Jahrhunderts, wie ausser dem schon erwähnten Flavio Sir- leti z. B. Natter, Pichler, haben ihren Ruf dadurch befleckt, dass sie antike Werke nicht etwa blos copirten, sondern sie nachahmten und mit gefälschten Inschriften versahen. Auf der andern Seite versäumten die Gelehrten, wie Gori, Vettori nicht, theils diese Fälschungen als echt anzuerkennen, theils das Verzeichniss der Steinschneider durch Aufnahme von Steinen zu vergrössern, welche eine ganz andere Bedeutung hatten. Selbst die grössten unter den Archäologen, Winckel- mann und Visconti und der in so mancher Beziehung ver- diente Millin erheben sich in dieser Beziehung kaum über den allgemeinen Standpunkt, indem sie offenbar das Studium der Gemmen und namentlich ihrer Inschriften nur als Neben- sache betrachteten. Unter solchen Umständen verdient Bracci's Werk über die alten Steinschneider eine ähnliche Anerken- nung, wie das Stoschische, indem es auf Grund des letztern und mit Hinzufügung des später bekannt gewordenen Mate- rials ein verhältnissmässig nicht zu umfangreiches Verzeich- niss aufstellte. Ein ehrenwerthes Streben nach Kritik offen- bart sich theils im Anhange, in dem eine Reihe verdächtiger, falscher und nicht auf Künstler bezüglicher Inschriften zu- sammengestellt ist, theils darin, dass er manches, einmal für sein Werk vorbereitete Bild zwar aufnahm, aber die ihm während der Arbeit entstandenen Zweifel mitzutheilen nicht unterliess.
Unser Jahrhundert zeigt uns zunächst, wie Köhler und Stephani bemerken, eher einen Rückschritt als einen Fort- schritt. Allerdings waren bei den Liebhabern die Gemmen mit Künstlerinschriften wegen der offenkundig gewordenen Fälschungen in Miscredit gerathen. Unter den Gelehrten da- gegen herrschte, wie früher, theils das Streben, alle nur möglichen Namen in das Künstlerverzeichniss aufzunehmen, wie bei Raoul-Rochette, theils vollständige Kritiklosigkeit, wie bei Clarac, dessen Katalog leider auch die Grundlage für den die Steinschneider betreffenden Abschnitt des Cor- pus inscr. gr. abgegeben hat.
Wenn wir uns an die alte Erfahrung halten, dass ein Extrem leicht das entgegengesetzte Extrem hervorruft, so wird es uns psychologisch erklärlich scheinen, dass die Reac- tion, welche dieser Kritiklosigkeit in Köhler's Untersuchungen
Jahrhunderts, wie ausser dem schon erwähnten Flavio Sir- leti z. B. Natter, Pichler, haben ihren Ruf dadurch befleckt, dass sie antike Werke nicht etwa blos copirten, sondern sie nachahmten und mit gefälschten Inschriften versahen. Auf der andern Seite versäumten die Gelehrten, wie Gori, Vettori nicht, theils diese Fälschungen als echt anzuerkennen, theils das Verzeichniss der Steinschneider durch Aufnahme von Steinen zu vergrössern, welche eine ganz andere Bedeutung hatten. Selbst die grössten unter den Archäologen, Winckel- mann und Visconti und der in so mancher Beziehung ver- diente Millin erheben sich in dieser Beziehung kaum über den allgemeinen Standpunkt, indem sie offenbar das Studium der Gemmen und namentlich ihrer Inschriften nur als Neben- sache betrachteten. Unter solchen Umständen verdient Bracci’s Werk über die alten Steinschneider eine ähnliche Anerken- nung, wie das Stoschische, indem es auf Grund des letztern und mit Hinzufügung des später bekannt gewordenen Mate- rials ein verhältnissmässig nicht zu umfangreiches Verzeich- niss aufstellte. Ein ehrenwerthes Streben nach Kritik offen- bart sich theils im Anhange, in dem eine Reihe verdächtiger, falscher und nicht auf Künstler bezüglicher Inschriften zu- sammengestellt ist, theils darin, dass er manches, einmal für sein Werk vorbereitete Bild zwar aufnahm, aber die ihm während der Arbeit entstandenen Zweifel mitzutheilen nicht unterliess.
