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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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Aus dem gleichen Gefühle der Bescheidenheit erklärt es
sich, dass in den echten Künstlerinschriften die Buchstaben
nicht weit gesperrt und die Namen stets ungebrochen in
einer Zeile stehen. Eine Vertheilung in mehrere Zeilen
scheint nur da als zulässig betrachtet worden zu sein, wo
die Inschrift aus mehr als einem Worte besteht. Eben so
ist kein einziges sicheres Beispiel bekannt, wo der Name
durch einen Theil des Bildes unterbrochen oder die Inschrift
rings um das Bild herum vertheilt wäre, offenbar weil sie
dadurch den Anspruch erheben würde, mehr als ein Parergon
zu sein.

Beachtung verdient ferner auch die Stelle, an der die
Inschrift angebracht ist. Bei den Cameen scheinen allerdings
aus dem schon früher angeführten Grunde nur rein künst-
lerische Rücksichten maassgebend gewesen zu sein. Die
Namen des Athenion, Boethos, Protarchos stehen theils über,
theils unter dem Bilde, theils mehr zur Seite; und sind nicht
immer horizontal, sondern in schräger, den Linien des Bil-
des angemessener Richtung angebracht. An den Köpfen des
Augustus von Dioskurides, des Germanicus von Epitynchanus,
des Portraits von Herophilos haben die Künstler vertiefte
Schrift gewählt, wie es scheint, absichtlich, theils damit nicht
der Name für den der dargestellten Person genommen werde,
theils aus dem künstlerischen Grunde, weil erhabene Schrift
die naturgemässe Abrundung eines Portraitkopfes nur gestört
haben würde. Demnach dürfte z. B. der erhaben geschnit-
tene Name des Admon unter einem Augustuskopf vielmehr
einen Beweis der Unechtheit, als der Echtheit des Werkes
abgeben. Die vertieft geschnittenen Steine dagegen waren
meist zum Siegeln bestimmt; und demnach musste, wie hin-
sichtlich der Grösse der Inschrift, so auch hinsichtlich der
Augenfälligkeit ihrer Stellung dem Besitzer der Vorrang ein-
geräumt werden: selbst bei nicht bestellten, sondern zum
Verkauf gearbeiteten Siegelsteinen war der wichtigste Platz
dem Namen des Besitzers offen zu halten. Werfen wir jetzt
einen Blick auf die sicheren Künstlerinschriften, so finden
wir, dass sie sich diesem Gesetze streng unterworfen haben,
indem sie fast ohne Ausnahme entweder an einer innerhalb
des Bildes freigelassenen Stelle oder in den Feldern zur
Seite des Bildes angebracht sind, theils in senkrechter, theils

Aus dem gleichen Gefühle der Bescheidenheit erklärt es
sich, dass in den echten Künstlerinschriften die Buchstaben
nicht weit gesperrt und die Namen stets ungebrochen in
einer Zeile stehen. Eine Vertheilung in mehrere Zeilen
scheint nur da als zulässig betrachtet worden zu sein, wo
die Inschrift aus mehr als einem Worte besteht. Eben so
ist kein einziges sicheres Beispiel bekannt, wo der Name
durch einen Theil des Bildes unterbrochen oder die Inschrift
rings um das Bild herum vertheilt wäre, offenbar weil sie
dadurch den Anspruch erheben würde, mehr als ein Parergon
zu sein.

