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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 51. Die Lex Rom. Cur. und die Cap. Remedii.
mal und zwar in dritter Person genannt und für den Kreis der Per-
sonen, den die Satzung angeht, als der dominus schlechtweg erwähnt.
Von Remedius rührt die Satzung nicht her, sondern sie scheint von
einer Versammlung der geistlichen und weltlichen Beamten, sowie der
Vasallen und Hintersassen des Bischofs beschlossen worden zu sein.
Die Personen, für welche die Satzung gelten soll, befinden sich in
dienstlicher oder grundherrlicher Abhängigkeit vom Bischof. Es ist
die Rede von den Romani homines, qui ad domnum Remedium
episcopum pertinent, Ehen sind nur mit homines des Bischofs ge-
stattet 11. Die Satzung ist hauptsächlich strafrechtlicher Natur, doch
werden zwar verstümmelnde Leibesstrafen, wie der Verlust der Augen
und der Hand, angedroht, aber nirgends wird die Todesstrafe aus-
gesprochen. Vielmehr heisst es in einem Falle, wo man sie erwarten
sollte, von dem Verbrecher: in potestate stet iudicum et laicorum, eine
Wendung, die noch einigemale wiederkehrt. Kirchlichen Einfluss ver-
rät die Steigerung der Strafen bei Rückfällen, wie sie der kirchlichen
Busspraxis eigentümlich war. Der Diebstahl soll gesühnt werden, wie
es in nostra lege scriptum est, worunter nur die Lex Romana Wisi-
gothorum, Paulus II 32 verstanden werden kann 12. Das Schluss-
kapitel ordnet an, dass jeder Priester die Satzung dem Volke monat-
lich zweimal vorlesen solle.

Die sogenannten Capitula Remedii finden ihre Erklärung in einer
weitgehenden Immunitätsgerichtsbarkeit des Bischofs von Chur und
sind für die Immunitätsleute desselben bestimmt. Auf Grund könig-
licher Privilegien hatte das Bistum Chur die Sonderstellung eines
halbsuveränen Kirchenstaates erhalten. Karl der Grosse und nach-
mals Ludwig und Lothar 13 hatten die Bischöfe von Chur und den
populus Curiensis in ihren besonderen Schutz genommen und ihnen
gestattet, nach eigenen Gesetzen und Gewohnheiten zu leben. Damit
scheint ein weitgehendes Recht autonomer Gerichtsbarkeit verbunden
gewesen zu sein. Ein Seitenstück zu der Sonderstellung der Chur-
welschen bilden die Vorrechte der in der septimanischen Mark leben-

11 Nur so kann das "nubat cui vult tantum in domno" in c. 5 erklärt werden.
12 Keine direkte Beziehung auf eine bestimmte Stelle der Lex Romana finde
ich in c. 10: si quis falsum testimonium dixerit, quia omnes fratres sumus in
Christo, fiat secundum legem nostram condemnatus, sicut fieri debuit illi, quem
nocere voluit. Das falsche Zeugnis soll mit der Strafe belegt werden, welche die
Lex Rom. für die bezeugte Handlung ausspricht. Andernfalls hätte die biblische
Motivierung keinen Sinn. Schupfer sieht in der lex nostra die Bibel.
13 Mühlbacher, Regesten Nr 155. 1062. Sickel, Beiträge zur Diplomatik
III, Wiener Sitzungsber. XLVII 192. 259.

§ 51. Die Lex Rom. Cur. und die Cap. Remedii.
mal und zwar in dritter Person genannt und für den Kreis der Per-
sonen, den die Satzung angeht, als der dominus schlechtweg erwähnt.
Von Remedius rührt die Satzung nicht her, sondern sie scheint von
einer Versammlung der geistlichen und weltlichen Beamten, sowie der
Vasallen und Hintersassen des Bischofs beschlossen worden zu sein.
Die Personen, für welche die Satzung gelten soll, befinden sich in
dienstlicher oder grundherrlicher Abhängigkeit vom Bischof. Es ist
die Rede von den Romani homines, qui ad domnum Remedium
episcopum pertinent, Ehen sind nur mit homines des Bischofs ge-
stattet 11. Die Satzung ist hauptsächlich strafrechtlicher Natur, doch
werden zwar verstümmelnde Leibesstrafen, wie der Verlust der Augen
und der Hand, angedroht, aber nirgends wird die Todesstrafe aus-
gesprochen. Vielmehr heiſst es in einem Falle, wo man sie erwarten
sollte, von dem Verbrecher: in potestate stet iudicum et laicorum, eine
Wendung, die noch einigemale wiederkehrt. Kirchlichen Einfluſs ver-
rät die Steigerung der Strafen bei Rückfällen, wie sie der kirchlichen
Buſspraxis eigentümlich war. Der Diebstahl soll gesühnt werden, wie
es in nostra lege scriptum est, worunter nur die Lex Romana Wisi-
gothorum, Paulus II 32 verstanden werden kann 12. Das Schluſs-
kapitel ordnet an, daſs jeder Priester die Satzung dem Volke monat-
lich zweimal vorlesen solle.

