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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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stimmter ausgedrückt hat. Ich will nicht von Einzelnheiten
sprechen, wie der durchaus nicht im antiken Styl behandel-
ten Eberhaut, da darin die Zeichnung mangelhaft sein könnte.
Aber wie würde ein alter Künstler seine Composition so un-
geschickt geordnet haben, dass zwischen beiden Figuren von
der Mitte nach oben eine grosse Lücke und Leere entsteht?
Und endlich würde es keinem antiken Künstler eingefallen
sein, Atalante fast nackt, nur mit einem leichten Ueberwurf
über Rücken, linken Arm und Schenkel zu bilden; sie müsste
in leichtem Jagdcostüm, wie Artemis dargestellt sein. Ich
halte demnach diesen Camee unbedingt für ein modernes
Werk. -- Dadurch wird natürlich auch ein Carneol mit der
Darstellung des Bellerophon, der den Pegasus tränkt, ver-
dächtig, indem derselbe die gleiche fehlerhafte Inschrift [fremdsprachliches Material - fehlt]-
[fremdsprachliches Material - fehlt] darbietet: Raspe 9052, Cades XXII, P, 30 (als mo-
dern). Ausserdem ist aber dieses Bild eine offenbare Copie
eines bekannten Marmorreliefs im Palast Spada zu Rom:
Zwölf Basreliefs, herausg. vom arch. Institut, T. 1; vgl. Köh-
ler S. 177 und 340; Stephani, Angebl. Steinschn. S. 234,
welcher zugleich bemerkt, dass die Inschrift OTIAIOV auf
einem Sardonyx mit derselben Vorstellung (Raspe 9053;
Stuart und Revett Alt. v. Athen, Lief. 27, T. 11, N. 13) nur
ein weiteres Verderbniss jenes Namens ist.

In die Devonshire'sche Sammlung ist ferner aus Stosch's
Besitz ein Carneol gelangt, auf dem Nike im Begriff ist, einen
niedergeworfenen Stier zu opfern; darunter im Abschnitt
[fremdsprachliches Material - fehlt]: Natter Methode pl. 29; Winck. Descr. II, 1099;
Lippert I, 696; Raspe 7760, pl. 45; Cades II, N, 75. Dass
sie eine moderne Arbeit sei, erkannte schon J. Pichler (bei
Bracci II, p. 229), von dem Köhler (S. 177) und Stephani
nur darin abweichen, dass sie dieselbe nicht ins sechszehnte,
sondern ins achtzehnte Jahrhundert setzen (vgl. unten).

Ein kleiner Carneol mit einer auf einem Seedrachen rei-
tenden Nereide und der Inschrift [fremdsprachliches Material - fehlt] am obern
Rande ist durch Lippert 1, 74 und Raspe 2616 bekannt ge-
worden. Die Arbeit wird von Köhler (S. 177) und Stephani
(Angebl. Steinschn. S. 233) als sehr mittelmässig und nach-
lässig bezeichnet und Stephani nennt sie mit Recht "so un-
entschiedenen Gepräges, dass daraus weder auf antiken, noch
auf modernen Ursprung mit irgend einiger Sicherheit geschlos-

stimmter ausgedrückt hat. Ich will nicht von Einzelnheiten
sprechen, wie der durchaus nicht im antiken Styl behandel-
ten Eberhaut, da darin die Zeichnung mangelhaft sein könnte.
Aber wie würde ein alter Künstler seine Composition so un-
geschickt geordnet haben, dass zwischen beiden Figuren von
der Mitte nach oben eine grosse Lücke und Leere entsteht?
Und endlich würde es keinem antiken Künstler eingefallen
sein, Atalante fast nackt, nur mit einem leichten Ueberwurf
über Rücken, linken Arm und Schenkel zu bilden; sie müsste
in leichtem Jagdcostüm, wie Artemis dargestellt sein. Ich
halte demnach diesen Camee unbedingt für ein modernes
Werk. — Dadurch wird natürlich auch ein Carneol mit der
Darstellung des Bellerophon, der den Pegasus tränkt, ver-
dächtig, indem derselbe die gleiche fehlerhafte Inschrift [fremdsprachliches Material – fehlt]-
[fremdsprachliches Material – fehlt] darbietet: Raspe 9052, Cades XXII, P, 30 (als mo-
dern). Ausserdem ist aber dieses Bild eine offenbare Copie
eines bekannten Marmorreliefs im Palast Spada zu Rom:
Zwölf Basreliefs, herausg. vom arch. Institut, T. 1; vgl. Köh-
ler S. 177 und 340; Stephani, Angebl. Steinschn. S. 234,
welcher zugleich bemerkt, dass die Inschrift OTIAIOV auf
einem Sardonyx mit derselben Vorstellung (Raspe 9053;
Stuart und Revett Alt. v. Athen, Lief. 27, T. 11, N. 13) nur
ein weiteres Verderbniss jenes Namens ist.

