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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 17. Königtum und Fürstentum.
zu zerreissen 32. Da Heer und Volk im germanischen Staate begriff-
lich zusammenfielen, wurde die Gliederung in Hundertschaften auch
während des Friedens beibehalten und als Grundlage für die Regelung
des Gerichtsdienstes verwertet. Wie Tacitus berichtet, standen je
hundert Männer aus dem Volke dem Fürsten bei der Ausübung der
Rechtspflege zur Seite 33. Diese Hundert sind nicht ein Ausschuss der
sämtlichen Gauleute, nicht die Dingmänner einer räumlich abgegrenzten
Hundertschaft, sondern die Heerverbände, welche der Fürst, wenn er
zum Zweck der Rechtspflege den Gau bereist, der Reihe nach zum
Ding aufbietet. Die Hundertschaft ist nach alledem für die Zeit des
Tacitus als Heer- und Dingverband aufzufassen, dessen Vorsteher viel-
leicht schon damals bei einigen Stämmen Hunno hiess. Als Ding-
verband bildete die Hundertschaft nicht einen räumlich abgeschlos-
senen Gerichtsbezirk, sondern nur einen persönlichen Verband. Als
persönliche Dingverbände begegnen uns noch im älteren isländischen
Rechte die Godorde, wogegen ihm territoriale Gerichtssprengel fehlen 34.

Nicht politische, sondern nur wirtschaftliche Verbände waren die
Markgenossenschaften, die Dorfschaften und Bauerschaften.

§ 17. Königtum und Fürstentum.

Siehe die Litteratur zu § 16 und v. Sybel, Entstehung des deutschen Königthums,
2. Aufl. 1881. Köpke, Anfänge des Königthums bei den Gothen, 1859. Dahn,
Könige der Germanen, 6 Bde. 1861--1885. Waitz, VG I 236 ff. 294 ff. Munch
S 165. Wittmann, Das altgerm. Königthum, 1854. W. Voss, Republik und
Königthum im alten Germanien, 1885. Waitz, Über die principes in der Germania
des Tacitus, Forschungen II 387. Phillips, Über Erb- und Wahlrecht mit bes.
Beziehung auf das Königthum der germ. Völker, 1824. H. Schulze, Thronfolge
und Familienrecht der ältesten germ. Königsgeschlechter, in Z f. RG VII 323.
W. Scherer im Anzeiger f. deutsches Alterthum IV 100 und in der Z f. d. österr.
Gymn. 1869 S 89 ff.

Die Schriftsteller des Altertums unterscheiden bei den Germanen
zwischen reges und principes. Das durchschlagende Merkmal des

32 S. oben Seite 85.
33 Germ. c. 12: centeni singuli ex plebe comites consilium simul et auctoritas
adsunt. Die centeni in c. 6 sind Sondertruppe des Gaues. Erhardt a. O. S 36 f.
und unten § 19.
34 Konrad Maurer, Island, 1874, S 55. 106. 156. K. Lehmann, Königs-
friede der Nordgermanen S 272. Ein Kapitular für Sachsen zeigt, dass die Gau-
leute in Abteilungen von je hundert zu gewissen Leistungen herangezogen wurden.
Cap. de partibus Sax. c. 15, I 69: ad unamquamque ecclesiam curte et duos mansos
terrae pagenses ad ecclesiam recurrentes condonant et inter centum viginti homines
(das sächsische Grosshundert) nobiles et ingenuis similiter et litos servum et ancillam
eidem ecclesiae tribuant.

§ 17. Königtum und Fürstentum.
zu zerreiſsen 32. Da Heer und Volk im germanischen Staate begriff-
lich zusammenfielen, wurde die Gliederung in Hundertschaften auch
während des Friedens beibehalten und als Grundlage für die Regelung
des Gerichtsdienstes verwertet. Wie Tacitus berichtet, standen je
hundert Männer aus dem Volke dem Fürsten bei der Ausübung der
Rechtspflege zur Seite 33. Diese Hundert sind nicht ein Ausschuſs der
sämtlichen Gauleute, nicht die Dingmänner einer räumlich abgegrenzten
Hundertschaft, sondern die Heerverbände, welche der Fürst, wenn er
zum Zweck der Rechtspflege den Gau bereist, der Reihe nach zum
Ding aufbietet. Die Hundertschaft ist nach alledem für die Zeit des
Tacitus als Heer- und Dingverband aufzufassen, dessen Vorsteher viel-
leicht schon damals bei einigen Stämmen Hunno hieſs. Als Ding-
verband bildete die Hundertschaft nicht einen räumlich abgeschlos-
senen Gerichtsbezirk, sondern nur einen persönlichen Verband. Als
persönliche Dingverbände begegnen uns noch im älteren isländischen
Rechte die Godorde, wogegen ihm territoriale Gerichtssprengel fehlen 34.

Nicht politische, sondern nur wirtschaftliche Verbände waren die
Markgenossenschaften, die Dorfschaften und Bauerschaften.

§ 17. Königtum und Fürstentum.

