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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 5. Die Bearbeitungen
durch ihren litterarischen Wert die erste Stelle einnahmen, hat sich
die Forschung ihnen mit besonderer Vorliebe zugewendet. Das säch-
sische Stammesrecht gewann so in der germanistischen Litteratur einen
grösseren Vorsprung, als dem ebenmässigen Ausbau der deutschen
Rechtsgeschichte förderlich gewesen wäre. Gegen die einseitige Über-
schätzung des sächsischen Quellenkreises, gegen die Versuche, das
sächsische Recht vorschnell als gemeines deutsches Recht hinzustellen,
hat Paul Roth, in einem Aufsatz über die rechtsgeschichtlichen For-
schungen seit Eichhorn, begründeten Einspruch erhoben, indem er die
Verschiedenheit der Stammesrechte, namentlich den Gegensatz des
sächsischen und des fränkischen Rechtes kräftig betonte 28. Seitdem
ist die Wertschätzung des fränkischen Rechtes und der ihm ent-
stammenden Impulse unserer Rechtsentwicklung so sehr gestiegen,
dass sie zu neuer Einseitigkeit zu führen drohte. Eine geistvolle Ab-
handlung Sohms 29 setzt in die Rolle, welche andere dem sächsischen
Rechte zugewiesen hatten, das fränkische Recht ein, indem sie be-
hauptet, dass das ganze mittelalterliche Deutschland ein einziges
Rechtsgebiet, ein Gebiet nämlich des fränkischen Rechtes darstelle.
Diese Ansicht stellt sich bei nüchterner Betrachtung als eine Über-
treibung dar, gegen welche daran festzuhalten ist, dass die deutsche
Rechtsgeschichte ebensowenig zur fränkischen wie zur sächsischen
Rechtsgeschichte degradiert werden darf, sondern die Einheit der
Rechtsentwicklung über den einzelnen Stammesrechten zu suchen hat.

Die monographische Litteratur wird dieses Handbuch an der
Spitze der einzelnen Paragraphen nennen. Von den Lehr- und Hand-
büchern der deutschen Rechtsgeschichte, welche nach Eichhorn er-
schienen, verdienen hervorgehoben zu werden:

G. Phillips, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte zum Ge-
brauche bei akademischen Vorlesungen, 4. Aufl. 1859, eine Dar-
stellung, in welcher die Reichsgeschichte breit angelegt ist und die
juristischen Gesichtspunkte zurücktreten. Julius Hillebrand,
Lehrbuch der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte mit Ausschluss
der Privatrechtsinstitute, 1856, ohne selbständige Gesichtspunkte.
A. v. Daniels, Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechts-
geschichte, 1859--1863 4 Bde, unvollendet. Der erste Band verdient
als originelles Werk, wenn er auch nur mit Vorsicht benutzt werden
darf, in zahlreichen Einzelheiten mehr Beachtung als er gefunden hat.

28 Z f. RG I 7 ff. (1861).
29 Fränkisches Recht und römisches Recht. Prolegomena zur deutschen
Rechtsgeschichte, Z d. Savigny-Stiftung f. RG I 1 ff.

§ 5. Die Bearbeitungen
durch ihren litterarischen Wert die erste Stelle einnahmen, hat sich
die Forschung ihnen mit besonderer Vorliebe zugewendet. Das säch-
sische Stammesrecht gewann so in der germanistischen Litteratur einen
gröſseren Vorsprung, als dem ebenmäſsigen Ausbau der deutschen
Rechtsgeschichte förderlich gewesen wäre. Gegen die einseitige Über-
schätzung des sächsischen Quellenkreises, gegen die Versuche, das
sächsische Recht vorschnell als gemeines deutsches Recht hinzustellen,
hat Paul Roth, in einem Aufsatz über die rechtsgeschichtlichen For-
schungen seit Eichhorn, begründeten Einspruch erhoben, indem er die
Verschiedenheit der Stammesrechte, namentlich den Gegensatz des
sächsischen und des fränkischen Rechtes kräftig betonte 28. Seitdem
ist die Wertschätzung des fränkischen Rechtes und der ihm ent-
stammenden Impulse unserer Rechtsentwicklung so sehr gestiegen,
daſs sie zu neuer Einseitigkeit zu führen drohte. Eine geistvolle Ab-
handlung Sohms 29 setzt in die Rolle, welche andere dem sächsischen
Rechte zugewiesen hatten, das fränkische Recht ein, indem sie be-
hauptet, daſs das ganze mittelalterliche Deutschland ein einziges
Rechtsgebiet, ein Gebiet nämlich des fränkischen Rechtes darstelle.
Diese Ansicht stellt sich bei nüchterner Betrachtung als eine Über-
treibung dar, gegen welche daran festzuhalten ist, daſs die deutsche
Rechtsgeschichte ebensowenig zur fränkischen wie zur sächsischen
Rechtsgeschichte degradiert werden darf, sondern die Einheit der
Rechtsentwicklung über den einzelnen Stammesrechten zu suchen hat.

