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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 21. Fehde und Busse.
Wahl zwischen Busse und allgemeiner Friedlosigkeit. Eine Ausnahme
von diesen Grundsätzen griff nur soweit platz, als die Rechtsordnung,
wie dies bei den Friesen konstatiert ist, für Spezialfälle noch Lücken
ihres Busssystems aufwies und sonach eine gerichtliche Einklagung
einer rechtlich fixierten Busse unmöglich war.

In allen Fällen, in welchen die verletzte Partei die Fehde üben
oder das Sühngeld einklagen konnte, war der Betrag des letzteren
rechtlich fixiert. Das Sühngeld heisst Busse, gotisch bota, ags. und
altnord. bot, altsächsisch buota, althd. puoz, puoza38, lateinisch
compositio oder mulcta. Im weiteren Sinne schliesst sie auch das
Wergeld in sich, das ja auch unter dem Namen Mannbusse erscheint39.
Doch werden im Mittelalter das Wergeld einerseits, die Bussen im
engeren Sinne andrerseits unterschieden. Wergeld und Bussen wur-
den nicht in Metallgeld, sondern in Viehhäuptern und Viehwerten
bezahlt. Nach Tacitus lautete das Urteil, durch das eine Busse zu-
erkannt wurde, auf eine bestimmte Zahl von Viehhäuptern40. Tacitus
nennt als Rechnungseinheit in erster Linie das Pferd. Doch scheint
nach Anhaltspunkten, welche jüngere Quellen liefern, die Kuh der am
meisten verbreitete Wertmesser für die Busstaxen geworden zu sein41.
Später begegnen uns durchweg zwei Reihen von Busszahlen, nämlich
Zahlen, die durch Teilung des Wergeldes entstanden sind, und solche,
die auf eine bestimmte kleinere Grundzahl als Simplum zurückführen.

Neben dem Sühngeld, welches der verletzten Partei zuerkannt
wurde, war in der Regel auch ein bestimmter Betrag an die öffent-
liche Gewalt oder an das Gemeinwesen zu entrichten, das Friedens-
geld, in den lateinisch geschriebenen Quellen fretus, fredus, freda, ge-
legentlich auch pax oder poena pacis42 genannt, althd. fridu oder
frida, fries. fretho. Bei den Angelsachsen begegnet uns dafür weite, Straf-
geld, bei den Dänen Englands lahslit (wörtlich legis violatio). Der
fredus steht später nach manchen Rechten innerhalb, nach anderen

zahlen oder die Fehde tragen wolle, so musste Rothari die compositio erniedrigen
um die Fehde zu beschränken.
38 Grimm, WB II 570.
39 S. oben S 86.
40 Germ. c. 12: equorum pecorumque numero convicti mulctantur. Vgl. c. 21:
tuitur ... homicidium certo armentorum ac pecorum numero.
41 In der Runeninschrift des Forsaringes wird ein zweigiltiger (zwei Kühe
werter) Ochse erwähnt. K. Maurer, KrV XX 146. v. Amira, Obligationen-
recht S 444. Über das isländische Kuhgeld Wilda, Strafrecht S 331 f. und
über das Viehgeld im allgemeinen Inama-Sternegg, Wirtschaftsgesch. I 181.
42 v. Richthofen, Fries. WB S 761.

§ 21. Fehde und Buſse.
Wahl zwischen Buſse und allgemeiner Friedlosigkeit. Eine Ausnahme
von diesen Grundsätzen griff nur soweit platz, als die Rechtsordnung,
wie dies bei den Friesen konstatiert ist, für Spezialfälle noch Lücken
ihres Buſssystems aufwies und sonach eine gerichtliche Einklagung
einer rechtlich fixierten Buſse unmöglich war.

In allen Fällen, in welchen die verletzte Partei die Fehde üben
oder das Sühngeld einklagen konnte, war der Betrag des letzteren
rechtlich fixiert. Das Sühngeld heiſst Buſse, gotisch bota, ags. und
altnord. bôt, altsächsisch buota, althd. puoz, puoza38, lateinisch
compositio oder mulcta. Im weiteren Sinne schlieſst sie auch das
Wergeld in sich, das ja auch unter dem Namen Mannbuſse erscheint39.
Doch werden im Mittelalter das Wergeld einerseits, die Buſsen im
engeren Sinne andrerseits unterschieden. Wergeld und Buſsen wur-
den nicht in Metallgeld, sondern in Viehhäuptern und Viehwerten
bezahlt. Nach Tacitus lautete das Urteil, durch das eine Buſse zu-
erkannt wurde, auf eine bestimmte Zahl von Viehhäuptern40. Tacitus
nennt als Rechnungseinheit in erster Linie das Pferd. Doch scheint
nach Anhaltspunkten, welche jüngere Quellen liefern, die Kuh der am
meisten verbreitete Wertmesser für die Buſstaxen geworden zu sein41.
Später begegnen uns durchweg zwei Reihen von Buſszahlen, nämlich
Zahlen, die durch Teilung des Wergeldes entstanden sind, und solche,
die auf eine bestimmte kleinere Grundzahl als Simplum zurückführen.

