Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Tempel, den allos epoiese meixo; und dies wird bestätigt
dadurch, dass er weiter angiebt, man habe die alten Säulen
behalten, sowie dass er nur von dem Dache als abgebrannt
spricht: meta de ten empresin tes orophes ephanismenes. Mag dabei
auch manche einzelne Säule, so wie namentlich auch das
marmorne Gebälk durch Verkalkung gelitten haben, so ver-
mögen wir doch nicht einmal von einem eigentlichen Neubau
zu sprechen, geschweige denn ohne ausdrückliches Zeugniss
von einer Vergrösserung. Der Ausdruck ameino aber ist
immer hinlänglich gerechtfertigt, wenn wir nur an eine
glänzende Wiederherstellung unter Berücksichtigung der
Forderungen eines verfeinerten Geschmackes und vorge-
schrittenen Luxus denken. Müssen wir demnach die von
Plinius angegebenen Maasse von dem älteren Tempel gelten
lassen, so fragt es sich nur, wann derselbe diese Grösse er-
hielt. Plinius spricht an dieser Stelle nur von der Anlage
durch Chersiphron. Aber auch Vitruv, welcher doch vier
Architekten kennt und offenbar gute Quellen benutzte, legt
keinem derselben eine Veränderung des ursprünglichen Pla-
nes bei: er bezeichnet den Tempel schon in der Anlage des
Chersiphron als Dipteros. Sollte danach nicht etwa Strabo,
der den älteren Tempel nur flüchtig berührt und den Nach-
folger des Chersiphron nicht einmal dem Namen nach ken-
nen zu lernen sich die Mühe gegeben hat, irrthümlich von
einer Vergrösserung gesprochen haben, wo es sich nur um
Weiterführung oder Vollendung des Baues handelte? Frei-
lich nennt Herodot den Tempel zu Samos den grössten un-
ter allen ihm bekannten; allein an einer andern Stelle
(II, 148) setzt er wenigstens den ephesischen diesem als
ebenbürtig an die Seite; und so meinte er vielleicht bei jener
Bezeichnung des samischen nur den grössten damals vollen-
deten; denn wir wissen keineswegs gewiss, dass, als Herodot
in Kleinasien sich aufhielt, der ephesische schon völlig ausge-
baut war. -- Indessen würde ich diesen Bedenken gegen die An-
sicht von Urlichs vielleicht keine zu hohe Bedeutung beilegen,
wenn mir nicht innere Gründe gegen die von ihm angenommene
Veränderung eines Peripteros in einen Dipteros zu sprechen
schienen. Ich will es weniger betonen, wie bei der beson-
deren Art, mit welcher die Fundamente des Tempels herge-
richtet waren, eine Erweiterung, ein Anflicken rings herum

Tempel, den ἄλλος ἐποίησε μείξω; und dies wird bestätigt
dadurch, dass er weiter angiebt, man habe die alten Säulen
behalten, sowie dass er nur von dem Dache als abgebrannt
spricht: μετὰ δὲ τὴν ἔμπϱησιν τῆς ὀϱοφῆς ἠφανισμένης. Mag dabei
auch manche einzelne Säule, so wie namentlich auch das
marmorne Gebälk durch Verkalkung gelitten haben, so ver-
mögen wir doch nicht einmal von einem eigentlichen Neubau
zu sprechen, geschweige denn ohne ausdrückliches Zeugniss
von einer Vergrösserung. Der Ausdruck ἀμείνω aber ist
immer hinlänglich gerechtfertigt, wenn wir nur an eine
glänzende Wiederherstellung unter Berücksichtigung der
Forderungen eines verfeinerten Geschmackes und vorge-
schrittenen Luxus denken. Müssen wir demnach die von
Plinius angegebenen Maasse von dem älteren Tempel gelten
lassen, so fragt es sich nur, wann derselbe diese Grösse er-
hielt. Plinius spricht an dieser Stelle nur von der Anlage
durch Chersiphron. Aber auch Vitruv, welcher doch vier
Architekten kennt und offenbar gute Quellen benutzte, legt
keinem derselben eine Veränderung des ursprünglichen Pla-
