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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.
lich die auf einem Denkmal aus der Zeit des Alexander Severus
(222--235) genannten Tuihanten, die dem nachmaligen Gau Twente
den Namen gegeben haben. Noch vor dem Ende des dritten Jahr-
hunderts müssen die reichsangehörigen Friesen sich der römischen
Herrschaft entledigt haben, wie aus den Unternehmungen der Franken
am Niederrhein und an den Seeküsten geschlossen werden darf18.
Unter den Germanen, welche Constantius (Chlorus) nach dem Siege
über die Franken der batavischen Insel auf römischem Boden an-
siedelte, werden auch die Friesen genannt. Seit dem Auftreten der
Franken und Sachsen sind abgesehen von dieser Notiz die Friesen
aus dem Gesichtskreis der römischen Historiographie verschwunden
und schliesst der Name der Sachsen bei ihr mitunter auch den der
Friesen in sich. Während sie vor der Bildung der neuen Stämme
westlich an die Kannenefaten stiessen und im Osten durch die Ems von
den Chauken19 geschieden wurden, haben die Friesen nachmals ihre
Sitze längs der Meeresküste nach beiden Seiten ausgedehnt. In frän-
kischer Zeit reicht Friesland, in West-, Mittel- und Ostfriesland zer-
fallend, vom Sinkfal bei Brügge bis an die Weser. Später erscheinen
an den Küsten und auf den Inseln des östlichen Schleswig die Nord-
friesen20, deren älteste Geschichte völlig unsicher ist. Die Friesen
des siebenten und achten Jahrhunderts haben vor der fränkischen
Unterwerfung ein gemeinsames Königtum21.

Der Stammesname der Thüringer begegnet uns erst gegen
Ende des 4. Jahrhunderts. Den Grundstock des Stammes bilden die
alten Hermunduren, von welchen wir nach der Zeit des Markomannen-

18 Die Notitia dignitatum nennt Friesen nur auf Britannien, wo 40, 36
ein tribunus cohortis primae Frixagorum (Frisiavonum) erscheint. Allein nach
Mommsen, Conscriptionsordn. S 234 weisen die britannischen Kapitel der No-
titia keine einzige sichere Spur nachdiokletianischer Abfassung auf, und ist zu
vermuten, dass sie die militärischen Verhältnisse von etwa 300 darstellen. Dass die
von Constantius angesiedelten Friesen Rekruten stellen mussten, wird von dem
Panegyriker des Constantius (Paneg. V 9) ausdrücklich hervorgehoben.
19 Noch in der Vorrede zur Lex Fris. verwarf Richthofen diese Angabe
des Ptolomaeus, indem er den pagus Hugmerki mit Grimm als Grenzgau der Friesen
gegen die Chauken (Hugen) auffasste. Allein wie er dann in den Untersuchungen
über friesische Rechtsgesch. II 754 Anm 1 dargethan hat, ist hugmerki die Flur
des Hug, Hug aber ein Pfahlwerk, das man in einem Flusse zum Fischfang oder
zur Schliessung gegen das Eindringen feindlicher Schiffer errichtete.
20 Die Frisia minor des Saxo Grammaticus.
21 Im J. 677 erscheint ein König Aldgils (vgl. den Eadgils im Vidsith), in der
Zeit Karl Martells ein König Redbad (Ratbod). v. Richthofen, Untersuchungen
über friesische RG II 349 ff.

§ 8. Das Auftreten der deutschen Stämme.
lich die auf einem Denkmal aus der Zeit des Alexander Severus
(222—235) genannten Tuihanten, die dem nachmaligen Gau Twente
den Namen gegeben haben. Noch vor dem Ende des dritten Jahr-
hunderts müssen die reichsangehörigen Friesen sich der römischen
Herrschaft entledigt haben, wie aus den Unternehmungen der Franken
am Niederrhein und an den Seeküsten geschlossen werden darf18.
Unter den Germanen, welche Constantius (Chlorus) nach dem Siege
über die Franken der batavischen Insel auf römischem Boden an-
siedelte, werden auch die Friesen genannt. Seit dem Auftreten der
Franken und Sachsen sind abgesehen von dieser Notiz die Friesen
aus dem Gesichtskreis der römischen Historiographie verschwunden
und schlieſst der Name der Sachsen bei ihr mitunter auch den der
Friesen in sich. Während sie vor der Bildung der neuen Stämme
westlich an die Kannenefaten stieſsen und im Osten durch die Ems von
den Chauken19 geschieden wurden, haben die Friesen nachmals ihre
Sitze längs der Meeresküste nach beiden Seiten ausgedehnt. In frän-
kischer Zeit reicht Friesland, in West-, Mittel- und Ostfriesland zer-
fallend, vom Sinkfal bei Brügge bis an die Weser. Später erscheinen
an den Küsten und auf den Inseln des östlichen Schleswig die Nord-
friesen20, deren älteste Geschichte völlig unsicher ist. Die Friesen
des siebenten und achten Jahrhunderts haben vor der fränkischen
Unterwerfung ein gemeinsames Königtum21.

