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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 56. Das langobardische Recht
antiqui schlechtweg zusammengefasst. Von den Autoritäten, die sie
mit Namen nennt, sind die Papienser Bonifilius und Lanfrancus,
Häupter zweier Rechtsschulen, ferner Wilhelmus und dessen Sohn
Hugo hervorzuheben; ausser ihnen der oft genannte Walcausus 9, von
dem es ungewiss ist, ob er der Schule von Pavia angehörte 10.

Die Thätigkeit der älteren langobardischen Jurisprudenz wendete
sich in erster Linie den Quellen zu. Sie hat den Edictus und das
Capitulare zu einem geschlossenen Rechtsbuch, dem Liber legis
Langobardorum (Liber Papiensis) verbunden. Für die Zwecke des
Rechtsunterrichts entstand in den Jahren 1019--1037 eine Sammlung,
welche dem Texte der Gesetze nicht nur Gerichtsformeln hinzufügte,
sondern ihn auch glossierte 11, eine Methode, in welcher die lango-
bardische Jurisprudenz Vorläuferin und Lehrmeisterin der romanisti-
schen Glossatorenschule war. Als litterarische Produkte der Papienser
sind uns ferner mehrere kleine Traktate erhalten, darunter die so-
genannten Quaestiones et Monita 12 aus dem Anfange des elften Jahr-
hunderts, vermischte Ausführungen über langobardisches, salisches und
römisches Recht, worin unter anderem das Erbrecht, der gerichtliche
Zweikampf und das Lebensalter behandelt werden 13. Für die Notariats-
praxis wurde vor 1070, wahrscheinlich noch in der ersten Hälfte des
elften Jahrhunderts das Cartularium Langobardicum zusammengestellt,
eine Sammlung von Formeln für die mündlichen Erklärungen und
formellen Handlungen, welche bei der Übergabe von Geschäftsurkunden
(cartae) und bei der Erwirkung von gerichtlichen notitiae zu beob-
achten waren.

Auf das römische Recht haben schon die älteren langobardischen
Juristen in ihren Arbeiten vielfach Rücksicht genommen, wobei sie
namentlich die Institutionen benutzten und zur Erläuterung des
langobardischen Rechtes verwendeten. Der Einfluss des römischen
Rechtes stieg in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts. Bald
nach 1070 wurde zum Liber legis Langobardorum ein umfang-
reicher Kommentar verfasst, der sich als Expositio bezeichnet. Darin
wird das römische Recht bereits als eine Lex omnium generalis 14

9 Typisch gewordener Schulwitz hat die Siglen a. für antiqui und Val. für
Valcausus in asini, amentes, valentes aufgelöst.
10 Ficker, Forschungen III § 456 f. weist ihn einer Veroneser Rechtsschule zu.
11 Man hat die glossierte Form des Liber Papiensis dem Walcausus zuge-
schrieben. S. darüber Boretius, Praef. § 47--62.
12 LL IV 590 ff. Nahe verwandt mit Quaest. et Monita § 31 ist der Traktat
über die langob. Intestaterbfolge LL IV 605.
13 Savigny, Gesch. d. röm. Rechts II 244.
14 Expos. § 5 zu Roth. 221.

§ 56. Das langobardische Recht
antiqui schlechtweg zusammengefaſst. Von den Autoritäten, die sie
mit Namen nennt, sind die Papienser Bonifilius und Lanfrancus,
Häupter zweier Rechtsschulen, ferner Wilhelmus und dessen Sohn
Hugo hervorzuheben; auſser ihnen der oft genannte Walcausus 9, von
dem es ungewiſs ist, ob er der Schule von Pavia angehörte 10.

Die Thätigkeit der älteren langobardischen Jurisprudenz wendete
sich in erster Linie den Quellen zu. Sie hat den Edictus und das
Capitulare zu einem geschlossenen Rechtsbuch, dem Liber legis
Langobardorum (Liber Papiensis) verbunden. Für die Zwecke des
Rechtsunterrichts entstand in den Jahren 1019—1037 eine Sammlung,
welche dem Texte der Gesetze nicht nur Gerichtsformeln hinzufügte,
sondern ihn auch glossierte 11, eine Methode, in welcher die lango-
bardische Jurisprudenz Vorläuferin und Lehrmeisterin der romanisti-
schen Glossatorenschule war. Als litterarische Produkte der Papienser
sind uns ferner mehrere kleine Traktate erhalten, darunter die so-
genannten Quaestiones et Monita 12 aus dem Anfange des elften Jahr-
hunderts, vermischte Ausführungen über langobardisches, salisches und
römisches Recht, worin unter anderem das Erbrecht, der gerichtliche
Zweikampf und das Lebensalter behandelt werden 13. Für die Notariats-
praxis wurde vor 1070, wahrscheinlich noch in der ersten Hälfte des
elften Jahrhunderts das Cartularium Langobardicum zusammengestellt,
eine Sammlung von Formeln für die mündlichen Erklärungen und
formellen Handlungen, welche bei der Übergabe von Geschäftsurkunden
(cartae) und bei der Erwirkung von gerichtlichen notitiae zu beob-
achten waren.

