haben wollten. Dann fährt er fort: "Die Griechen lassen sie theils in Sikyon, theils bei den Korinthern erfunden sein, und zwar übereinstimmend durch Umreissen des menschlichen Schattens mit Linien. Das also sei die erste Art gewesen; die zweite die mit einfachen Farben, monochromaton genannt, nachdem man die mühevollere erfunden habe; und diese wird auch jetzt noch in solcher Weise geübt. Die Linearmalerei sei eine Erfindung des Aegypters Philokles oder des Kleanthes von Korinth. Zuerst übten dieselbe Aridikes von Korinth und Telephanes von Sikyon, zwar auch sie noch ganz ohne irgend eine Farbe, aber doch so, dass sie innerhalb (des äusseren Umrisses) auch andere Linien ein- streueten; weshalb es Sitte geworden, dabei zu schreiben, wen man malte. Mit Farbe, wie man sagt, geriebenem Ziegel, malte zuerst Ekphantos von Korinth. Dass dieser von dem gleichnamigen Künstler verschieden sei, über welchen Cor- nelius Nepos berichtet, er habe den Damaratos, den Vater des römischen Königs Tarquinius Priscus, bei seiner Flucht vor der Verfolgung des Tyrannen Kypselos aus Korinth nach Italien begleitet, werden wir bald lehren." Hier deutet Pli- nius offenbar auf den Anfang seines eigentlichen Malerver- zeichnisses, in welchem er seine Verwunderung darüber aus- spricht, dass die Griechen berühmte Maler vor der 90sten Olympiade kaum kennen wollen1): "Ist es doch sogar zuge- standen, dass das Gemälde des Malers Bularchos mit der Schlacht der Magneten von dem lydischen Könige Kandaules, dem letzten der Herakliden, der auch Myrsilos genannt wird, mit Gold aufgewogen wurde2). So hoch ward damals schon die Malerei geschätzt. Das muss etwa zur Zeit des Romulus geschehen sein, denn in der 18ten Olympiade starb Kandaules, oder, wie einige angeben, in demselben Jahre, wie Romulus, wenn ich nicht irre, so dass offenbar schon damals die Kunst berühmt, ja vollendet war. Ist dieses so anzunehmen, so ist zugleich klar, dass die Anfänge weit älter waren, so wie dass die, welche Monochromata malten und deren Alter nicht an- gegeben wird, etwas früher lebten, wie Hygiaenon, Di- nias, Charmadas, und, der zuerst in der Malerei Mann und Frau unterschied und jegliche Figuren nachzuahmen
1) 35, 55.
2) Wie er schon 7, 39 in ähnlicher Weise erzählt hat.
haben wollten. Dann fährt er fort: „Die Griechen lassen sie theils in Sikyon, theils bei den Korinthern erfunden sein, und zwar übereinstimmend durch Umreissen des menschlichen Schattens mit Linien. Das also sei die erste Art gewesen; die zweite die mit einfachen Farben, monochromaton genannt, nachdem man die mühevollere erfunden habe; und diese wird auch jetzt noch in solcher Weise geübt. Die Linearmalerei sei eine Erfindung des Aegypters Philokles oder des Kleanthes von Korinth. Zuerst übten dieselbe Aridikes von Korinth und Telephanes von Sikyon, zwar auch sie noch ganz ohne irgend eine Farbe, aber doch so, dass sie innerhalb (des äusseren Umrisses) auch andere Linien ein- streueten; weshalb es Sitte geworden, dabei zu schreiben, wen man malte. Mit Farbe, wie man sagt, geriebenem Ziegel, malte zuerst Ekphantos von Korinth. Dass dieser von dem gleichnamigen Künstler verschieden sei, über welchen Cor- nelius Nepos berichtet, er habe den Damaratos, den Vater des römischen Königs Tarquinius Priscus, bei seiner Flucht vor der Verfolgung des Tyrannen Kypselos aus Korinth nach Italien begleitet, werden wir bald lehren.‟ Hier deutet Pli- nius offenbar auf den Anfang seines eigentlichen Malerver- zeichnisses, in welchem er seine Verwunderung darüber aus- spricht, dass die Griechen berühmte Maler vor der 90sten Olympiade kaum kennen wollen1): „Ist es doch sogar zuge- standen, dass das Gemälde des Malers Bularchos mit der Schlacht der Magneten von dem lydischen Könige Kandaules, dem letzten der Herakliden, der auch Myrsilos genannt wird, mit Gold aufgewogen wurde2). So hoch ward damals schon die Malerei geschätzt. Das muss etwa zur Zeit des Romulus geschehen sein, denn in der 18ten Olympiade starb Kandaules, oder, wie einige angeben, in demselben Jahre, wie Romulus, wenn ich nicht irre, so dass offenbar schon damals die Kunst berühmt, ja vollendet war. Ist dieses so anzunehmen, so ist zugleich klar, dass die Anfänge weit älter waren, so wie dass die, welche Monochromata malten und deren Alter nicht an- gegeben wird, etwas früher lebten, wie Hygiaenon, Di- nias, Charmadas, und, der zuerst in der Malerei Mann und Frau unterschied und jegliche Figuren nachzuahmen
1) 35, 55.
