Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 16. Die politischen Verbände. Weit grössere Verbreitung als der Hundertschaftsbezirk hat der Bei dieser Sachlage ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Hun- Die Hundertschaft ist ursprünglich als eine Abteilung von hundert 24 Lex Salica 44, 1; 46, 1. 4; 60, 1. Lex Alam. 28, 4; 36, 1. 5. Hunno für centurio in Notkers Psalmenübersetzung, in alamannischen Glossen und in einer bei Waitz I 218 Anm 2 citierten Einsiedler Urkunde von 1217. 25 Edgar IV 8. 10, I 2. 4. 5. 26 In Norwegen auch hersir. Lehmann, Königsfriede S 168. 27 Meichelbeck, Hist. Fris. I Nr 89 v. J. 764--784. Meich. Nr 404 v. J. 820 erwähnt einen Centenar aus Tassilos III. Zeit, der wiederum Centenar ist. Lex Baiuw. II 5; Syn. Aschhaim. c. 11; LL III 458 (centuriones). Dass der alt- bairische Centenar nicht ein Gerichtsbeamter ist, ergiebt die Vergleichung von Lex Bai. II 14 mit Lex Alam. 36. Bairische Glossen bei Graff IV 976 haben hunnilih für tribunalis. 28 Lex Wisig. IX 2, 1. Er ist Heerführer über Hundert. Ulfilas hat für centurio hundafaths. 29 Ratchis 1. Cap. missorum I 67, c. 4. Öfter in langobardischen Urkunden: Pabst, Forschungen II 500; Schupfer, Istituz. pol. long. S 328. 30 Heliand, herausg. von Sievers, Vers 2093 für centurio. 31 Konrad Maurer, KrÜ I 79 nimmt an, dass die Hundertschaft schon zur
Zeit des Tacitus territorialer Bezirk war, dass aber in den Stürmen der Völker- wanderung die persönliche Bedeutung der Abteilung neuerdings auflebte und diese bei erneuter Niederlassung des Volkes wiederum räumliche Bedeutung gewann. § 16. Die politischen Verbände. Weit gröſsere Verbreitung als der Hundertschaftsbezirk hat der Bei dieser Sachlage ist es durchaus wahrscheinlich, daſs die Hun- Die Hundertschaft ist ursprünglich als eine Abteilung von hundert 24 Lex Salica 44, 1; 46, 1. 4; 60, 1. Lex Alam. 28, 4; 36, 1. 5. Hunno für centurio in Notkers Psalmenübersetzung, in alamannischen Glossen und in einer bei Waitz I 218 Anm 2 citierten Einsiedler Urkunde von 1217. 25 Edgar IV 8. 10, I 2. 4. 5. 26 In Norwegen auch hersir. Lehmann, Königsfriede S 168. 27 Meichelbeck, Hist. Fris. I Nr 89 v. J. 764—784. Meich. Nr 404 v. J. 820 erwähnt einen Centenar aus Tassilos III. Zeit, der wiederum Centenar ist. Lex Baiuw. II 5; Syn. Aschhaim. c. 11; LL III 458 (centuriones). Daſs der alt- bairische Centenar nicht ein Gerichtsbeamter ist, ergiebt die Vergleichung von Lex Bai. II 14 mit Lex Alam. 36. Bairische Glossen bei Graff IV 976 haben hunnilih für tribunalis. 28 Lex Wisig. IX 2, 1. Er ist Heerführer über Hundert. Ulfilas hat für centurio hundafaþs. 29 Ratchis 1. Cap. missorum I 67, c. 4. Öfter in langobardischen Urkunden: Pabst, Forschungen II 500; Schupfer, Istituz. pol. long. S 328. 30 Heliand, herausg. von Sievers, Vers 2093 für centurio. 31 Konrad Maurer, KrÜ I 79 nimmt an, daſs die Hundertschaft schon zur
