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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 13. Die Sippe.
lobungsritus sind es die Magen der Braut in ihrer Gesamtheit, welche
die vom Bräutigam angebotene Wette und die Bürgschaft annehmen,
während sie ihrerseits die Braut zu rechtem Weibe wetten. Die
Magschaft giebt ihre Erklärungen durch Vorsprecher ab; einer der
Magen leitet die Verhandlungen des ganzen Aktes44. In Schweden
muss nach ostgotischem Rechte der Bräutigam nicht bloss dem Ver-
lober der Braut, sondern auch den anderen Blutsfreunden derselben
Geschenke (vingaef) geben45. Wenn wir aus diesen Zeugnissen
zurückschliessen, so stellt es sich als höchst wahrscheinlich dar, dass
die Eheschliessung durch Frauenkauf ursprünglich ein zwischen der
Sippe des Bräutigams und der Sippe der Braut abgeschlossenes
Rechtsgeschäft war. Auf den Willen der ersteren kam es an, weil
die Braut durch die Ehe in deren Rechtssphäre eintrat, auf den
der letzteren, weil sie im allgemeinen aus deren Rechtssphäre
ausschied.

Wo die Ehre der Gesamtheit in Frage stand, hatte die Sippe
eine Strafgewalt gegen ihre Mitglieder. Wenn eine Frauensperson
sich verging, galt es für eine Pflicht des Geschlechtes, sie zu töten
oder sonstwie die ihm widerfahrene Schande zu rächen46. Selbst über
die Ehre der Frau, die durch die Ehe in die Gewalt des Mannes
gekommen ist, wachen ihre eigenen Blutsfreunde. Wird sie vom
Mann des Ehebruches oder eines schweren Verbrechens bezichtigt, so

et puellae parentibus. In den Formeln wird die Gegenwart oder der Konsens der
beiderseitigen Verwandten nicht selten hervorgehoben. Roz. 228 (Lind. 7): apud
pares vel parentibus nostris utrisque partibus conplacuit ... 234 (Sang. 18): cum
consensu utraque ex parte parentum nostrorum accepi neptem tuam in coniugium
... 235 (Aug. B. 24): conventu parentorum nostrorum ex utraque parte. 236 (Aug.
B. 25): consensu amicorum nostrorum. 219 (Tur. App. 2): per consensu vel vo-
luntate parentum vel amicorum nostrorum. 220 (Tur. 14): cum consensu parentum
vel amicorum nostrorum. 225 (Extr. I 11): ex consensu et voluntate virorum no-
bilium parentum quondam nostrorum. Es ist daher ein Zufall, wenn Roz. 221
(Bit. 15 a) und 222 (And. 1 c) nur der Konsens der Verwandten der Frau, 231 nur
der der Verwandten des Mannes hervorgehoben wird. In Roz. 239 (Sang. 16)
verheiratet der Vater seine Tochter cum consensu proximorum amicorumque suorum.
Noch nach dem Stadtrechte von Zwolle (Dozy 1867) S 180 ist heimliche Trauung
diejenige, daer oerre beyder maghe niet by en sin.
44 Schmid, Gesetze der Angels. Anh. 6: be weifmannes beweddunge. Vgl.
Habicht, Die altd. Verlobung S 8.
45 v. Amira, Schwedisches Obligationenrecht S 524.
46 Rothari 189: potestatem habeant parentes in eam dare vindictam. Lex
Wisig. III 4, 5. Bei Gregor von Tours, Hist. Fr. VI 36 verbrennen die Verwandten
eine Frau ad ulciscendam humilitatem generis sui. Eine Strafpflicht statuieren
Rothari a. O. und Lex Burg. 35, 3.

§ 13. Die Sippe.
lobungsritus sind es die Magen der Braut in ihrer Gesamtheit, welche
die vom Bräutigam angebotene Wette und die Bürgschaft annehmen,
während sie ihrerseits die Braut zu rechtem Weibe wetten. Die
Magschaft giebt ihre Erklärungen durch Vorsprecher ab; einer der
Magen leitet die Verhandlungen des ganzen Aktes44. In Schweden
muſs nach ostgotischem Rechte der Bräutigam nicht bloſs dem Ver-
lober der Braut, sondern auch den anderen Blutsfreunden derselben
Geschenke (vingæf) geben45. Wenn wir aus diesen Zeugnissen
zurückschlieſsen, so stellt es sich als höchst wahrscheinlich dar, daſs
die Eheschlieſsung durch Frauenkauf ursprünglich ein zwischen der
Sippe des Bräutigams und der Sippe der Braut abgeschlossenes
Rechtsgeschäft war. Auf den Willen der ersteren kam es an, weil
die Braut durch die Ehe in deren Rechtssphäre eintrat, auf den
der letzteren, weil sie im allgemeinen aus deren Rechtssphäre
ausschied.