Unser Jahrhundert zeigt uns zunächst, wie Köhler und Stephani bemerken, eher einen Rückschritt als einen Fort- schritt. Allerdings waren bei den Liebhabern die Gemmen mit Künstlerinschriften wegen der offenkundig gewordenen Fälschungen in Miscredit gerathen. Unter den Gelehrten da- gegen herrschte, wie früher, theils das Streben, alle nur möglichen Namen in das Künstlerverzeichniss aufzunehmen, wie bei Raoul-Rochette, theils vollständige Kritiklosigkeit, wie bei Clarac, dessen Katalog leider auch die Grundlage für den die Steinschneider betreffenden Abschnitt des Cor- pus inscr. gr. abgegeben hat.
Wenn wir uns an die alte Erfahrung halten, dass ein Extrem leicht das entgegengesetzte Extrem hervorruft, so wird es uns psychologisch erklärlich scheinen, dass die Reac- tion, welche dieser Kritiklosigkeit in Köhler’s Untersuchungen
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Jahrhunderts, wie ausser dem schon erwähnten Flavio Sir-
leti z. B. Natter, Pichler, haben ihren Ruf dadurch befleckt,
dass sie antike Werke nicht etwa blos copirten, sondern sie
nachahmten und mit gefälschten Inschriften versahen. Auf
der andern Seite versäumten die Gelehrten, wie Gori, Vettori
nicht, theils diese Fälschungen als echt anzuerkennen, theils
das Verzeichniss der Steinschneider durch Aufnahme von
Steinen zu vergrössern, welche eine ganz andere Bedeutung
hatten. Selbst die grössten unter den Archäologen, Winckel-
mann und Visconti und der in so mancher Beziehung ver-
diente Millin erheben sich in dieser Beziehung kaum über
den allgemeinen Standpunkt, indem sie offenbar das Studium
der Gemmen und namentlich ihrer Inschriften nur als Neben-
sache betrachteten. Unter solchen Umständen verdient Bracci’s
Werk über die alten Steinschneider eine ähnliche Anerken-
nung, wie das Stoschische, indem es auf Grund des letztern
und mit Hinzufügung des später bekannt gewordenen Mate-
rials ein verhältnissmässig nicht zu umfangreiches Verzeich-
niss aufstellte. Ein ehrenwerthes Streben nach Kritik offen-
bart sich theils im Anhange, in dem eine Reihe verdächtiger,
falscher und nicht auf Künstler bezüglicher Inschriften zu-
sammengestellt ist, theils darin, dass er manches, einmal für
sein Werk vorbereitete Bild zwar aufnahm, aber die ihm
während der Arbeit entstandenen Zweifel mitzutheilen nicht
unterliess.
Unser Jahrhundert zeigt uns zunächst, wie Köhler und
Stephani bemerken, eher einen Rückschritt als einen Fort-
schritt. Allerdings waren bei den Liebhabern die Gemmen
mit Künstlerinschriften wegen der offenkundig gewordenen
Fälschungen in Miscredit gerathen. Unter den Gelehrten da-
gegen herrschte, wie früher, theils das Streben, alle nur
möglichen Namen in das Künstlerverzeichniss aufzunehmen,
wie bei Raoul-Rochette, theils vollständige Kritiklosigkeit,
wie bei Clarac, dessen Katalog leider auch die Grundlage
für den die Steinschneider betreffenden Abschnitt des Cor-
pus inscr. gr. abgegeben hat.
Wenn wir uns an die alte Erfahrung halten, dass ein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/481>, abgerufen am 24.11.2024.
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