2) Wie er schon 7, 39 in ähnlicher Weise erzählt hat.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0021"n="4"/>
haben wollten. Dann fährt er fort: „Die Griechen lassen sie<lb/>
theils in Sikyon, theils bei den Korinthern erfunden sein, und<lb/>
zwar übereinstimmend durch Umreissen des menschlichen<lb/>
Schattens mit Linien. Das also sei die erste Art gewesen;<lb/>
die zweite die mit einfachen Farben, monochromaton genannt,<lb/>
nachdem man die mühevollere erfunden habe; und diese wird<lb/>
auch jetzt noch in solcher Weise geübt. Die Linearmalerei<lb/>
sei eine Erfindung des Aegypters <hirendition="#g">Philokles</hi> oder des<lb/><hirendition="#g">Kleanthes</hi> von Korinth. Zuerst übten dieselbe <hirendition="#g">Aridikes</hi><lb/>
von Korinth und <hirendition="#g">Telephanes</hi> von Sikyon, zwar auch sie<lb/>
noch ganz ohne irgend eine Farbe, aber doch so, dass sie<lb/>
innerhalb (des äusseren Umrisses) auch andere Linien ein-<lb/>
streueten; weshalb es Sitte geworden, dabei zu schreiben,<lb/>
wen man malte. Mit Farbe, wie man sagt, geriebenem Ziegel,<lb/>
malte zuerst <hirendition="#g">Ekphantos</hi> von Korinth. Dass dieser von dem<lb/>
gleichnamigen Künstler verschieden sei, über welchen Cor-<lb/>
nelius Nepos berichtet, er habe den Damaratos, den Vater<lb/>
des römischen Königs Tarquinius Priscus, bei seiner Flucht<lb/>
vor der Verfolgung des Tyrannen Kypselos aus Korinth nach<lb/>
Italien begleitet, werden wir bald lehren.‟ Hier deutet Pli-<lb/>
nius offenbar auf den Anfang seines eigentlichen Malerver-<lb/>
zeichnisses, in welchem er seine Verwunderung darüber aus-<lb/>
spricht, dass die Griechen berühmte Maler vor der 90sten<lb/>
Olympiade kaum kennen wollen<noteplace="foot"n="1)">35, 55.</note>: „Ist es doch sogar zuge-<lb/>
standen, dass das Gemälde des Malers <hirendition="#g">Bularchos</hi> mit der<lb/>
Schlacht der Magneten von dem lydischen Könige Kandaules,<lb/>
dem letzten der Herakliden, der auch Myrsilos genannt wird,<lb/>
mit Gold aufgewogen wurde<noteplace="foot"n="2)">Wie er schon 7, 39 in ähnlicher Weise erzählt hat.</note>. So hoch ward damals schon<lb/>
die Malerei geschätzt. Das muss etwa zur Zeit des Romulus<lb/>
geschehen sein, denn in der 18ten Olympiade starb Kandaules,<lb/>
oder, wie einige angeben, in demselben Jahre, wie Romulus,<lb/>
wenn ich nicht irre, so dass offenbar schon damals die Kunst<lb/>
berühmt, ja vollendet war. Ist dieses so anzunehmen, so ist<lb/>
zugleich klar, dass die Anfänge weit älter waren, so wie dass<lb/>
die, welche Monochromata malten und deren Alter nicht an-<lb/>
gegeben wird, etwas früher lebten, wie <hirendition="#g">Hygiaenon, Di-<lb/>
nias, Charmadas,</hi> und, der zuerst in der Malerei Mann<lb/>
und Frau unterschied und jegliche Figuren nachzuahmen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[4/0021]
haben wollten. Dann fährt er fort: „Die Griechen lassen sie
theils in Sikyon, theils bei den Korinthern erfunden sein, und
zwar übereinstimmend durch Umreissen des menschlichen
Schattens mit Linien. Das also sei die erste Art gewesen;
die zweite die mit einfachen Farben, monochromaton genannt,
nachdem man die mühevollere erfunden habe; und diese wird
auch jetzt noch in solcher Weise geübt. Die Linearmalerei
sei eine Erfindung des Aegypters Philokles oder des
Kleanthes von Korinth. Zuerst übten dieselbe Aridikes
von Korinth und Telephanes von Sikyon, zwar auch sie
noch ganz ohne irgend eine Farbe, aber doch so, dass sie
innerhalb (des äusseren Umrisses) auch andere Linien ein-
streueten; weshalb es Sitte geworden, dabei zu schreiben,
wen man malte. Mit Farbe, wie man sagt, geriebenem Ziegel,
malte zuerst Ekphantos von Korinth. Dass dieser von dem
gleichnamigen Künstler verschieden sei, über welchen Cor-
nelius Nepos berichtet, er habe den Damaratos, den Vater
des römischen Königs Tarquinius Priscus, bei seiner Flucht
vor der Verfolgung des Tyrannen Kypselos aus Korinth nach
Italien begleitet, werden wir bald lehren.‟ Hier deutet Pli-
nius offenbar auf den Anfang seines eigentlichen Malerver-
zeichnisses, in welchem er seine Verwunderung darüber aus-
spricht, dass die Griechen berühmte Maler vor der 90sten
Olympiade kaum kennen wollen 1): „Ist es doch sogar zuge-
standen, dass das Gemälde des Malers Bularchos mit der
Schlacht der Magneten von dem lydischen Könige Kandaules,
dem letzten der Herakliden, der auch Myrsilos genannt wird,
mit Gold aufgewogen wurde 2). So hoch ward damals schon
die Malerei geschätzt. Das muss etwa zur Zeit des Romulus
geschehen sein, denn in der 18ten Olympiade starb Kandaules,
oder, wie einige angeben, in demselben Jahre, wie Romulus,
wenn ich nicht irre, so dass offenbar schon damals die Kunst
berühmt, ja vollendet war. Ist dieses so anzunehmen, so ist
zugleich klar, dass die Anfänge weit älter waren, so wie dass
die, welche Monochromata malten und deren Alter nicht an-
gegeben wird, etwas früher lebten, wie Hygiaenon, Di-
nias, Charmadas, und, der zuerst in der Malerei Mann
und Frau unterschied und jegliche Figuren nachzuahmen
1) 35, 55.
2) Wie er schon 7, 39 in ähnlicher Weise erzählt hat.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/21>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.