Zeit des Tacitus territorialer Bezirk war, daſs aber in den Stürmen der Völker- wanderung die persönliche Bedeutung der Abteilung neuerdings auflebte und diese bei erneuter Niederlassung des Volkes wiederum räumliche Bedeutung gewann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0136" n="118"/> <fw place="top" type="header">§ 16. Die politischen Verbände.</fw><lb/> <p>Weit gröſsere Verbreitung als der Hundertschaftsbezirk hat der<lb/> Name des Hundertschaftsvorstehers. Er findet sich als centenarius<lb/> oder hunno bei den Franken und Alamannen <note place="foot" n="24">Lex Salica 44, 1; 46, 1. 4; 60, 1. Lex Alam. 28, 4; 36, 1. 5. Hunno für<lb/> centurio in Notkers Psalmenübersetzung, in alamannischen Glossen und in einer<lb/> bei <hi rendition="#g">Waitz</hi> I 218 Anm 2 citierten Einsiedler Urkunde von 1217.</note>, als hundredes ealdor<lb/> oder hundredes man bei den Angelsachsen <note place="foot" n="25">Edgar IV 8. 10, I 2. 4. 5.</note>, als Hundertschaftskönig<lb/> (herađskonungr) und Hundertschaftshäuptling (hæraþs höfþinge) in<lb/> Norwegen und Schweden <note place="foot" n="26">In Norwegen auch hersir. <hi rendition="#g">Lehmann</hi>, Königsfriede S 168.</note>. Ihn kennen aber auch solche Stämme,<lb/> welchen die territoriale Hundertschaft fremd blieb, so die Baiern <note place="foot" n="27"><hi rendition="#g">Meichelbeck</hi>, Hist. Fris. I Nr 89 v. J. 764—784. <hi rendition="#g">Meich</hi>. Nr 404 v. J.<lb/> 820 erwähnt einen Centenar aus Tassilos III. Zeit, der wiederum Centenar ist.<lb/> Lex Baiuw. II 5; Syn. Aschhaim. c. 11; LL III 458 (centuriones). Daſs der alt-<lb/> bairische Centenar nicht ein Gerichtsbeamter ist, ergiebt die Vergleichung von Lex<lb/> Bai. II 14 mit Lex Alam. 36. Bairische Glossen bei <hi rendition="#g">Graff</hi> IV 976 haben hunnilih<lb/> für tribunalis.</note><lb/> und Westgoten <note place="foot" n="28">Lex Wisig. IX 2, 1. Er ist Heerführer über Hundert. Ulfilas hat für<lb/> centurio hundafaþs.</note> als centenarius, die Langobarden als centinus, cen-<lb/> turio, centenarius <note place="foot" n="29">Ratchis 1. Cap. missorum I 67, c. 4. Öfter in langobardischen Urkunden:<lb/><hi rendition="#g">Pabst</hi>, Forschungen II 500; <hi rendition="#g">Schupfer</hi>, Istituz. pol. long. S 328.</note>. Der altsächsische Heliand nennt einen Hunno <note place="foot" n="30">Heliand, herausg. von <hi rendition="#g">Sievers</hi>, Vers 2093 für centurio.</note>.</p><lb/> <p>Bei dieser Sachlage ist es durchaus wahrscheinlich, daſs die Hun-<lb/> dertschaft in germanischer Zeit nicht ein geographischer Begriff, son-<lb/> dern ein persönlicher Verband war, dem allenthalben ein Hundert-<lb/> schaftshäuptling vorstand, und daſs sie erst in der folgenden Periode<lb/> bei einigen Stämmen landschaftliche Bedeutung erlangte, während bei<lb/> anderen diese Entwicklung nicht eintrat <note place="foot" n="31"><hi rendition="#g">Konrad Maurer</hi>, KrÜ I 79 nimmt an, daſs die Hundertschaft schon zur<lb/> Zeit des Tacitus territorialer Bezirk war, daſs aber in den Stürmen der Völker-<lb/> wanderung die persönliche Bedeutung der Abteilung neuerdings auflebte und diese<lb/> bei erneuter Niederlassung des Volkes wiederum räumliche Bedeutung gewann.</note>.</p><lb/> <p>Die Hundertschaft ist ursprünglich als eine Abteilung von hundert<lb/> Heermännern zu denken. Solange sie ihre praktische Bedeutung be-<lb/> hielt, konnte eine Lokalisierung, ein Verwachsen der Hundertschaft<lb/> mit Grund und Boden nicht eintreten, weil die Einteilung mit Rück-<lb/> sicht auf ihre militärischen Zwecke von Zeit zu Zeit erneuert werden<lb/> muſste. Man wird dabei nicht genau hundert oder hundertzwanzig<lb/> Mann (ein Groſshundert) abgezählt haben, weil es bei der Bildung<lb/> der Heeresabteilungen darauf ankam, die Geschlechtsverbände nicht<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0136]
§ 16. Die politischen Verbände.