Der Stammesname der Thüringer begegnet uns erst gegen
Ende des 4. Jahrhunderts. Den Grundstock des Stammes bilden die
alten Hermunduren, von welchen wir nach der Zeit des Markomannen-

18 Die Notitia dignitatum nennt Friesen nur auf Britannien, wo 40, 36
ein tribunus cohortis primae Frixagorum (Frisiavonum) erscheint. Allein nach
Mommsen, Conscriptionsordn. S 234 weisen die britannischen Kapitel der No-
titia keine einzige sichere Spur nachdiokletianischer Abfassung auf, und ist zu
vermuten, daſs sie die militärischen Verhältnisse von etwa 300 darstellen. Daſs die
von Constantius angesiedelten Friesen Rekruten stellen muſsten, wird von dem
Panegyriker des Constantius (Paneg. V 9) ausdrücklich hervorgehoben.
19 Noch in der Vorrede zur Lex Fris. verwarf Richthofen diese Angabe
des Ptolomaeus, indem er den pagus Hugmerki mit Grimm als Grenzgau der Friesen
gegen die Chauken (Hugen) auffaſste. Allein wie er dann in den Untersuchungen
über friesische Rechtsgesch. II 754 Anm 1 dargethan hat, ist hugmerki die Flur
des Hug, Hug aber ein Pfahlwerk, das man in einem Flusse zum Fischfang oder
zur Schlieſsung gegen das Eindringen feindlicher Schiffer errichtete.
20 Die Frisia minor des Saxo Grammaticus.
21 Im J. 677 erscheint ein König Aldgils (vgl. den Eadgils im Víđsíþ), in der
Zeit Karl Martells ein König Redbad (Ratbod). v. Richthofen, Untersuchungen
über friesische RG II 349 ff.
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[45/0063] § 8. Das Auftreten der deutschen Stämme. lich die auf einem Denkmal aus der Zeit des Alexander Severus (222—235) genannten Tuihanten, die dem nachmaligen Gau Twente den Namen gegeben haben. Noch vor dem Ende des dritten Jahr- hunderts müssen die reichsangehörigen Friesen sich der römischen Herrschaft entledigt haben, wie aus den Unternehmungen der Franken am Niederrhein und an den Seeküsten geschlossen werden darf 18. Unter den Germanen, welche Constantius (Chlorus) nach dem Siege über die Franken der batavischen Insel auf römischem Boden an- siedelte, werden auch die Friesen genannt. Seit dem Auftreten der Franken und Sachsen sind abgesehen von dieser Notiz die Friesen aus dem Gesichtskreis der römischen Historiographie verschwunden und schlieſst der Name der Sachsen bei ihr mitunter auch den der Friesen in sich. Während sie vor der Bildung der neuen Stämme westlich an die Kannenefaten stieſsen und im Osten durch die Ems von den Chauken 19 geschieden wurden, haben die Friesen nachmals ihre Sitze längs der Meeresküste nach beiden Seiten ausgedehnt. In frän- kischer Zeit reicht Friesland, in West-, Mittel- und Ostfriesland zer- fallend, vom Sinkfal bei Brügge bis an die Weser. Später erscheinen an den Küsten und auf den Inseln des östlichen Schleswig die Nord- friesen 20, deren älteste Geschichte völlig unsicher ist. Die Friesen des siebenten und achten Jahrhunderts haben vor der fränkischen Unterwerfung ein gemeinsames Königtum 21. Der Stammesname der Thüringer begegnet uns erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts. Den Grundstock des Stammes bilden die alten Hermunduren, von welchen wir nach der Zeit des Markomannen- 18 Die Notitia dignitatum nennt Friesen nur auf Britannien, wo 40, 36 ein tribunus cohortis primae Frixagorum (Frisiavonum) erscheint. Allein nach Mommsen, Conscriptionsordn. S 234 weisen die britannischen Kapitel der No- titia keine einzige sichere Spur nachdiokletianischer Abfassung auf, und ist zu vermuten, daſs sie die militärischen Verhältnisse von etwa 300 darstellen. Daſs die von Constantius angesiedelten Friesen Rekruten stellen muſsten, wird von dem Panegyriker des Constantius (Paneg. V 9) ausdrücklich hervorgehoben. 19 Noch in der Vorrede zur Lex Fris. verwarf Richthofen diese Angabe des Ptolomaeus, indem er den pagus Hugmerki mit Grimm als Grenzgau der Friesen gegen die Chauken (Hugen) auffaſste. Allein wie er dann in den Untersuchungen über friesische Rechtsgesch. II 754 Anm 1 dargethan hat, ist hugmerki die Flur des Hug, Hug aber ein Pfahlwerk, das man in einem Flusse zum Fischfang oder zur Schlieſsung gegen das Eindringen feindlicher Schiffer errichtete. 20 Die Frisia minor des Saxo Grammaticus. 21 Im J. 677 erscheint ein König Aldgils (vgl. den Eadgils im Víđsíþ), in der Zeit Karl Martells ein König Redbad (Ratbod). v. Richthofen, Untersuchungen über friesische RG II 349 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/63>, abgerufen am 21.11.2024.