Neben dem Sühngeld, welches der verletzten Partei zuerkannt
wurde, war in der Regel auch ein bestimmter Betrag an die öffent-
liche Gewalt oder an das Gemeinwesen zu entrichten, das Friedens-
geld, in den lateinisch geschriebenen Quellen fretus, fredus, freda, ge-
legentlich auch pax oder poena pacis42 genannt, althd. fridu oder
frida, fries. fretho. Bei den Angelsachsen begegnet uns dafür wîte, Straf-
geld, bei den Dänen Englands lahslit (wörtlich legis violatio). Der
fredus steht später nach manchen Rechten innerhalb, nach anderen

zahlen oder die Fehde tragen wolle, so muſste Rothari die compositio erniedrigen
um die Fehde zu beschränken.
38 Grimm, WB II 570.
39 S. oben S 86.
40 Germ. c. 12: equorum pecorumque numero convicti mulctantur. Vgl. c. 21:
tuitur … homicidium certo armentorum ac pecorum numero.
41 In der Runeninschrift des Forsaringes wird ein zweigiltiger (zwei Kühe
werter) Ochse erwähnt. K. Maurer, KrV XX 146. v. Amira, Obligationen-
recht S 444. Über das isländische Kuhgeld Wilda, Strafrecht S 331 f. und
über das Viehgeld im allgemeinen Inama-Sternegg, Wirtschaftsgesch. I 181.
42 v. Richthofen, Fries. WB S 761.
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[164/0182] § 21. Fehde und Buſse. Wahl zwischen Buſse und allgemeiner Friedlosigkeit. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen griff nur soweit platz, als die Rechtsordnung, wie dies bei den Friesen konstatiert ist, für Spezialfälle noch Lücken ihres Buſssystems aufwies und sonach eine gerichtliche Einklagung einer rechtlich fixierten Buſse unmöglich war. In allen Fällen, in welchen die verletzte Partei die Fehde üben oder das Sühngeld einklagen konnte, war der Betrag des letzteren rechtlich fixiert. Das Sühngeld heiſst Buſse, gotisch bota, ags. und altnord. bôt, altsächsisch buota, althd. puoz, puoza 38, lateinisch compositio oder mulcta. Im weiteren Sinne schlieſst sie auch das Wergeld in sich, das ja auch unter dem Namen Mannbuſse erscheint 39. Doch werden im Mittelalter das Wergeld einerseits, die Buſsen im engeren Sinne andrerseits unterschieden. Wergeld und Buſsen wur- den nicht in Metallgeld, sondern in Viehhäuptern und Viehwerten bezahlt. Nach Tacitus lautete das Urteil, durch das eine Buſse zu- erkannt wurde, auf eine bestimmte Zahl von Viehhäuptern 40. Tacitus nennt als Rechnungseinheit in erster Linie das Pferd. Doch scheint nach Anhaltspunkten, welche jüngere Quellen liefern, die Kuh der am meisten verbreitete Wertmesser für die Buſstaxen geworden zu sein 41. Später begegnen uns durchweg zwei Reihen von Buſszahlen, nämlich Zahlen, die durch Teilung des Wergeldes entstanden sind, und solche, die auf eine bestimmte kleinere Grundzahl als Simplum zurückführen. Neben dem Sühngeld, welches der verletzten Partei zuerkannt wurde, war in der Regel auch ein bestimmter Betrag an die öffent- liche Gewalt oder an das Gemeinwesen zu entrichten, das Friedens- geld, in den lateinisch geschriebenen Quellen fretus, fredus, freda, ge- legentlich auch pax oder poena pacis 42 genannt, althd. fridu oder frida, fries. fretho. Bei den Angelsachsen begegnet uns dafür wîte, Straf- geld, bei den Dänen Englands lahslit (wörtlich legis violatio). Der fredus steht später nach manchen Rechten innerhalb, nach anderen 37 38 Grimm, WB II 570. 39 S. oben S 86. 40 Germ. c. 12: equorum pecorumque numero convicti mulctantur. Vgl. c. 21: tuitur … homicidium certo armentorum ac pecorum numero. 41 In der Runeninschrift des Forsaringes wird ein zweigiltiger (zwei Kühe werter) Ochse erwähnt. K. Maurer, KrV XX 146. v. Amira, Obligationen- recht S 444. Über das isländische Kuhgeld Wilda, Strafrecht S 331 f. und über das Viehgeld im allgemeinen Inama-Sternegg, Wirtschaftsgesch. I 181. 42 v. Richthofen, Fries. WB S 761. 37 zahlen oder die Fehde tragen wolle, so muſste Rothari die compositio erniedrigen um die Fehde zu beschränken.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/182>, abgerufen am 24.11.2024.