nes bei: er bezeichnet den Tempel schon in der Anlage des
Chersiphron als Dipteros. Sollte danach nicht etwa Strabo,
der den älteren Tempel nur flüchtig berührt und den Nach-
folger des Chersiphron nicht einmal dem Namen nach ken-
nen zu lernen sich die Mühe gegeben hat, irrthümlich von
einer Vergrösserung gesprochen haben, wo es sich nur um
Weiterführung oder Vollendung des Baues handelte? Frei-
lich nennt Herodot den Tempel zu Samos den grössten un-
ter allen ihm bekannten; allein an einer andern Stelle
(II, 148) setzt er wenigstens den ephesischen diesem als
ebenbürtig an die Seite; und so meinte er vielleicht bei jener
Bezeichnung des samischen nur den grössten damals vollen-
deten; denn wir wissen keineswegs gewiss, dass, als Herodot
in Kleinasien sich aufhielt, der ephesische schon völlig ausge-
baut war. — Indessen würde ich diesen Bedenken gegen die An-
sicht von Urlichs vielleicht keine zu hohe Bedeutung beilegen,
wenn mir nicht innere Gründe gegen die von ihm angenommene
Veränderung eines Peripteros in einen Dipteros zu sprechen
schienen. Ich will es weniger betonen, wie bei der beson-
deren Art, mit welcher die Fundamente des Tempels herge-
richtet waren, eine Erweiterung, ein Anflicken rings herum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0355" n="347"/>
Tempel, den &#x1F04;&#x03BB;&#x03BB;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x03BF;&#x03AF;&#x03B7;&#x03C3;&#x03B5; &#x03BC;&#x03B5;&#x03AF;&#x03BE;&#x03C9;; und dies wird bestätigt<lb/>
dadurch, dass er weiter angiebt, man habe die alten Säulen<lb/>
behalten, sowie dass er nur von dem Dache als abgebrannt<lb/>
spricht: &#x03BC;&#x03B5;&#x03C4;&#x1F70; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x1F14;&#x03BC;&#x03C0;&#x03F1;&#x03B7;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x1F40;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C6;&#x1FC6;&#x03C2; &#x1F20;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B9;&#x03C3;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C2;. Mag dabei<lb/>
auch manche einzelne Säule, so wie namentlich auch das<lb/>
marmorne Gebälk durch Verkalkung gelitten haben, so ver-<lb/>
mögen wir doch nicht einmal von einem eigentlichen Neubau<lb/>
zu sprechen, geschweige denn ohne ausdrückliches Zeugniss<lb/>
von einer Vergrösserung. Der Ausdruck &#x1F00;&#x03BC;&#x03B5;&#x03AF;&#x03BD;&#x03C9; aber ist<lb/>
immer hinlänglich gerechtfertigt, wenn wir nur an eine<lb/>
glänzende Wiederherstellung unter Berücksichtigung der<lb/>
Forderungen eines verfeinerten Geschmackes und vorge-<lb/>
schrittenen Luxus denken. Müssen wir demnach die von<lb/>
Plinius angegebenen Maasse von dem älteren Tempel gelten<lb/>
lassen, so fragt es sich nur, wann derselbe diese Grösse er-<lb/>
hielt. Plinius spricht an dieser Stelle nur von der Anlage<lb/>
durch Chersiphron. Aber auch Vitruv, welcher doch vier<lb/>
Architekten kennt und offenbar gute Quellen benutzte, legt<lb/>
keinem derselben eine Veränderung des ursprünglichen Pla-<lb/>
nes bei: er bezeichnet den Tempel schon in der Anlage des<lb/>
Chersiphron als Dipteros. Sollte danach nicht etwa Strabo,<lb/>
der den älteren Tempel nur flüchtig berührt und den Nach-<lb/>
folger des Chersiphron nicht einmal dem Namen nach ken-<lb/>
nen zu lernen sich die Mühe gegeben hat, irrthümlich von<lb/>
einer Vergrösserung gesprochen haben, wo es sich nur um<lb/>
Weiterführung oder Vollendung des Baues handelte? Frei-<lb/>