Auf das römische Recht haben schon die älteren langobardischen
Juristen in ihren Arbeiten vielfach Rücksicht genommen, wobei sie
namentlich die Institutionen benutzten und zur Erläuterung des
langobardischen Rechtes verwendeten. Der Einfluſs des römischen
Rechtes stieg in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts. Bald
nach 1070 wurde zum Liber legis Langobardorum ein umfang-
reicher Kommentar verfaſst, der sich als Expositio bezeichnet. Darin
wird das römische Recht bereits als eine Lex omnium generalis 14

9 Typisch gewordener Schulwitz hat die Siglen a. für antiqui und Val. für
Valcausus in asini, amentes, valentes aufgelöst.
10 Ficker, Forschungen III § 456 f. weist ihn einer Veroneser Rechtsschule zu.
11 Man hat die glossierte Form des Liber Papiensis dem Walcausus zuge-
schrieben. S. darüber Boretius, Praef. § 47—62.
12 LL IV 590 ff. Nahe verwandt mit Quaest. et Monita § 31 ist der Traktat
über die langob. Intestaterbfolge LL IV 605.
13 Savigny, Gesch. d. röm. Rechts II 244.
14 Expos. § 5 zu Roth. 221.
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[390/0408] § 56. Das langobardische Recht antiqui schlechtweg zusammengefaſst. Von den Autoritäten, die sie mit Namen nennt, sind die Papienser Bonifilius und Lanfrancus, Häupter zweier Rechtsschulen, ferner Wilhelmus und dessen Sohn Hugo hervorzuheben; auſser ihnen der oft genannte Walcausus 9, von dem es ungewiſs ist, ob er der Schule von Pavia angehörte 10. Die Thätigkeit der älteren langobardischen Jurisprudenz wendete sich in erster Linie den Quellen zu. Sie hat den Edictus und das Capitulare zu einem geschlossenen Rechtsbuch, dem Liber legis Langobardorum (Liber Papiensis) verbunden. Für die Zwecke des Rechtsunterrichts entstand in den Jahren 1019—1037 eine Sammlung, welche dem Texte der Gesetze nicht nur Gerichtsformeln hinzufügte, sondern ihn auch glossierte 11, eine Methode, in welcher die lango- bardische Jurisprudenz Vorläuferin und Lehrmeisterin der romanisti- schen Glossatorenschule war. Als litterarische Produkte der Papienser sind uns ferner mehrere kleine Traktate erhalten, darunter die so- genannten Quaestiones et Monita 12 aus dem Anfange des elften Jahr- hunderts, vermischte Ausführungen über langobardisches, salisches und römisches Recht, worin unter anderem das Erbrecht, der gerichtliche Zweikampf und das Lebensalter behandelt werden 13. Für die Notariats- praxis wurde vor 1070, wahrscheinlich noch in der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts das Cartularium Langobardicum zusammengestellt, eine Sammlung von Formeln für die mündlichen Erklärungen und formellen Handlungen, welche bei der Übergabe von Geschäftsurkunden (cartae) und bei der Erwirkung von gerichtlichen notitiae zu beob- achten waren. Auf das römische Recht haben schon die älteren langobardischen Juristen in ihren Arbeiten vielfach Rücksicht genommen, wobei sie namentlich die Institutionen benutzten und zur Erläuterung des langobardischen Rechtes verwendeten. Der Einfluſs des römischen Rechtes stieg in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts. Bald nach 1070 wurde zum Liber legis Langobardorum ein umfang- reicher Kommentar verfaſst, der sich als Expositio bezeichnet. Darin wird das römische Recht bereits als eine Lex omnium generalis 14 9 Typisch gewordener Schulwitz hat die Siglen a. für antiqui und Val. für Valcausus in asini, amentes, valentes aufgelöst. 10 Ficker, Forschungen III § 456 f. weist ihn einer Veroneser Rechtsschule zu. 11 Man hat die glossierte Form des Liber Papiensis dem Walcausus zuge- schrieben. S. darüber Boretius, Praef. § 47—62. 12 LL IV 590 ff. Nahe verwandt mit Quaest. et Monita § 31 ist der Traktat über die langob. Intestaterbfolge LL IV 605. 13 Savigny, Gesch. d. röm. Rechts II 244. 14 Expos. § 5 zu Roth. 221.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/408>, abgerufen am 21.11.2024.