Siehe die Litteratur zu § 16 und v. Sybel, Entstehung des deutschen Königthums,
2. Aufl. 1881. Köpke, Anfänge des Königthums bei den Gothen, 1859. Dahn,
Könige der Germanen, 6 Bde. 1861—1885. Waitz, VG I 236 ff. 294 ff. Munch
S 165. Wittmann, Das altgerm. Königthum, 1854. W. Voſs, Republik und
Königthum im alten Germanien, 1885. Waitz, Über die principes in der Germania
des Tacitus, Forschungen II 387. Phillips, Über Erb- und Wahlrecht mit bes.
Beziehung auf das Königthum der germ. Völker, 1824. H. Schulze, Thronfolge
und Familienrecht der ältesten germ. Königsgeschlechter, in Z f. RG VII 323.
W. Scherer im Anzeiger f. deutsches Alterthum IV 100 und in der Z f. d. österr.
Gymn. 1869 S 89 ff.

Die Schriftsteller des Altertums unterscheiden bei den Germanen
zwischen reges und principes. Das durchschlagende Merkmal des

32 S. oben Seite 85.
33 Germ. c. 12: centeni singuli ex plebe comites consilium simul et auctoritas
adsunt. Die centeni in c. 6 sind Sondertruppe des Gaues. Erhardt a. O. S 36 f.
und unten § 19.
34 Konrad Maurer, Island, 1874, S 55. 106. 156. K. Lehmann, Königs-
friede der Nordgermanen S 272. Ein Kapitular für Sachsen zeigt, daſs die Gau-
leute in Abteilungen von je hundert zu gewissen Leistungen herangezogen wurden.
Cap. de partibus Sax. c. 15, I 69: ad unamquamque ecclesiam curte et duos mansos
terrae pagenses ad ecclesiam recurrentes condonant et inter centum viginti homines
(das sächsische Groſshundert) nobiles et ingenuis similiter et litos servum et ancillam
eidem ecclesiae tribuant.
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[119/0137] § 17. Königtum und Fürstentum. zu zerreiſsen 32. Da Heer und Volk im germanischen Staate begriff- lich zusammenfielen, wurde die Gliederung in Hundertschaften auch während des Friedens beibehalten und als Grundlage für die Regelung des Gerichtsdienstes verwertet. Wie Tacitus berichtet, standen je hundert Männer aus dem Volke dem Fürsten bei der Ausübung der Rechtspflege zur Seite 33. Diese Hundert sind nicht ein Ausschuſs der sämtlichen Gauleute, nicht die Dingmänner einer räumlich abgegrenzten Hundertschaft, sondern die Heerverbände, welche der Fürst, wenn er zum Zweck der Rechtspflege den Gau bereist, der Reihe nach zum Ding aufbietet. Die Hundertschaft ist nach alledem für die Zeit des Tacitus als Heer- und Dingverband aufzufassen, dessen Vorsteher viel- leicht schon damals bei einigen Stämmen Hunno hieſs. Als Ding- verband bildete die Hundertschaft nicht einen räumlich abgeschlos- senen Gerichtsbezirk, sondern nur einen persönlichen Verband. Als persönliche Dingverbände begegnen uns noch im älteren isländischen Rechte die Godorde, wogegen ihm territoriale Gerichtssprengel fehlen 34. Nicht politische, sondern nur wirtschaftliche Verbände waren die Markgenossenschaften, die Dorfschaften und Bauerschaften. § 17. Königtum und Fürstentum. Siehe die Litteratur zu § 16 und v. Sybel, Entstehung des deutschen Königthums, 2. Aufl. 1881. Köpke, Anfänge des Königthums bei den Gothen, 1859. Dahn, Könige der Germanen, 6 Bde. 1861—1885. Waitz, VG I 236 ff. 294 ff. Munch S 165. Wittmann, Das altgerm. Königthum, 1854. W. Voſs, Republik und Königthum im alten Germanien, 1885. Waitz, Über die principes in der Germania des Tacitus, Forschungen II 387. Phillips, Über Erb- und Wahlrecht mit bes. Beziehung auf das Königthum der germ. Völker, 1824. H. Schulze, Thronfolge und Familienrecht der ältesten germ. Königsgeschlechter, in Z f. RG VII 323. W. Scherer im Anzeiger f. deutsches Alterthum IV 100 und in der Z f. d. österr. Gymn. 1869 S 89 ff. Die Schriftsteller des Altertums unterscheiden bei den Germanen zwischen reges und principes. Das durchschlagende Merkmal des 32 S. oben Seite 85. 33 Germ. c. 12: centeni singuli ex plebe comites consilium simul et auctoritas adsunt. Die centeni in c. 6 sind Sondertruppe des Gaues. Erhardt a. O. S 36 f. und unten § 19. 34 Konrad Maurer, Island, 1874, S 55. 106. 156. K. Lehmann, Königs- friede der Nordgermanen S 272. Ein Kapitular für Sachsen zeigt, daſs die Gau- leute in Abteilungen von je hundert zu gewissen Leistungen herangezogen wurden. Cap. de partibus Sax. c. 15, I 69: ad unamquamque ecclesiam curte et duos mansos terrae pagenses ad ecclesiam recurrentes condonant et inter centum viginti homines (das sächsische Groſshundert) nobiles et ingenuis similiter et litos servum et ancillam eidem ecclesiae tribuant.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/137>, abgerufen am 24.11.2024.