lich nennt Herodot den Tempel zu Samos den grössten un-<lb/>
ter allen ihm bekannten; allein an einer andern Stelle<lb/>
(II, 148) setzt er wenigstens den ephesischen diesem als<lb/>
ebenbürtig an die Seite; und so meinte er vielleicht bei jener<lb/>
Bezeichnung des samischen nur den grössten damals vollen-<lb/>
deten; denn wir wissen keineswegs gewiss, dass, als Herodot<lb/>
in Kleinasien sich aufhielt, der ephesische schon völlig ausge-<lb/>
baut war. &#x2014; Indessen würde ich diesen Bedenken gegen die An-<lb/>
sicht von Urlichs vielleicht keine zu hohe Bedeutung beilegen,<lb/>
wenn mir nicht innere Gründe gegen die von ihm angenommene<lb/>
Veränderung eines Peripteros in einen Dipteros zu sprechen<lb/>
schienen. Ich will es weniger betonen, wie bei der beson-<lb/>
deren Art, mit welcher die Fundamente des Tempels herge-<lb/>
richtet waren, eine Erweiterung, ein Anflicken rings herum<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0355] Tempel, den ἄλλος ἐποίησε μείξω; und dies wird bestätigt dadurch, dass er weiter angiebt, man habe die alten Säulen behalten, sowie dass er nur von dem Dache als abgebrannt spricht: μετὰ δὲ τὴν ἔμπϱησιν τῆς ὀϱοφῆς ἠφανισμένης. Mag dabei auch manche einzelne Säule, so wie namentlich auch das marmorne Gebälk durch Verkalkung gelitten haben, so ver- mögen wir doch nicht einmal von einem eigentlichen Neubau zu sprechen, geschweige denn ohne ausdrückliches Zeugniss von einer Vergrösserung. Der Ausdruck ἀμείνω aber ist immer hinlänglich gerechtfertigt, wenn wir nur an eine glänzende Wiederherstellung unter Berücksichtigung der Forderungen eines verfeinerten Geschmackes und vorge- schrittenen Luxus denken. Müssen wir demnach die von Plinius angegebenen Maasse von dem älteren Tempel gelten lassen, so fragt es sich nur, wann derselbe diese Grösse er- hielt. Plinius spricht an dieser Stelle nur von der Anlage durch Chersiphron. Aber auch Vitruv, welcher doch vier Architekten kennt und offenbar gute Quellen benutzte, legt keinem derselben eine Veränderung des ursprünglichen Pla- nes bei: er bezeichnet den Tempel schon in der Anlage des Chersiphron als Dipteros. Sollte danach nicht etwa Strabo, der den älteren Tempel nur flüchtig berührt und den Nach- folger des Chersiphron nicht einmal dem Namen nach ken- nen zu lernen sich die Mühe gegeben hat, irrthümlich von einer Vergrösserung gesprochen haben, wo es sich nur um Weiterführung oder Vollendung des Baues handelte? Frei- lich nennt Herodot den Tempel zu Samos den grössten un- ter allen ihm bekannten; allein an einer andern Stelle (II, 148) setzt er wenigstens den ephesischen diesem als ebenbürtig an die Seite; und so meinte er vielleicht bei jener Bezeichnung des samischen nur den grössten damals vollen- deten; denn wir wissen keineswegs gewiss, dass, als Herodot in Kleinasien sich aufhielt, der ephesische schon völlig ausge- baut war. — Indessen würde ich diesen Bedenken gegen die An- sicht von Urlichs vielleicht keine zu hohe Bedeutung beilegen, wenn mir nicht innere Gründe gegen die von ihm angenommene Veränderung eines Peripteros in einen Dipteros zu sprechen schienen. Ich will es weniger betonen, wie bei der beson- deren Art, mit welcher die Fundamente des Tempels herge- richtet waren, eine Erweiterung, ein Anflicken rings herum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/355
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/355>, abgerufen am 29.11.2024.