In die Devonshire’sche Sammlung ist ferner aus Stosch’s
Besitz ein Carneol gelangt, auf dem Nike im Begriff ist, einen
niedergeworfenen Stier zu opfern; darunter im Abschnitt
[fremdsprachliches Material – fehlt]: Natter Méthode pl. 29; Winck. Descr. II, 1099;
Lippert I, 696; Raspe 7760, pl. 45; Cades II, N, 75. Dass
sie eine moderne Arbeit sei, erkannte schon J. Pichler (bei
Bracci II, p. 229), von dem Köhler (S. 177) und Stephani
nur darin abweichen, dass sie dieselbe nicht ins sechszehnte,
sondern ins achtzehnte Jahrhundert setzen (vgl. unten).

Ein kleiner Carneol mit einer auf einem Seedrachen rei-
tenden Nereide und der Inschrift [fremdsprachliches Material – fehlt] am obern
Rande ist durch Lippert 1, 74 und Raspe 2616 bekannt ge-
worden. Die Arbeit wird von Köhler (S. 177) und Stephani
(Angebl. Steinschn. S. 233) als sehr mittelmässig und nach-
lässig bezeichnet und Stephani nennt sie mit Recht „so un-
entschiedenen Gepräges, dass daraus weder auf antiken, noch
auf modernen Ursprung mit irgend einiger Sicherheit geschlos-

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[586/0603] stimmter ausgedrückt hat. Ich will nicht von Einzelnheiten sprechen, wie der durchaus nicht im antiken Styl behandel- ten Eberhaut, da darin die Zeichnung mangelhaft sein könnte. Aber wie würde ein alter Künstler seine Composition so un- geschickt geordnet haben, dass zwischen beiden Figuren von der Mitte nach oben eine grosse Lücke und Leere entsteht? Und endlich würde es keinem antiken Künstler eingefallen sein, Atalante fast nackt, nur mit einem leichten Ueberwurf über Rücken, linken Arm und Schenkel zu bilden; sie müsste in leichtem Jagdcostüm, wie Artemis dargestellt sein. Ich halte demnach diesen Camee unbedingt für ein modernes Werk. — Dadurch wird natürlich auch ein Carneol mit der Darstellung des Bellerophon, der den Pegasus tränkt, ver- dächtig, indem derselbe die gleiche fehlerhafte Inschrift _ - _ darbietet: Raspe 9052, Cades XXII, P, 30 (als mo- dern). Ausserdem ist aber dieses Bild eine offenbare Copie eines bekannten Marmorreliefs im Palast Spada zu Rom: Zwölf Basreliefs, herausg. vom arch. Institut, T. 1; vgl. Köh- ler S. 177 und 340; Stephani, Angebl. Steinschn. S. 234, welcher zugleich bemerkt, dass die Inschrift OTIAIOV auf einem Sardonyx mit derselben Vorstellung (Raspe 9053; Stuart und Revett Alt. v. Athen, Lief. 27, T. 11, N. 13) nur ein weiteres Verderbniss jenes Namens ist. In die Devonshire’sche Sammlung ist ferner aus Stosch’s Besitz ein Carneol gelangt, auf dem Nike im Begriff ist, einen niedergeworfenen Stier zu opfern; darunter im Abschnitt _ : Natter Méthode pl. 29; Winck. Descr. II, 1099; Lippert I, 696; Raspe 7760, pl. 45; Cades II, N, 75. Dass sie eine moderne Arbeit sei, erkannte schon J. Pichler (bei Bracci II, p. 229), von dem Köhler (S. 177) und Stephani nur darin abweichen, dass sie dieselbe nicht ins sechszehnte, sondern ins achtzehnte Jahrhundert setzen (vgl. unten). Ein kleiner Carneol mit einer auf einem Seedrachen rei- tenden Nereide und der Inschrift _ am obern Rande ist durch Lippert 1, 74 und Raspe 2616 bekannt ge- worden. Die Arbeit wird von Köhler (S. 177) und Stephani (Angebl. Steinschn. S. 233) als sehr mittelmässig und nach- lässig bezeichnet und Stephani nennt sie mit Recht „so un- entschiedenen Gepräges, dass daraus weder auf antiken, noch auf modernen Ursprung mit irgend einiger Sicherheit geschlos-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/603>, abgerufen am 24.11.2024.