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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 13. Die Sippe.
Mutter vermittelte Verwandtschaft bezeichnet, und dass die Magschaft
im engeren Sinne erst bei den Grosseltern und deren Abstämmlingen
beginnt. Die männlichen Verwandten des Mannsstammes werden als
Schwert-, Ger- oder Speermagen oder schlechtweg als Schwert, Speer
(lancea), alle Verwandten weiblichen Geschlechts und die von solchen
abstammenden Männer als Spindel-, Spill-, Kunkelmagen oder schlecht-
weg als Spille, Spindel, Spinne, Spillsippe, fusus zusammengefasst8.

Bei den Franken und Friesen findet sich nachmals eine Gliede-
rung der Verwandtschaft in vier Teile, indem sie nach den vier
Urgrosselternpaaren in vier Stämme zerfällt, die bei den Nieder-
franken Vierendeele, bei den Friesen Klüfte heissen9.

Innerhalb der Sippe bilden diejenigen, die derselben Haus-
genossenschaft angehören oder angehört haben, Eltern, Kinder und
Geschwister einen engeren Verband.

Mit Rücksicht auf die Nähe der Verwandtschaft schichtet sich die
Magschaft des einzelnen nach Generationen in Gruppen ab, die von
den neueren als Linien oder Parentelen bezeichnet werden10. Die
einzelne Parentel wird von denjenigen gebildet, die durch den
nächsten gemeinschaftlichen Aszendenten verbunden sind. Geht man
von dem einzelnen Mitglied der Sippe aus, so gliedert sich im Ver-
hältnis zu ihm die Seitenverwandtschaft in die Abstämmlinge der
Eltern, der Grosseltern, der Urgrosseltern u. s. w.

Um die Verwandtschaft zwischen zwei Personen zu bestimmen,
suchte man zunächst den gemeinschaftlichen Aszendenten und zählte
dann die Generationen ab, durch die sie von ihm abstanden. Indem
man sich die Verwandtschaft durch das Bild des menschlichen Körpers
mit seinen Gliedern und Gelenken versinnlichte, nannte man die ein-
zelne Generation Knie oder Glied, mlat. genu, geniculum. Das Knie
der Eltern ist das erste, das der Grosseltern das zweite und so fort.

8 Rosin, Der Begriff der Schwertmagen, 1877. Schröder, Über die Be-
zeichnung der Spindelmagen, Z2 f. RG IV 1.
9 Vgl. Z2 f. RG III, Sippe und Wergeld S 21. 24. Weistum aus dem Alten
Lande (Regierungsbez. Stade) im Archiv des Vereins f. Gesch. u. Altertum des Her-
zogtums Bremen usw. Heft 9 S 139 (1881--82): oft sik geböre und recht si den
ver kluften dat mangelt to vorderen oder den erven sulches tom besten to holden?
10 Die nähere Begründung der Parentelenordnung kann erst weiter unten ge-
geben werden. Zunächst sei auf die treffliche Darstellung Heuslers in dessen
Institutionen II 586 verwiesen. Dass die Sippe bei Franken und Friesen nach
Parentelen zur Zahlung und zum Empfang des Wergeldes herangezogen wurde,
habe ich Z2 f. RG III ausgeführt. Die dort gegebenen Belege lassen sich erheb-
lich vermehren. Bedeutsam ist insbesondere noch eine Stelle der von J. A. Fruin
edierten Westfries. Dingtalen S 15, auf die ich noch später zurückkommen werde.
6*

§ 13. Die Sippe.
Mutter vermittelte Verwandtschaft bezeichnet, und daſs die Magschaft
im engeren Sinne erst bei den Groſseltern und deren Abstämmlingen
beginnt. Die männlichen Verwandten des Mannsstammes werden als
Schwert-, Ger- oder Speermagen oder schlechtweg als Schwert, Speer
(lancea), alle Verwandten weiblichen Geschlechts und die von solchen
abstammenden Männer als Spindel-, Spill-, Kunkelmagen oder schlecht-
weg als Spille, Spindel, Spinne, Spillsippe, fusus zusammengefaſst8.

Bei den Franken und Friesen findet sich nachmals eine Gliede-
rung der Verwandtschaft in vier Teile, indem sie nach den vier
Urgroſselternpaaren in vier Stämme zerfällt, die bei den Nieder-
franken Vierendeele, bei den Friesen Klüfte heiſsen9.

Innerhalb der Sippe bilden diejenigen, die derselben Haus-
genossenschaft angehören oder angehört haben, Eltern, Kinder und
Geschwister einen engeren Verband.

Mit Rücksicht auf die Nähe der Verwandtschaft schichtet sich die
Magschaft des einzelnen nach Generationen in Gruppen ab, die von
den neueren als Linien oder Parentelen bezeichnet werden10. Die
einzelne Parentel wird von denjenigen gebildet, die durch den
nächsten gemeinschaftlichen Aszendenten verbunden sind. Geht man
von dem einzelnen Mitglied der Sippe aus, so gliedert sich im Ver-
hältnis zu ihm die Seitenverwandtschaft in die Abstämmlinge der
Eltern, der Groſseltern, der Urgroſseltern u. s. w.

