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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 34. Das Personalitätsprinzip.
Recht kannte nur eine Freilassung zum freien Langobarden oder zum
Aldio. Die Aldien lebten nach dem Rechte des Herrn, der sie zu
vertreten hatte. Das jüngere langobardische Recht gab dem Frei-
gelassenen schlechtweg das persönliche Recht seines Freilassers 50.

Die katholische Kirche lebte als eine aus dem römischen Reiche
überkommene Einrichtung nach römischem Rechte 51. Eine Ausnahme
bildeten die im Eigentum und die im besonderen Schutze des Königs
stehenden Klöster und Kirchen, welche fränkisches Recht genossen 52.
In Italien hielt sich das Kloster Farfa in der Sabina an das lango-
bardische Recht 53. Dass der durch Schenkung erworbene Grundbesitz
der Kirche nach fränkischen Kapitularien das Stammesrecht der Dona-
toren bewahrte, ist oben Seite 265 bereits bemerkt worden.

Der einzelne Kleriker wurde im fränkischen Reiche nicht, wie
man vielfach behauptete, nach römischem Rechte, sondern nach dem
Rechte seiner Geburt beurteilt 54. Anders war das Verhältnis im
Langobardenreich. Zur Zeit, da die Langobarden noch Arianer waren,
kann es katholische Kleriker langobardischer Herkunft in nennens-
werter Zahl nicht gegeben haben, und muss das römische Recht
für das selbstverständliche Personalrecht des katholischen Klerus ge-
golten haben. Die daraus hervorgehende Auffassung, dass der katho-
lische Kleriker nach römischem Rechte lebe, erhielt sich, nachdem das
Volk sich zum Katholizismus bekehrt hatte. Der Langobarde, der in
den geistlichen Stand eintrat, unterwarf sich dem römischen Rechte 55.

ergiebt nur, dass der princeps eine Freilassung zu römischem Rechte vornehmen
konnte.
50 Die langob. Jurisprudenz berief sich dafür missverständlich auf Roth. 226:
omnes liberti .. legibus dominorum et benefacturibus suis vivere debeant, secundum
qualiter a dominis suis propriis eis concessum fuerit. Unter den leges dominorum
sind hier die Bedingungen der Freilassung zu verstehen. Vgl. Expositio zu Roth. 226,
Lombardakomment. II 34. Pertile a. O. I 56 Anm 13. Bethmann-Hollweg
a. O. IV 339 Anm 85.
51 Lex Rib. 58, 1: secundum legem Romanam, quam ecclesia vivit. Lib. leg. Lang.
Lud. P. 53, LL IV 539: ut omnis ordo aecclesiarum secundum legem romanam vivat.
52 Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S 83. Der Bischof von Le Mans,
der das Kloster Anisola in Anspruch nahm, das königlich zu sein behauptete,
führte u. a. aus: wenn Anisola in Wahrheit königlich wäre, res ipsius secundum
legem Salicam aut Ribuarium tuerentur.
53 Eine Besonderheit, welche Bethmann-Hollweg V 78 Anm 78 aus der
Neugründung des Klosters durch fränkische Mönche erklärt, die als wargangi unter
dem Schutze des Langobardenkönigs und daher nach langobardischem Rechte lebten.
54 Das ist gegen die herrschende Meinung durch Edgar Loening, Kirchen-
recht II 284 ff. klargestellt worden.
55 Durchschlagend ist Liu. 153. Die Bestimmung, dass die Söhne, welche

§ 34. Das Personalitätsprinzip.
Recht kannte nur eine Freilassung zum freien Langobarden oder zum
Aldio. Die Aldien lebten nach dem Rechte des Herrn, der sie zu
vertreten hatte. Das jüngere langobardische Recht gab dem Frei-
gelassenen schlechtweg das persönliche Recht seines Freilassers 50.

Die katholische Kirche lebte als eine aus dem römischen Reiche
überkommene Einrichtung nach römischem Rechte 51. Eine Ausnahme
bildeten die im Eigentum und die im besonderen Schutze des Königs
stehenden Klöster und Kirchen, welche fränkisches Recht genossen 52.
In Italien hielt sich das Kloster Farfa in der Sabina an das lango-
bardische Recht 53. Daſs der durch Schenkung erworbene Grundbesitz
der Kirche nach fränkischen Kapitularien das Stammesrecht der Dona-
toren bewahrte, ist oben Seite 265 bereits bemerkt worden.

Der einzelne Kleriker wurde im fränkischen Reiche nicht, wie
man vielfach behauptete, nach römischem Rechte, sondern nach dem
Rechte seiner Geburt beurteilt 54. Anders war das Verhältnis im
Langobardenreich. Zur Zeit, da die Langobarden noch Arianer waren,
kann es katholische Kleriker langobardischer Herkunft in nennens-
werter Zahl nicht gegeben haben, und muſs das römische Recht
für das selbstverständliche Personalrecht des katholischen Klerus ge-
golten haben. Die daraus hervorgehende Auffassung, daſs der katho-
lische Kleriker nach römischem Rechte lebe, erhielt sich, nachdem das
Volk sich zum Katholizismus bekehrt hatte. Der Langobarde, der in
den geistlichen Stand eintrat, unterwarf sich dem römischen Rechte 55.