Weit gröſsere Verbreitung als der Hundertschaftsbezirk hat der
Name des Hundertschaftsvorstehers. Er findet sich als centenarius
oder hunno bei den Franken und Alamannen 24, als hundredes ealdor
oder hundredes man bei den Angelsachsen 25, als Hundertschaftskönig
(herađskonungr) und Hundertschaftshäuptling (hæraþs höfþinge) in
Norwegen und Schweden 26. Ihn kennen aber auch solche Stämme,
welchen die territoriale Hundertschaft fremd blieb, so die Baiern 27
und Westgoten 28 als centenarius, die Langobarden als centinus, cen-
turio, centenarius 29. Der altsächsische Heliand nennt einen Hunno 30.
Bei dieser Sachlage ist es durchaus wahrscheinlich, daſs die Hun-
dertschaft in germanischer Zeit nicht ein geographischer Begriff, son-
dern ein persönlicher Verband war, dem allenthalben ein Hundert-
schaftshäuptling vorstand, und daſs sie erst in der folgenden Periode
bei einigen Stämmen landschaftliche Bedeutung erlangte, während bei
anderen diese Entwicklung nicht eintrat 31.
Die Hundertschaft ist ursprünglich als eine Abteilung von hundert
Heermännern zu denken. Solange sie ihre praktische Bedeutung be-
hielt, konnte eine Lokalisierung, ein Verwachsen der Hundertschaft
mit Grund und Boden nicht eintreten, weil die Einteilung mit Rück-
sicht auf ihre militärischen Zwecke von Zeit zu Zeit erneuert werden
muſste. Man wird dabei nicht genau hundert oder hundertzwanzig
Mann (ein Groſshundert) abgezählt haben, weil es bei der Bildung
der Heeresabteilungen darauf ankam, die Geschlechtsverbände nicht
24 Lex Salica 44, 1; 46, 1. 4; 60, 1. Lex Alam. 28, 4; 36, 1. 5. Hunno für
centurio in Notkers Psalmenübersetzung, in alamannischen Glossen und in einer
bei Waitz I 218 Anm 2 citierten Einsiedler Urkunde von 1217.
25 Edgar IV 8. 10, I 2. 4. 5.
26 In Norwegen auch hersir. Lehmann, Königsfriede S 168.
27 Meichelbeck, Hist. Fris. I Nr 89 v. J. 764—784. Meich. Nr 404 v. J.
820 erwähnt einen Centenar aus Tassilos III. Zeit, der wiederum Centenar ist.
Lex Baiuw. II 5; Syn. Aschhaim. c. 11; LL III 458 (centuriones). Daſs der alt-
bairische Centenar nicht ein Gerichtsbeamter ist, ergiebt die Vergleichung von Lex
Bai. II 14 mit Lex Alam. 36. Bairische Glossen bei Graff IV 976 haben hunnilih
für tribunalis.
28 Lex Wisig. IX 2, 1. Er ist Heerführer über Hundert. Ulfilas hat für
centurio hundafaþs.
29 Ratchis 1. Cap. missorum I 67, c. 4. Öfter in langobardischen Urkunden:
Pabst, Forschungen II 500; Schupfer, Istituz. pol. long. S 328.
30 Heliand, herausg. von Sievers, Vers 2093 für centurio.
31 Konrad Maurer, KrÜ I 79 nimmt an, daſs die Hundertschaft schon zur
Zeit des Tacitus territorialer Bezirk war, daſs aber in den Stürmen der Völker-
wanderung die persönliche Bedeutung der Abteilung neuerdings auflebte und diese
bei erneuter Niederlassung des Volkes wiederum räumliche Bedeutung gewann.
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