Die sogenannten Capitula Remedii finden ihre Erklärung in einer
weitgehenden Immunitätsgerichtsbarkeit des Bischofs von Chur und
sind für die Immunitätsleute desselben bestimmt. Auf Grund könig-
licher Privilegien hatte das Bistum Chur die Sonderstellung eines
halbsuveränen Kirchenstaates erhalten. Karl der Groſse und nach-
mals Ludwig und Lothar 13 hatten die Bischöfe von Chur und den
populus Curiensis in ihren besonderen Schutz genommen und ihnen
gestattet, nach eigenen Gesetzen und Gewohnheiten zu leben. Damit
scheint ein weitgehendes Recht autonomer Gerichtsbarkeit verbunden
gewesen zu sein. Ein Seitenstück zu der Sonderstellung der Chur-
welschen bilden die Vorrechte der in der septimanischen Mark leben-

11 Nur so kann das „nubat cui vult tantum in domno“ in c. 5 erklärt werden.
12 Keine direkte Beziehung auf eine bestimmte Stelle der Lex Romana finde
ich in c. 10: si quis falsum testimonium dixerit, quia omnes fratres sumus in
Christo, fiat secundum legem nostram condemnatus, sicut fieri debuit illi, quem
nocere voluit. Das falsche Zeugnis soll mit der Strafe belegt werden, welche die
Lex Rom. für die bezeugte Handlung ausspricht. Andernfalls hätte die biblische
Motivierung keinen Sinn. Schupfer sieht in der lex nostra die Bibel.
13 Mühlbacher, Regesten Nr 155. 1062. Sickel, Beiträge zur Diplomatik
III, Wiener Sitzungsber. XLVII 192. 259.
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[364/0382] § 51. Die Lex Rom. Cur. und die Cap. Remedii. mal und zwar in dritter Person genannt und für den Kreis der Per- sonen, den die Satzung angeht, als der dominus schlechtweg erwähnt. Von Remedius rührt die Satzung nicht her, sondern sie scheint von einer Versammlung der geistlichen und weltlichen Beamten, sowie der Vasallen und Hintersassen des Bischofs beschlossen worden zu sein. Die Personen, für welche die Satzung gelten soll, befinden sich in dienstlicher oder grundherrlicher Abhängigkeit vom Bischof. Es ist die Rede von den Romani homines, qui ad domnum Remedium episcopum pertinent, Ehen sind nur mit homines des Bischofs ge- stattet 11. Die Satzung ist hauptsächlich strafrechtlicher Natur, doch werden zwar verstümmelnde Leibesstrafen, wie der Verlust der Augen und der Hand, angedroht, aber nirgends wird die Todesstrafe aus- gesprochen. Vielmehr heiſst es in einem Falle, wo man sie erwarten sollte, von dem Verbrecher: in potestate stet iudicum et laicorum, eine Wendung, die noch einigemale wiederkehrt. Kirchlichen Einfluſs ver- rät die Steigerung der Strafen bei Rückfällen, wie sie der kirchlichen Buſspraxis eigentümlich war. Der Diebstahl soll gesühnt werden, wie es in nostra lege scriptum est, worunter nur die Lex Romana Wisi- gothorum, Paulus II 32 verstanden werden kann 12. Das Schluſs- kapitel ordnet an, daſs jeder Priester die Satzung dem Volke monat- lich zweimal vorlesen solle. Die sogenannten Capitula Remedii finden ihre Erklärung in einer weitgehenden Immunitätsgerichtsbarkeit des Bischofs von Chur und sind für die Immunitätsleute desselben bestimmt. Auf Grund könig- licher Privilegien hatte das Bistum Chur die Sonderstellung eines halbsuveränen Kirchenstaates erhalten. Karl der Groſse und nach- mals Ludwig und Lothar 13 hatten die Bischöfe von Chur und den populus Curiensis in ihren besonderen Schutz genommen und ihnen gestattet, nach eigenen Gesetzen und Gewohnheiten zu leben. Damit scheint ein weitgehendes Recht autonomer Gerichtsbarkeit verbunden gewesen zu sein. Ein Seitenstück zu der Sonderstellung der Chur- welschen bilden die Vorrechte der in der septimanischen Mark leben- 11 Nur so kann das „nubat cui vult tantum in domno“ in c. 5 erklärt werden. 12 Keine direkte Beziehung auf eine bestimmte Stelle der Lex Romana finde ich in c. 10: si quis falsum testimonium dixerit, quia omnes fratres sumus in Christo, fiat secundum legem nostram condemnatus, sicut fieri debuit illi, quem nocere voluit. Das falsche Zeugnis soll mit der Strafe belegt werden, welche die Lex Rom. für die bezeugte Handlung ausspricht. Andernfalls hätte die biblische Motivierung keinen Sinn. Schupfer sieht in der lex nostra die Bibel. 13 Mühlbacher, Regesten Nr 155. 1062. Sickel, Beiträge zur Diplomatik III, Wiener Sitzungsber. XLVII 192. 259.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/382>, abgerufen am 22.11.2024.