ergiebt nur, daſs der princeps eine Freilassung zu römischem Rechte vornehmen
konnte.
50 Die langob. Jurisprudenz berief sich dafür miſsverständlich auf Roth. 226:
omnes liberti .. legibus dominorum et benefacturibus suis vivere debeant, secundum
qualiter a dominis suis propriis eis concessum fuerit. Unter den leges dominorum
sind hier die Bedingungen der Freilassung zu verstehen. Vgl. Expositio zu Roth. 226,
Lombardakomment. II 34. Pertile a. O. I 56 Anm 13. Bethmann-Hollweg
a. O. IV 339 Anm 85.
51 Lex Rib. 58, 1: secundum legem Romanam, quam ecclesia vivit. Lib. leg. Lang.
Lud. P. 53, LL IV 539: ut omnis ordo aecclesiarum secundum legem romanam vivat.
52 Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S 83. Der Bischof von Le Mans,
der das Kloster Anisola in Anspruch nahm, das königlich zu sein behauptete,
führte u. a. aus: wenn Anisola in Wahrheit königlich wäre, res ipsius secundum
legem Salicam aut Ribuarium tuerentur.
53 Eine Besonderheit, welche Bethmann-Hollweg V 78 Anm 78 aus der
Neugründung des Klosters durch fränkische Mönche erklärt, die als wargangi unter
dem Schutze des Langobardenkönigs und daher nach langobardischem Rechte lebten.
54 Das ist gegen die herrschende Meinung durch Edgar Loening, Kirchen-
recht II 284 ff. klargestellt worden.
55 Durchschlagend ist Liu. 153. Die Bestimmung, daſs die Söhne, welche
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[269/0287] § 34. Das Personalitätsprinzip. Recht kannte nur eine Freilassung zum freien Langobarden oder zum Aldio. Die Aldien lebten nach dem Rechte des Herrn, der sie zu vertreten hatte. Das jüngere langobardische Recht gab dem Frei- gelassenen schlechtweg das persönliche Recht seines Freilassers 50. Die katholische Kirche lebte als eine aus dem römischen Reiche überkommene Einrichtung nach römischem Rechte 51. Eine Ausnahme bildeten die im Eigentum und die im besonderen Schutze des Königs stehenden Klöster und Kirchen, welche fränkisches Recht genossen 52. In Italien hielt sich das Kloster Farfa in der Sabina an das lango- bardische Recht 53. Daſs der durch Schenkung erworbene Grundbesitz der Kirche nach fränkischen Kapitularien das Stammesrecht der Dona- toren bewahrte, ist oben Seite 265 bereits bemerkt worden. Der einzelne Kleriker wurde im fränkischen Reiche nicht, wie man vielfach behauptete, nach römischem Rechte, sondern nach dem Rechte seiner Geburt beurteilt 54. Anders war das Verhältnis im Langobardenreich. Zur Zeit, da die Langobarden noch Arianer waren, kann es katholische Kleriker langobardischer Herkunft in nennens- werter Zahl nicht gegeben haben, und muſs das römische Recht für das selbstverständliche Personalrecht des katholischen Klerus ge- golten haben. Die daraus hervorgehende Auffassung, daſs der katho- lische Kleriker nach römischem Rechte lebe, erhielt sich, nachdem das Volk sich zum Katholizismus bekehrt hatte. Der Langobarde, der in den geistlichen Stand eintrat, unterwarf sich dem römischen Rechte 55. 49 50 Die langob. Jurisprudenz berief sich dafür miſsverständlich auf Roth. 226: omnes liberti .. legibus dominorum et benefacturibus suis vivere debeant, secundum qualiter a dominis suis propriis eis concessum fuerit. Unter den leges dominorum sind hier die Bedingungen der Freilassung zu verstehen. Vgl. Expositio zu Roth. 226, Lombardakomment. II 34. Pertile a. O. I 56 Anm 13. Bethmann-Hollweg a. O. IV 339 Anm 85. 51 Lex Rib. 58, 1: secundum legem Romanam, quam ecclesia vivit. Lib. leg. Lang. Lud. P. 53, LL IV 539: ut omnis ordo aecclesiarum secundum legem romanam vivat. 52 Brunner, Zeugen- und Inquisitionsbeweis S 83. Der Bischof von Le Mans, der das Kloster Anisola in Anspruch nahm, das königlich zu sein behauptete, führte u. a. aus: wenn Anisola in Wahrheit königlich wäre, res ipsius secundum legem Salicam aut Ribuarium tuerentur. 53 Eine Besonderheit, welche Bethmann-Hollweg V 78 Anm 78 aus der Neugründung des Klosters durch fränkische Mönche erklärt, die als wargangi unter dem Schutze des Langobardenkönigs und daher nach langobardischem Rechte lebten. 54 Das ist gegen die herrschende Meinung durch Edgar Loening, Kirchen- recht II 284 ff. klargestellt worden. 55 Durchschlagend ist Liu. 153. Die Bestimmung, daſs die Söhne, welche 49 ergiebt nur, daſs der princeps eine Freilassung zu römischem Rechte vornehmen konnte.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/287>, abgerufen am 22.11.2024.