Um die Verwandtschaft zwischen zwei Personen zu bestimmen,
suchte man zunächst den gemeinschaftlichen Aszendenten und zählte
dann die Generationen ab, durch die sie von ihm abstanden. Indem
man sich die Verwandtschaft durch das Bild des menschlichen Körpers
mit seinen Gliedern und Gelenken versinnlichte, nannte man die ein-
zelne Generation Knie oder Glied, mlat. genu, geniculum. Das Knie
der Eltern ist das erste, das der Groſseltern das zweite und so fort.

8 Rosin, Der Begriff der Schwertmagen, 1877. Schröder, Über die Be-
zeichnung der Spindelmagen, Z2 f. RG IV 1.
9 Vgl. Z2 f. RG III, Sippe und Wergeld S 21. 24. Weistum aus dem Alten
Lande (Regierungsbez. Stade) im Archiv des Vereins f. Gesch. u. Altertum des Her-
zogtums Bremen usw. Heft 9 S 139 (1881—82): oft sik geböre und recht si den
ver kluften dat mangelt to vorderen oder den erven sulches tom besten to holden?
10 Die nähere Begründung der Parentelenordnung kann erst weiter unten ge-
geben werden. Zunächst sei auf die treffliche Darstellung Heuslers in dessen
Institutionen II 586 verwiesen. Daſs die Sippe bei Franken und Friesen nach
Parentelen zur Zahlung und zum Empfang des Wergeldes herangezogen wurde,
habe ich Z2 f. RG III ausgeführt. Die dort gegebenen Belege lassen sich erheb-
lich vermehren. Bedeutsam ist insbesondere noch eine Stelle der von J. A. Fruin
edierten Westfries. Dingtalen S 15, auf die ich noch später zurückkommen werde.
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[83/0101] § 13. Die Sippe. Mutter vermittelte Verwandtschaft bezeichnet, und daſs die Magschaft im engeren Sinne erst bei den Groſseltern und deren Abstämmlingen beginnt. Die männlichen Verwandten des Mannsstammes werden als Schwert-, Ger- oder Speermagen oder schlechtweg als Schwert, Speer (lancea), alle Verwandten weiblichen Geschlechts und die von solchen abstammenden Männer als Spindel-, Spill-, Kunkelmagen oder schlecht- weg als Spille, Spindel, Spinne, Spillsippe, fusus zusammengefaſst 8. Bei den Franken und Friesen findet sich nachmals eine Gliede- rung der Verwandtschaft in vier Teile, indem sie nach den vier Urgroſselternpaaren in vier Stämme zerfällt, die bei den Nieder- franken Vierendeele, bei den Friesen Klüfte heiſsen 9. Innerhalb der Sippe bilden diejenigen, die derselben Haus- genossenschaft angehören oder angehört haben, Eltern, Kinder und Geschwister einen engeren Verband. Mit Rücksicht auf die Nähe der Verwandtschaft schichtet sich die Magschaft des einzelnen nach Generationen in Gruppen ab, die von den neueren als Linien oder Parentelen bezeichnet werden 10. Die einzelne Parentel wird von denjenigen gebildet, die durch den nächsten gemeinschaftlichen Aszendenten verbunden sind. Geht man von dem einzelnen Mitglied der Sippe aus, so gliedert sich im Ver- hältnis zu ihm die Seitenverwandtschaft in die Abstämmlinge der Eltern, der Groſseltern, der Urgroſseltern u. s. w. Um die Verwandtschaft zwischen zwei Personen zu bestimmen, suchte man zunächst den gemeinschaftlichen Aszendenten und zählte dann die Generationen ab, durch die sie von ihm abstanden. Indem man sich die Verwandtschaft durch das Bild des menschlichen Körpers mit seinen Gliedern und Gelenken versinnlichte, nannte man die ein- zelne Generation Knie oder Glied, mlat. genu, geniculum. Das Knie der Eltern ist das erste, das der Groſseltern das zweite und so fort. 8 Rosin, Der Begriff der Schwertmagen, 1877. Schröder, Über die Be- zeichnung der Spindelmagen, Z2 f. RG IV 1. 9 Vgl. Z2 f. RG III, Sippe und Wergeld S 21. 24. Weistum aus dem Alten Lande (Regierungsbez. Stade) im Archiv des Vereins f. Gesch. u. Altertum des Her- zogtums Bremen usw. Heft 9 S 139 (1881—82): oft sik geböre und recht si den ver kluften dat mangelt to vorderen oder den erven sulches tom besten to holden? 10 Die nähere Begründung der Parentelenordnung kann erst weiter unten ge- geben werden. Zunächst sei auf die treffliche Darstellung Heuslers in dessen Institutionen II 586 verwiesen. Daſs die Sippe bei Franken und Friesen nach Parentelen zur Zahlung und zum Empfang des Wergeldes herangezogen wurde, habe ich Z2 f. RG III ausgeführt. Die dort gegebenen Belege lassen sich erheb- lich vermehren. Bedeutsam ist insbesondere noch eine Stelle der von J. A. Fruin edierten Westfries. Dingtalen S 15, auf die ich noch später zurückkommen werde. 6*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/101>, abgerufen am 09.11.2024.