Endlich dürfen wir nicht vergessen, in welcher Zeit Stosch lebte: wer den Amor des Alessandro Cesati (T. 6), den an- geblichen Alexander des Pyrgoteles (T. 55) unbedenklich als echt in sein Werk aufnahm, dem brauchten alle die als ver- dächtig angeführten Steine um so weniger Anstoss zu erre- gen, Wenn bis auf Köhler niemand zweifelte, dürfen wir dann Stosch einen Vorwurf machen, dass er es nicht that? Ist er darum, weil er diese Steine zuerst erwähnt, auch für ihr Dasein verantwortlich? Auch darüber, dass in späteren Jahren noch so mancher Stein mit Künstlerinschrift durch seine Hände ging, dürfen wir uns keineswegs wundern. Es ist sogar na- türlich, dass gerade ihm als Liebhaber und Sammler und als demjenigen, der umfassender als jemand vor ihm den Künst- lerinschriften ihre Bedeutung vindicirt hatte, solche Gemmen vorzugsweise zum Verkauf angetragen wurden. Der Ver- dacht, dass Stosch nicht aus Unkenntniss gefehlt, dass er nicht der Betrogene, sondern der Betrüger gewesen, schwin- det daher auf ein so geringes Maass zusammen, dass wir, ohne dass uns das Zeugniss eines seiner Zeitgenossen den geringsten Anhaltspunkt für denselben gewährte, nicht be- rechtigt erscheinen, ihn auch nur auszusprechen. Vielmehr gebührt Stosch durchaus das Lob, welches ihm Köhler (S. 2) trotz seiner Verdächtigungen nicht vorzuenthalten vermag: "Obgleich Stosch in seinem Buche manche Aufschriften von Gemmen als Namen der Künstler bekannt machte, die etwas ganz anderes bedeuten: obgleich unter seinen siebenzig Stei- nen sehr viele sind, die theils offenbar neue Arbeiten, theils nur zu verdächtig oder zweifelhaft sind: so gebührt ihm doch bei allen grossen Gebrechen das Lob, mit etwas mehr Urtheil und Auswahl das ihm aufnehmbar scheinende gesammelt zu haben, als ohne Ausnahme alle, die nach ihm, um ihn zu vervollständigen, Verzeichnisse der Werke alter Steinschnei- der mit ihren Namen zusammentrugen. Denn diese nahmen bald mit wenig, bald mit gar keiner Beurtheilung alles auf, was sich ihnen darbot, und zum Theil manches, was Stosch für der Erwähnung unwerth gehalten hatte."
Es erscheint daher auch nicht nöthig, den weiteren Ver- lauf dieser Studien im Einzelnen zu verfolgen. Mit der Lieb- haberei für Künstlerinschriften wuchs auch die Fälschung; und die meisten der bedeutenden Steinschneider des vorigen
Endlich dürfen wir nicht vergessen, in welcher Zeit Stosch lebte: wer den Amor des Alessandro Cesati (T. 6), den an- geblichen Alexander des Pyrgoteles (T. 55) unbedenklich als echt in sein Werk aufnahm, dem brauchten alle die als ver- dächtig angeführten Steine um so weniger Anstoss zu erre- gen, Wenn bis auf Köhler niemand zweifelte, dürfen wir dann Stosch einen Vorwurf machen, dass er es nicht that? Ist er darum, weil er diese Steine zuerst erwähnt, auch für ihr Dasein verantwortlich? Auch darüber, dass in späteren Jahren noch so mancher Stein mit Künstlerinschrift durch seine Hände ging, dürfen wir uns keineswegs wundern. Es ist sogar na- türlich, dass gerade ihm als Liebhaber und Sammler und als demjenigen, der umfassender als jemand vor ihm den Künst- lerinschriften ihre Bedeutung vindicirt hatte, solche Gemmen vorzugsweise zum Verkauf angetragen wurden. Der Ver- dacht, dass Stosch nicht aus Unkenntniss gefehlt, dass er nicht der Betrogene, sondern der Betrüger gewesen, schwin- det daher auf ein so geringes Maass zusammen, dass wir, ohne dass uns das Zeugniss eines seiner Zeitgenossen den geringsten Anhaltspunkt für denselben gewährte, nicht be- rechtigt erscheinen, ihn auch nur auszusprechen. Vielmehr gebührt Stosch durchaus das