Die monographische Litteratur wird dieses Handbuch an der
Spitze der einzelnen Paragraphen nennen. Von den Lehr- und Hand-
büchern der deutschen Rechtsgeschichte, welche nach Eichhorn er-
schienen, verdienen hervorgehoben zu werden:

G. Phillips, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte zum Ge-
brauche bei akademischen Vorlesungen, 4. Aufl. 1859, eine Dar-
stellung, in welcher die Reichsgeschichte breit angelegt ist und die
juristischen Gesichtspunkte zurücktreten. Julius Hillebrand,
Lehrbuch der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte mit Ausschluſs
der Privatrechtsinstitute, 1856, ohne selbständige Gesichtspunkte.
A. v. Daniels, Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechts-
geschichte, 1859—1863 4 Bde, unvollendet. Der erste Band verdient
als originelles Werk, wenn er auch nur mit Vorsicht benutzt werden
darf, in zahlreichen Einzelheiten mehr Beachtung als er gefunden hat.

28 Z f. RG I 7 ff. (1861).
29 Fränkisches Recht und römisches Recht. Prolegomena zur deutschen
Rechtsgeschichte, Z d. Savigny-Stiftung f. RG I 1 ff.
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[22/0040] § 5. Die Bearbeitungen durch ihren litterarischen Wert die erste Stelle einnahmen, hat sich die Forschung ihnen mit besonderer Vorliebe zugewendet. Das säch- sische Stammesrecht gewann so in der germanistischen Litteratur einen gröſseren Vorsprung, als dem ebenmäſsigen Ausbau der deutschen Rechtsgeschichte förderlich gewesen wäre. Gegen die einseitige Über- schätzung des sächsischen Quellenkreises, gegen die Versuche, das sächsische Recht vorschnell als gemeines deutsches Recht hinzustellen, hat Paul Roth, in einem Aufsatz über die rechtsgeschichtlichen For- schungen seit Eichhorn, begründeten Einspruch erhoben, indem er die Verschiedenheit der Stammesrechte, namentlich den Gegensatz des sächsischen und des fränkischen Rechtes kräftig betonte 28. Seitdem ist die Wertschätzung des fränkischen Rechtes und der ihm ent- stammenden Impulse unserer Rechtsentwicklung so sehr gestiegen, daſs sie zu neuer Einseitigkeit zu führen drohte. Eine geistvolle Ab- handlung Sohms 29 setzt in die Rolle, welche andere dem sächsischen Rechte zugewiesen hatten, das fränkische Recht ein, indem sie be- hauptet, daſs das ganze mittelalterliche Deutschland ein einziges Rechtsgebiet, ein Gebiet nämlich des fränkischen Rechtes darstelle. Diese Ansicht stellt sich bei nüchterner Betrachtung als eine Über- treibung dar, gegen welche daran festzuhalten ist, daſs die deutsche Rechtsgeschichte ebensowenig zur fränkischen wie zur sächsischen Rechtsgeschichte degradiert werden darf, sondern die Einheit der Rechtsentwicklung über den einzelnen Stammesrechten zu suchen hat. Die monographische Litteratur wird dieses Handbuch an der Spitze der einzelnen Paragraphen nennen. Von den Lehr- und Hand- büchern der deutschen Rechtsgeschichte, welche nach Eichhorn er- schienen, verdienen hervorgehoben zu werden: G. Phillips, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte zum Ge- brauche bei akademischen Vorlesungen, 4. Aufl. 1859, eine Dar- stellung, in welcher die Reichsgeschichte breit angelegt ist und die juristischen Gesichtspunkte zurücktreten. Julius Hillebrand, Lehrbuch der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte mit Ausschluſs der Privatrechtsinstitute, 1856, ohne selbständige Gesichtspunkte. A. v. Daniels, Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechts- geschichte, 1859—1863 4 Bde, unvollendet. Der erste Band verdient als originelles Werk, wenn er auch nur mit Vorsicht benutzt werden darf, in zahlreichen Einzelheiten mehr Beachtung als er gefunden hat. 28 Z f. RG I 7 ff. (1861). 29 Fränkisches Recht und römisches Recht. Prolegomena zur deutschen Rechtsgeschichte, Z d. Savigny-Stiftung f. RG I 1 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/40>, abgerufen am 03.12.2024.