Wo die Ehre der Gesamtheit in Frage stand, hatte die Sippe
eine Strafgewalt gegen ihre Mitglieder. Wenn eine Frauensperson
sich verging, galt es für eine Pflicht des Geschlechtes, sie zu töten
oder sonstwie die ihm widerfahrene Schande zu rächen46. Selbst über
die Ehre der Frau, die durch die Ehe in die Gewalt des Mannes
gekommen ist, wachen ihre eigenen Blutsfreunde. Wird sie vom
Mann des Ehebruches oder eines schweren Verbrechens bezichtigt, so

et puellae parentibus. In den Formeln wird die Gegenwart oder der Konsens der
beiderseitigen Verwandten nicht selten hervorgehoben. Roz. 228 (Lind. 7): apud
pares vel parentibus nostris utrisque partibus conplacuit … 234 (Sang. 18): cum
consensu utraque ex parte parentum nostrorum accepi neptem tuam in coniugium
… 235 (Aug. B. 24): conventu parentorum nostrorum ex utraque parte. 236 (Aug.
B. 25): consensu amicorum nostrorum. 219 (Tur. App. 2): per consensu vel vo-
luntate parentum vel amicorum nostrorum. 220 (Tur. 14): cum consensu parentum
vel amicorum nostrorum. 225 (Extr. I 11): ex consensu et voluntate virorum no-
bilium parentum quondam nostrorum. Es ist daher ein Zufall, wenn Roz. 221
(Bit. 15 a) und 222 (And. 1 c) nur der Konsens der Verwandten der Frau, 231 nur
der der Verwandten des Mannes hervorgehoben wird. In Roz. 239 (Sang. 16)
verheiratet der Vater seine Tochter cum consensu proximorum amicorumque suorum.
Noch nach dem Stadtrechte von Zwolle (Dozy 1867) S 180 ist heimliche Trauung
diejenige, daer oerre beyder maghe niet by en sin.
44 Schmid, Gesetze der Angels. Anh. 6: be wîfmannes beweddunge. Vgl.
Habicht, Die altd. Verlobung S 8.
45 v. Amira, Schwedisches Obligationenrecht S 524.
46 Rothari 189: potestatem habeant parentes in eam dare vindictam. Lex
Wisig. III 4, 5. Bei Gregor von Tours, Hist. Fr. VI 36 verbrennen die Verwandten
eine Frau ad ulciscendam humilitatem generis sui. Eine Strafpflicht statuieren
Rothari a. O. und Lex Burg. 35, 3.
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[91/0109] § 13. Die Sippe. lobungsritus sind es die Magen der Braut in ihrer Gesamtheit, welche die vom Bräutigam angebotene Wette und die Bürgschaft annehmen, während sie ihrerseits die Braut zu rechtem Weibe wetten. Die Magschaft giebt ihre Erklärungen durch Vorsprecher ab; einer der Magen leitet die Verhandlungen des ganzen Aktes 44. In Schweden muſs nach ostgotischem Rechte der Bräutigam nicht bloſs dem Ver- lober der Braut, sondern auch den anderen Blutsfreunden derselben Geschenke (vingæf) geben 45. Wenn wir aus diesen Zeugnissen zurückschlieſsen, so stellt es sich als höchst wahrscheinlich dar, daſs die Eheschlieſsung durch Frauenkauf ursprünglich ein zwischen der Sippe des Bräutigams und der Sippe der Braut abgeschlossenes Rechtsgeschäft war. Auf den Willen der ersteren kam es an, weil die Braut durch die Ehe in deren Rechtssphäre eintrat, auf den der letzteren, weil sie im allgemeinen aus deren Rechtssphäre ausschied. Wo die Ehre der Gesamtheit in Frage stand, hatte die Sippe eine Strafgewalt gegen ihre Mitglieder. Wenn eine Frauensperson sich verging, galt es für eine Pflicht des Geschlechtes, sie zu töten oder sonstwie die ihm widerfahrene Schande zu rächen 46. Selbst über die Ehre der Frau, die durch die Ehe in die Gewalt des Mannes gekommen ist, wachen ihre eigenen Blutsfreunde. Wird sie vom Mann des Ehebruches oder eines schweren Verbrechens bezichtigt, so 43 44 Schmid, Gesetze der Angels. Anh. 6: be wîfmannes beweddunge. Vgl. Habicht, Die altd. Verlobung S 8. 45 v. Amira, Schwedisches Obligationenrecht S 524. 46 Rothari 189: potestatem habeant parentes in eam dare vindictam. Lex Wisig. III 4, 5. Bei Gregor von Tours, Hist. Fr. VI 36 verbrennen die Verwandten eine Frau ad ulciscendam humilitatem generis sui. Eine Strafpflicht statuieren Rothari a. O. und Lex Burg. 35, 3. 43 et puellae parentibus. In den Formeln wird die Gegenwart oder der Konsens der beiderseitigen Verwandten nicht selten hervorgehoben. Roz. 228 (Lind. 7): apud pares vel parentibus nostris utrisque partibus conplacuit … 234 (Sang. 18): cum consensu utraque ex parte parentum nostrorum accepi neptem tuam in coniugium … 235 (Aug. B. 24): conventu parentorum nostrorum ex utraque parte. 236 (Aug. B. 25): consensu amicorum nostrorum. 219 (Tur. App. 2): per consensu vel vo- luntate parentum vel amicorum nostrorum. 220 (Tur. 14): cum consensu parentum vel amicorum nostrorum. 225 (Extr. I 11): ex consensu et voluntate virorum no- bilium parentum quondam nostrorum. Es ist daher ein Zufall, wenn Roz. 221 (Bit. 15 a) und 222 (And. 1 c) nur der Konsens der Verwandten der Frau, 231 nur der der Verwandten des Mannes hervorgehoben wird. In Roz. 239 (Sang. 16) verheiratet der Vater seine Tochter cum consensu proximorum amicorumque suorum. Noch nach dem Stadtrechte von Zwolle (Dozy 1867) S 180 ist heimliche Trauung diejenige, daer oerre beyder maghe niet by en sin.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/109>, abgerufen am 24.11.2024.