Lob, welches ihm Köhler (S. 2) trotz seiner Verdächtigungen nicht vorzuenthalten vermag: „Obgleich Stosch in seinem Buche manche Aufschriften von Gemmen als Namen der Künstler bekannt machte, die etwas ganz anderes bedeuten: obgleich unter seinen siebenzig Stei- nen sehr viele sind, die theils offenbar neue Arbeiten, theils nur zu verdächtig oder zweifelhaft sind: so gebührt ihm doch bei allen grossen Gebrechen das Lob, mit etwas mehr Urtheil und Auswahl das ihm aufnehmbar scheinende gesammelt zu haben, als ohne Ausnahme alle, die nach ihm, um ihn zu vervollständigen, Verzeichnisse der Werke alter Steinschnei- der mit ihren Namen zusammentrugen. Denn diese nahmen bald mit wenig, bald mit gar keiner Beurtheilung alles auf, was sich ihnen darbot, und zum Theil manches, was Stosch für der Erwähnung unwerth gehalten hatte.‟
Es erscheint daher auch nicht nöthig, den weiteren Ver- lauf dieser Studien im Einzelnen zu verfolgen. Mit der Lieb- haberei für Künstlerinschriften wuchs auch die Fälschung; und die meisten der bedeutenden Steinschneider des vorigen
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Endlich dürfen wir nicht vergessen, in welcher Zeit Stosch
lebte: wer den Amor des Alessandro Cesati (T. 6), den an-
geblichen Alexander des Pyrgoteles (T. 55) unbedenklich als
echt in sein Werk aufnahm, dem brauchten alle die als ver-
dächtig angeführten Steine um so weniger Anstoss zu erre-
gen, Wenn bis auf Köhler niemand zweifelte, dürfen wir
dann Stosch einen Vorwurf machen, dass er es nicht that?
Ist er darum, weil er diese Steine zuerst erwähnt, auch für ihr
Dasein verantwortlich? Auch darüber, dass in späteren Jahren
noch so mancher Stein mit Künstlerinschrift durch seine Hände
ging, dürfen wir uns keineswegs wundern. Es ist sogar na-
türlich, dass gerade ihm als Liebhaber und Sammler und als
demjenigen, der umfassender als jemand vor ihm den Künst-
lerinschriften ihre Bedeutung vindicirt hatte, solche Gemmen
vorzugsweise zum Verkauf angetragen wurden. Der Ver-
dacht, dass Stosch nicht aus Unkenntniss gefehlt, dass er
nicht der Betrogene, sondern der Betrüger gewesen, schwin-
det daher auf ein so geringes Maass zusammen, dass wir,
ohne dass uns das Zeugniss eines seiner Zeitgenossen den
geringsten Anhaltspunkt für denselben gewährte, nicht be-
rechtigt erscheinen, ihn auch nur auszusprechen. Vielmehr
gebührt Stosch durchaus das Lob, welches ihm Köhler (S. 2)
trotz seiner Verdächtigungen nicht vorzuenthalten vermag:
„Obgleich Stosch in seinem Buche manche Aufschriften von
Gemmen als Namen der Künstler bekannt machte, die etwas
ganz anderes bedeuten: obgleich unter seinen siebenzig Stei-
nen sehr viele sind, die theils offenbar neue Arbeiten, theils
nur zu verdächtig oder zweifelhaft sind: so gebührt ihm doch
bei allen grossen Gebrechen das Lob, mit etwas mehr Urtheil
und Auswahl das ihm aufnehmbar scheinende gesammelt zu
haben, als ohne Ausnahme alle, die nach ihm, um ihn zu
vervollständigen, Verzeichnisse der Werke alter Steinschnei-
der mit ihren Namen zusammentrugen. Denn diese nahmen
bald mit wenig, bald mit gar keiner Beurtheilung alles auf,
was sich ihnen darbot, und zum Theil manches, was Stosch
für der Erwähnung unwerth gehalten hatte.‟
Es erscheint daher auch nicht nöthig, den weiteren Ver-
lauf dieser Studien im Einzelnen zu verfolgen. Mit der Lieb-
haberei für Künstlerinschriften wuchs auch die Fälschung;
und die meisten der bedeutenden Steinschneider des vorigen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/480>, abgerufen am 24.11.2024.
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