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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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in einzelnen Fällen und oft willkürlich angewendet, als syste-
matisch entwickelt. Dies hat zuerst Stephani in der schon
angeführten Abhandlung über einige angebliche Steinschnei-
der versucht; aber da nur jene fünf von Köhler als echt
anerkannten Inschriften seine Grundlage bildeten, so werden
seine Ansichten in manchen wesentlichen Punkten eine Mo-
dification erleiden müssen. Die Momente, welche uns die
Unechtheit einer für den Steinschneidernamen ausgegebenen
Gemmeninschrift zu verrathen geeignet sind, theilt er S. 186
in innere oder wohl richtiger sachliche und äussere oder
richtiger historische ein.

Zu den ersteren rechnet er zuerst Schnitt, Grösse und
Form der Buchstaben. Der Schnitt an modernen Fäl-
schungen verräth häufig Mangel an Energie und Zuversicht:
Eigenschaften, die alten Arbeiten und Inschriften fast nie
fehlen, theils wegen des Geistes der alten Kunstthätigkeit
überhaupt, theils weil der alte Künstler unbefangen sich selbst
gab und geben konnte, wie er eben war. "Es offenbart sich
aber dieser Mangel an Zuversicht und Energie seltener durch
eine mehr oder weniger plumpe Ungeschicklichkeit und Un-
sicherheit der Hand, als gerade im Gegentheil durch eine
auf das Sorgfältigste berechnete und consequent durchge-
führte Regelmässigkeit theils der ganzen Buchstaben in ihren
Verhältnissen zu einander, theils der einzelnen Elemente des-
selben Buchstabens in deren Verhältnissen zu einander, wäh-
rend eine so vollkommene Regelmässigkeit dem energischen
Charakter antiken Schnitts fremd ist und nothwendig fremd
sein muss."

In Betreff des Grössenverhältnisses ist schon oben be-
merkt worden, dass sehr kleine Buchstaben an sich den Ver-
dacht der Fälschung noch nicht rechtfertigen. Wenigstens
sind in jedem einzelnen Falle die besonderen Verhältnisse
des Bildes, des Feldes u. s. w. in Betracht zu ziehen.

In Betreff der Form der Buchstaben werden von Ste-
phani namentlich zwei Eigenthümlichkeiten hervorgehoben,
nämlich zuerst, dass die Fälscher, um die Inschrift antikem
Gebrauche gemäss dem ersten Anblicke möglichst zu ent-
ziehen, bestrebt gewesen seien, die einzelnen Linien so dünn
und schmal zu machen und sie nur so seicht und leicht ein-
zugraben, als es nur immer gelingen wollte. Sodann wird

in einzelnen Fällen und oft willkürlich angewendet, als syste-
matisch entwickelt. Dies hat zuerst Stephani in der schon
angeführten Abhandlung über einige angebliche Steinschnei-
der versucht; aber da nur jene fünf von Köhler als echt
anerkannten Inschriften seine Grundlage bildeten, so werden
seine Ansichten in manchen wesentlichen Punkten eine Mo-
dification erleiden müssen. Die Momente, welche uns die
Unechtheit einer für den Steinschneidernamen ausgegebenen
Gemmeninschrift zu verrathen geeignet sind, theilt er S. 186
in innere oder wohl richtiger sachliche und äussere oder
richtiger historische ein.

Zu den ersteren rechnet er zuerst Schnitt, Grösse und
Form der Buchstaben. Der Schnitt an modernen Fäl-
schungen verräth häufig Mangel an Energie und Zuversicht:
Eigenschaften, die alten Arbeiten und Inschriften fast nie
fehlen, theils wegen des Geistes der alten Kunstthätigkeit
überhaupt, theils weil der alte Künstler unbefangen sich selbst
gab und geben konnte, wie er eben war. „Es offenbart sich
aber dieser Mangel an Zuversicht und Energie seltener durch
eine mehr oder weniger plumpe Ungeschicklichkeit und Un-
sicherheit der Hand, als gerade im Gegentheil durch eine
auf das Sorgfältigste berechnete und consequent durchge-
führte Regelmässigkeit theils der ganzen Buchstaben in ihren
Verhältnissen zu einander, theils der einzelnen Elemente des-
selben Buchstabens in deren Verhältnissen zu einander, wäh-
rend eine so vollkommene Regelmässigkeit dem energischen
Charakter antiken Schnitts fremd ist und nothwendig fremd
sein muss.‟

