Stelle poetischer Ueberlieferung die Aufzeichnung bestimmter Thatsachen trat. Es ist dies dieselbe Zeit, welche ich früher (Th. I, S. 56) als einen Wendepunkt im Geistesleben der Griechen überhaupt bezeichnet habe, und in welche daher die Anfänge einer Reihe von Entwickelungen auf den ver- schiedensten Gebieten des staatlichen, socialen, wissenschaft- lichen und künstlerischen Lebens fallen.
Um das Jahr 600 v. Chr. G. erscheinen auf den Inseln und an der kleinasiatischen Küste die ersten namhaften Bild- hauer; und zugleich zeigt sich auch auf dem Gebiete der Architektur neues Leben; ja, was besonders hervorzuheben ist, jene Bildhauer sind zugleich Architekten und die Leiter staunenswerther Bauten. Rhoekos ist der erste Architekt des Heraeon zu Samos; Theodoros, sein Genosse in der Erfindung des Erzgusses, scheint ihm auch hier zur Seite gestanden zu haben: wenigstens soll er über den Tempel geschrieben haben, und sein Ruhm als Architekt steht auch durch andere Zeugnisse fest. Um von dem lemnischen Laby- rinth zu schweigen, welches nach einer nicht hinlänglich zu- verlässigen Nachricht ihm nebst Rhoekos und Smilis beige- legt wird, so spricht für die weite Verbreitung seines Ruh- mes der Bau der Skias in Sparta. Er war es ferner, der durch seinen Rath die Gründung des ephesischen Tempels in sumpfigem Terrain möglich machte. Noch von einem andern Künstler derselben Zeit, von Bupalos aus Chios, wird uns berichtet, dass er zugleich als Bildhauer und als Architekt zu hohem Ansehen gelangte. Dass indessen diese Verbin- dung der beiden Künste keine nothwendige war, lehren Chersiphron und sein Sohn Metagenes, welche damals in dem ephesischen Tempel eins der sieben Wunderwerke der alten Welt begründeten, wenn sie es freilich auch nicht zu vollenden vermochten. Solche Bauten, wie der ephesische Tempel und das Heraeon zu Samos, sind allerdings keine Versuche, an welchen der eben erwachende Kunstsinn seine Kräfte zuerst erprobt: sie setzen bereits eine längere Uebung voraus. Dennoch aber bezeichnen sie nicht blos einen Ab- schnitt in der Geschichte, sondern einen Anfangspunkt, inso- fern als sie die ersten gewaltigen Manifestationen eines zu vollem Bewusstsein durchgedrungenen Kunstgefühls sind. Durch sie hat die Architektur eine feste Regel, einen be-
Stelle poetischer Ueberlieferung die Aufzeichnung bestimmter Thatsachen trat. Es ist dies dieselbe Zeit, welche ich früher (Th. I, S. 56) als einen Wendepunkt im Geistesleben der Griechen überhaupt bezeichnet habe, und in welche daher die Anfänge einer Reihe von Entwickelungen auf den ver- schiedensten Gebieten des staatlichen, socialen, wissenschaft- lichen und künstlerischen Lebens fallen.
