den Vorzug verdienen sollte, zeigt uns, in welchem Sinne Euphranor seinen rind- fleischgenährten Theseus dem rosengenährten des Parrhasios gegenübergestellt haben mag. Ueberall soll die Grösse des Sieges durch die Anstrengungen deutlich gemacht werden, welche er gekostet hat. Nicht genug, dass Perseus von Schweiss triefend zu ermattet scheint, um der Geliebten selbst die Fesseln zu lösen: sogar Eros, der Gott zeigt sich aufge- regt durch die Mühen des vorangegangenen Kampfes. Wohl ziemt es ferner dem Nikias als Maler von Frauen, dass er Andromeda unbekleidet hingestellt hat, „eine Lydierin an Zartheit, eine Athenerin an Ehrbarkeit und kräftig wie eine Spartiatin.“ Die gewünschte Mannigfaltigkeit endlich erhielt das Ganze durch den Chor der äthiopischen Hirten und den sprechenden Ausdruck ihrer Freude.
Halten wir uns an diese Composition, so werden wir nicht länger leugnen, dass auch unter den übrigen von Pli- nius angeführten Gemälden manche einer ähnlichen breiteren Entwickelung ihrer anderwärts einfacher behandelten Motive sich günstig erweisen. Danae z. B. in der Scene, wo sie in dem Kasten an das Ufer von Seriphos getrieben und von Fi- schern gefunden wird, wäre als ein demselben Mythenkreise angehöriges Bild sogar ein passendes Seitenstück zum Ge- mälde der Andromeda. Noch reicher an dramatischen Moti- ven ist der Mythus der Jo. Auf jeden Fall aber hat sich uns jetzt der scheinbare Widerspruch zwischen den Worten des Nikias und seinen Werken nicht nur gelöst, sondern er hat uns auch den Weg gezeigt, die Eigenthümlichkeit des Künstlers in der Weise näher zu bestimmen, dass seine Stel- lung im Zusammenhange der Schule als eine durchaus natur- gemässe erscheint.
Wir haben das Wesen des Aristides und Euphranor durch die Vergleichung mit analogen Erscheinungen der florentini- schen Kunst zu erläutern versucht. Auch Nikias fordert uns zu einem ähnlichen Verfahren auf, und zwar müssen wir durch ihn an diejenigen Elemente der Kunstübung erinnert werden, welche bei den Florentinern durch Masaccio und seine Nachfolger ihre Ausbildung erhielten. Auch bei Mas- accio finden wir das Streben nach einer mehr plastischen Abrundung der Figuren, auf welcher vor allem jenes „Her-
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[200/0208]
vor der elfenbeinernen des Pelops den Vorzug verdienen
sollte, zeigt uns, in welchem Sinne Euphranor seinen rind-
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gegenübergestellt haben mag. Ueberall soll die Grösse des
Sieges durch die Anstrengungen deutlich gemacht werden,
welche er gekostet hat. Nicht genug, dass Perseus von
Schweiss triefend zu ermattet scheint, um der Geliebten selbst
die Fesseln zu lösen: sogar Eros, der Gott zeigt sich aufge-
regt durch die Mühen des vorangegangenen Kampfes. Wohl
ziemt es ferner dem Nikias als Maler von Frauen, dass er
Andromeda unbekleidet hingestellt hat, „eine Lydierin an
Zartheit, eine Athenerin an Ehrbarkeit und kräftig wie eine
Spartiatin.“ Die gewünschte Mannigfaltigkeit endlich erhielt
das Ganze durch den Chor der äthiopischen Hirten und den
sprechenden Ausdruck ihrer Freude.
Halten wir uns an diese Composition, so werden wir
nicht länger leugnen, dass auch unter den übrigen von Pli-
nius angeführten Gemälden manche einer ähnlichen breiteren
Entwickelung ihrer anderwärts einfacher behandelten Motive
sich günstig erweisen. Danae z. B. in der Scene, wo sie in
dem Kasten an das Ufer von Seriphos getrieben und von Fi-
schern gefunden wird, wäre als ein demselben Mythenkreise
angehöriges Bild sogar ein passendes Seitenstück zum Ge-
mälde der Andromeda. Noch reicher an dramatischen Moti-
ven ist der Mythus der Jo. Auf jeden Fall aber hat sich
uns jetzt der scheinbare Widerspruch zwischen den Worten
des Nikias und seinen Werken nicht nur gelöst, sondern er
hat uns auch den Weg gezeigt, die Eigenthümlichkeit des
Künstlers in der Weise näher zu bestimmen, dass seine Stel-
lung im Zusammenhange der Schule als eine durchaus natur-
gemässe erscheint.
Wir haben das Wesen des Aristides und Euphranor durch
die Vergleichung mit analogen Erscheinungen der florentini-
schen Kunst zu erläutern versucht. Auch Nikias fordert uns
zu einem ähnlichen Verfahren auf, und zwar müssen wir
durch ihn an diejenigen Elemente der Kunstübung erinnert
werden, welche bei den Florentinern durch Masaccio und
seine Nachfolger ihre Ausbildung erhielten. Auch bei Mas-
accio finden wir das Streben nach einer mehr plastischen
Abrundung der Figuren, auf welcher vor allem jenes „Her-
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/208>, abgerufen am 21.11.2024.
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