In Betreff des Grössenverhältnisses ist schon oben be-
merkt worden, dass sehr kleine Buchstaben an sich den Ver-
dacht der Fälschung noch nicht rechtfertigen. Wenigstens
sind in jedem einzelnen Falle die besonderen Verhältnisse
des Bildes, des Feldes u. s. w. in Betracht zu ziehen.

In Betreff der Form der Buchstaben werden von Ste-
phani namentlich zwei Eigenthümlichkeiten hervorgehoben,
nämlich zuerst, dass die Fälscher, um die Inschrift antikem
Gebrauche gemäss dem ersten Anblicke möglichst zu ent-
ziehen, bestrebt gewesen seien, die einzelnen Linien so dünn
und schmal zu machen und sie nur so seicht und leicht ein-
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[453/0470] in einzelnen Fällen und oft willkürlich angewendet, als syste- matisch entwickelt. Dies hat zuerst Stephani in der schon angeführten Abhandlung über einige angebliche Steinschnei- der versucht; aber da nur jene fünf von Köhler als echt anerkannten Inschriften seine Grundlage bildeten, so werden seine Ansichten in manchen wesentlichen Punkten eine Mo- dification erleiden müssen. Die Momente, welche uns die Unechtheit einer für den Steinschneidernamen ausgegebenen Gemmeninschrift zu verrathen geeignet sind, theilt er S. 186 in innere oder wohl richtiger sachliche und äussere oder richtiger historische ein. Zu den ersteren rechnet er zuerst Schnitt, Grösse und Form der Buchstaben. Der Schnitt an modernen Fäl- schungen verräth häufig Mangel an Energie und Zuversicht: Eigenschaften, die alten Arbeiten und Inschriften fast nie fehlen, theils wegen des Geistes der alten Kunstthätigkeit überhaupt, theils weil der alte Künstler unbefangen sich selbst gab und geben konnte, wie er eben war. „Es offenbart sich aber dieser Mangel an Zuversicht und Energie seltener durch eine mehr oder weniger plumpe Ungeschicklichkeit und Un- sicherheit der Hand, als gerade im Gegentheil durch eine auf das Sorgfältigste berechnete und consequent durchge- führte Regelmässigkeit theils der ganzen Buchstaben in ihren Verhältnissen zu einander, theils der einzelnen Elemente des- selben Buchstabens in deren Verhältnissen zu einander, wäh- rend eine so vollkommene Regelmässigkeit dem energischen Charakter antiken Schnitts fremd ist und nothwendig fremd sein muss.‟ In Betreff des Grössenverhältnisses ist schon oben be- merkt worden, dass sehr kleine Buchstaben an sich den Ver- dacht der Fälschung noch nicht rechtfertigen. Wenigstens sind in jedem einzelnen Falle die besonderen Verhältnisse des Bildes, des Feldes u. s. w. in Betracht zu ziehen. In Betreff der Form der Buchstaben werden von Ste- phani namentlich zwei Eigenthümlichkeiten hervorgehoben, nämlich zuerst, dass die Fälscher, um die Inschrift antikem Gebrauche gemäss dem ersten Anblicke möglichst zu ent- ziehen, bestrebt gewesen seien, die einzelnen Linien so dünn und schmal zu machen und sie nur so seicht und leicht ein- zugraben, als es nur immer gelingen wollte. Sodann wird

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/470>, abgerufen am 24.11.2024.