Um das Jahr 600 v. Chr. G. erscheinen auf den Inseln und an der kleinasiatischen Küste die ersten namhaften Bild- hauer; und zugleich zeigt sich auch auf dem Gebiete der Architektur neues Leben; ja, was besonders hervorzuheben ist, jene Bildhauer sind zugleich Architekten und die Leiter staunenswerther Bauten. Rhoekos ist der erste Architekt des Heraeon zu Samos; Theodoros, sein Genosse in der Erfindung des Erzgusses, scheint ihm auch hier zur Seite gestanden zu haben: wenigstens soll er über den Tempel geschrieben haben, und sein Ruhm als Architekt steht auch durch andere Zeugnisse fest. Um von dem lemnischen Laby- rinth zu schweigen, welches nach einer nicht hinlänglich zu- verlässigen Nachricht ihm nebst Rhoekos und Smilis beige- legt wird, so spricht für die weite Verbreitung seines Ruh- mes der Bau der Skias in Sparta. Er war es ferner, der durch seinen Rath die Gründung des ephesischen Tempels in sumpfigem Terrain möglich machte. Noch von einem andern Künstler derselben Zeit, von Bupalos aus Chios, wird uns berichtet, dass er zugleich als Bildhauer und als Architekt zu hohem Ansehen gelangte. Dass indessen diese Verbin- dung der beiden Künste keine nothwendige war, lehren Chersiphron und sein Sohn Metagenes, welche damals in dem ephesischen Tempel eins der sieben Wunderwerke der alten Welt begründeten, wenn sie es freilich auch nicht zu vollenden vermochten. Solche Bauten, wie der ephesische Tempel und das Heraeon zu Samos, sind allerdings keine Versuche, an welchen der eben erwachende Kunstsinn seine Kräfte zuerst erprobt: sie setzen bereits eine längere Uebung voraus. Dennoch aber bezeichnen sie nicht blos einen Ab- schnitt in der Geschichte, sondern einen Anfangspunkt, inso- fern als sie die ersten gewaltigen Manifestationen eines zu vollem Bewusstsein durchgedrungenen Kunstgefühls sind. Durch sie hat die Architektur eine feste Regel, einen be-
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Stelle poetischer Ueberlieferung die Aufzeichnung bestimmter
Thatsachen trat. Es ist dies dieselbe Zeit, welche ich früher
(Th. I, S. 56) als einen Wendepunkt im Geistesleben der
Griechen überhaupt bezeichnet habe, und in welche daher
die Anfänge einer Reihe von Entwickelungen auf den ver-
schiedensten Gebieten des staatlichen, socialen, wissenschaft-
lichen und künstlerischen Lebens fallen.
Um das Jahr 600 v. Chr. G. erscheinen auf den Inseln
und an der kleinasiatischen Küste die ersten namhaften Bild-
hauer; und zugleich zeigt sich auch auf dem Gebiete der
Architektur neues Leben; ja, was besonders hervorzuheben
ist, jene Bildhauer sind zugleich Architekten und die Leiter
staunenswerther Bauten. Rhoekos ist der erste Architekt
des Heraeon zu Samos; Theodoros, sein Genosse in der
Erfindung des Erzgusses, scheint ihm auch hier zur Seite
gestanden zu haben: wenigstens soll er über den Tempel
geschrieben haben, und sein Ruhm als Architekt steht auch
durch andere Zeugnisse fest. Um von dem lemnischen Laby-
rinth zu schweigen, welches nach einer nicht hinlänglich zu-
verlässigen Nachricht ihm nebst Rhoekos und Smilis beige-
legt wird, so spricht für die weite Verbreitung seines Ruh-
mes der Bau der Skias in Sparta. Er war es ferner, der
durch seinen Rath die Gründung des ephesischen Tempels in
sumpfigem Terrain möglich machte. Noch von einem andern
Künstler derselben Zeit, von Bupalos aus Chios, wird uns
berichtet, dass er zugleich als Bildhauer und als Architekt
zu hohem Ansehen gelangte. Dass indessen diese Verbin-
dung der beiden Künste keine nothwendige war, lehren
Chersiphron und sein Sohn Metagenes, welche damals
in dem ephesischen Tempel eins der sieben Wunderwerke
der alten Welt begründeten, wenn sie es freilich auch nicht
zu vollenden vermochten. Solche Bauten, wie der ephesische
Tempel und das Heraeon zu Samos, sind allerdings keine
Versuche, an welchen der eben erwachende Kunstsinn seine
Kräfte zuerst erprobt: sie setzen bereits eine längere Uebung
voraus. Dennoch aber bezeichnen sie nicht blos einen Ab-
schnitt in der Geschichte, sondern einen Anfangspunkt, inso-
fern als sie die ersten gewaltigen Manifestationen eines zu
vollem Bewusstsein durchgedrungenen Kunstgefühls sind.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/332>, abgerufen am 27.11.2024.
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