Beachtung verdient ferner auch die Stelle, an der die
Inschrift angebracht ist. Bei den Cameen scheinen allerdings
aus dem schon früher angeführten Grunde nur rein künst-
lerische Rücksichten maassgebend gewesen zu sein. Die
Namen des Athenion, Boethos, Protarchos stehen theils über,
theils unter dem Bilde, theils mehr zur Seite; und sind nicht
immer horizontal, sondern in schräger, den Linien des Bil-
des angemessener Richtung angebracht. An den Köpfen des
Augustus von Dioskurides, des Germanicus von Epitynchanus,
des Portraits von Herophilos haben die Künstler vertiefte
Schrift gewählt, wie es scheint, absichtlich, theils damit nicht
der Name für den der dargestellten Person genommen werde,
theils aus dem künstlerischen Grunde, weil erhabene Schrift
die naturgemässe Abrundung eines Portraitkopfes nur gestört
haben würde. Demnach dürfte z. B. der erhaben geschnit-
tene Name des Admon unter einem Augustuskopf vielmehr
einen Beweis der Unechtheit, als der Echtheit des Werkes
abgeben. Die vertieft geschnittenen Steine dagegen waren
meist zum Siegeln bestimmt; und demnach musste, wie hin-
sichtlich der Grösse der Inschrift, so auch hinsichtlich der
Augenfälligkeit ihrer Stellung dem Besitzer der Vorrang ein-
geräumt werden: selbst bei nicht bestellten, sondern zum
Verkauf gearbeiteten Siegelsteinen war der wichtigste Platz
dem Namen des Besitzers offen zu halten. Werfen wir jetzt
einen Blick auf die sicheren Künstlerinschriften, so finden
wir, dass sie sich diesem Gesetze streng unterworfen haben,
indem sie fast ohne Ausnahme entweder an einer innerhalb
des Bildes freigelassenen Stelle oder in den Feldern zur
Seite des Bildes angebracht sind, theils in senkrechter, theils

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[449/0466] Aus dem gleichen Gefühle der Bescheidenheit erklärt es sich, dass in den echten Künstlerinschriften die Buchstaben nicht weit gesperrt und die Namen stets ungebrochen in einer Zeile stehen. Eine Vertheilung in mehrere Zeilen scheint nur da als zulässig betrachtet worden zu sein, wo die Inschrift aus mehr als einem Worte besteht. Eben so ist kein einziges sicheres Beispiel bekannt, wo der Name durch einen Theil des Bildes unterbrochen oder die Inschrift rings um das Bild herum vertheilt wäre, offenbar weil sie dadurch den Anspruch erheben würde, mehr als ein Parergon zu sein. Beachtung verdient ferner auch die Stelle, an der die Inschrift angebracht ist. Bei den Cameen scheinen allerdings aus dem schon früher angeführten Grunde nur rein künst- lerische Rücksichten maassgebend gewesen zu sein. Die Namen des Athenion, Boethos, Protarchos stehen theils über, theils unter dem Bilde, theils mehr zur Seite; und sind nicht immer horizontal, sondern in schräger, den Linien des Bil- des angemessener Richtung angebracht. An den Köpfen des Augustus von Dioskurides, des Germanicus von Epitynchanus, des Portraits von Herophilos haben die Künstler vertiefte Schrift gewählt, wie es scheint, absichtlich, theils damit nicht der Name für den der dargestellten Person genommen werde, theils aus dem künstlerischen Grunde, weil erhabene Schrift die naturgemässe Abrundung eines Portraitkopfes nur gestört haben würde. Demnach dürfte z. B. der erhaben geschnit- tene Name des Admon unter einem Augustuskopf vielmehr einen Beweis der Unechtheit, als der Echtheit des Werkes abgeben. Die vertieft geschnittenen Steine dagegen waren meist zum Siegeln bestimmt; und demnach musste, wie hin- sichtlich der Grösse der Inschrift, so auch hinsichtlich der Augenfälligkeit ihrer Stellung dem Besitzer der Vorrang ein- geräumt werden: selbst bei nicht bestellten, sondern zum Verkauf gearbeiteten Siegelsteinen war der wichtigste Platz dem Namen des Besitzers offen zu halten. Werfen wir jetzt einen Blick auf die sicheren Künstlerinschriften, so finden wir, dass sie sich diesem Gesetze streng unterworfen haben, indem sie fast ohne Ausnahme entweder an einer innerhalb des Bildes freigelassenen Stelle oder in den Feldern zur Seite des Bildes angebracht sind, theils in senkrechter, theils

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/466>, abgerufen am 24.11.2024.