Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 80. Das Herzogtum. lichem Bedürfnis eingesetzter Beamter, welcher die militärischen Kräftemehrerer Grafschaftsgaue zum Zweck der Landesverteidigung und der Friedensbewahrung und aus Anlass von Reichskriegen unter seinem Befehle vereinigt 2. Trotz des römischen Titels ist das Amt nicht den Ordnungen des römischen Reiches entlehnt. Der Dukat erscheint nicht sofort nach der Erwerbung Galliens. Erst unter Chlodovechs Söhnen sehen wir ihn in einigen Teilen des Reiches und zwar zuerst in der Auvergne aus militärischem Bedürfnis entstehen. Gegen den römischen Ursprung des Amtes spricht auch das Herzogtum der Ala- mannen und Baiern, welches zunächst mit dem Dukat in Neustrien staatsrechtlich identisch war. Rasch wächst die Zahl der Dukate in der Zeit der Bürgerkriege, als es gilt, die verschiedenen Gebiete der sich befehdenden Teilreiche gegen Landraub militärisch zu sichern 3. Bald ist der grössere Teil des fränkischen Reiches unter Herzoge auf- geteilt. Die Zahl derselben muss namentlich in Neustrien und Bur- gund zu Zeiten eine recht erhebliche gewesen sein. Ein im burgun- dischen Reiche 4 aufgebotenes Heer, welches Dagobert I. gegen die aufständischen Waskonier verwendet, hat zehn Herzoge 5. Zwanzig schickt Childebert II. gegen die Langobarden 6. Mehr als dreissig er- wähnt neben etwa 70 Grafen eine Notiz unsicheren Ursprungs, die in den Prolog der Lex Alamannorum geraten ist 7. Die einzelnen Gaue, aus welchen sich der Amtssprengel des Her- 2 Der rätselhafte quasi dux in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 12 dürfte ebenso wie l. c. IX 12 aus dem Sprachgebrauch Gregors sich erklären, bei gewissen Rede- wendungen quasi als Ausdruck der Zweckbestimmung zu verwenden. Ratharius wird in VIII 12 als dux nach Marseille gesendet. Sohm a. O. S. 478, Anm. In IX 12 hat das Heer den Godegisel als dux. Vgl. X 9 (S. 417): dimissi sunt postea multi ... cum cereis et tabulis quasi liberi et ad propria sunt regressi (über die Bedeutung dieser Stelle für die Geschichte der Freilassung siehe die Nachträge zu Band I). Vgl. noch l. c. V 18, S. 209, 15. -- Wenn sich Herzog Guntram Boso in V 14 wahrsagen lässt, dass er unter Merowech durch fünf Jahre ducatum totius regni eius tenebit, so ist dabei nicht an ein bestimmtes Amt, sondern an die füh- rende Stellung im Reiche zu denken. 3 Vgl. Glasson a. O. S. 347. 4 Aquitanien eingeschlossen. Perroud, Origines S. 46 ff. 5 Fredegar IV 78. Der Zusammenhang ergiebt, dass Amtsherzoge gemeint sind. Siehe unten Anm. 8. 6 Greg. Tur. Hist. Franc. X 3. 7 Siehe oben I 310, Anm. 10.
§ 80. Das Herzogtum. lichem Bedürfnis eingesetzter Beamter, welcher die militärischen Kräftemehrerer Grafschaftsgaue zum Zweck der Landesverteidigung und der Friedensbewahrung und aus Anlaſs von Reichskriegen unter seinem Befehle vereinigt 2. Trotz des römischen Titels ist das Amt nicht den Ordnungen des römischen Reiches entlehnt. Der Dukat erscheint nicht sofort nach der Erwerbung Galliens. Erst unter Chlodovechs Söhnen sehen wir ihn in einigen Teilen des Reiches und zwar zuerst in der Auvergne aus militärischem Bedürfnis entstehen. Gegen den römischen Ursprung des Amtes spricht auch das Herzogtum der Ala- mannen und Baiern, welches zunächst mit dem Dukat in Neustrien staatsrechtlich identisch war. Rasch wächst die Zahl der Dukate in der Zeit der Bürgerkriege, als es gilt, die verschiedenen Gebiete der sich befehdenden Teilreiche gegen Landraub militärisch zu sichern 3. Bald ist der gröſsere Teil des fränkischen Reiches unter Herzoge auf- geteilt. Die Zahl derselben muſs namentlich in Neustrien und Bur- gund zu Zeiten eine recht erhebliche gewesen sein. Ein im burgun- dischen Reiche 4 aufgebotenes Heer, welches Dagobert I. gegen die aufständischen Waskonier verwendet, hat zehn Herzoge 5. Zwanzig schickt Childebert II. gegen die Langobarden 6. Mehr als dreiſsig er- wähnt neben etwa 70 Grafen eine Notiz unsicheren Ursprungs, die in den Prolog der Lex Alamannorum geraten ist 7. Die einzelnen Gaue, aus welchen sich der Amtssprengel des Her- 2 Der rätselhafte quasi dux in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 12 dürfte ebenso wie l. c. IX 12 aus dem Sprachgebrauch Gregors sich erklären, bei gewissen Rede- wendungen quasi als Ausdruck der Zweckbestimmung zu verwenden. Ratharius wird in VIII 12 als dux nach Marseille gesendet. Sohm a. O. S. 478, Anm. In IX 12 hat das Heer den Godegisel als dux. Vgl. X 9 (S. 417): dimissi sunt postea multi … cum cereis et tabulis quasi liberi et ad propria sunt regressi (über die Bedeutung dieser Stelle für die Geschichte der Freilassung siehe die Nachträge zu Band I). Vgl. noch l. c. V 18, S. 209, 15. — Wenn sich Herzog Guntram Boso in V 14 wahrsagen läſst, daſs er unter Merowech durch fünf Jahre ducatum totius regni eius tenebit, so ist dabei nicht an ein bestimmtes Amt, sondern an die füh- rende Stellung im Reiche zu denken. 3 Vgl. Glasson a. O. S. 347. 4 Aquitanien eingeschlossen. Perroud, Origines S. 46 ff. 5 Fredegar IV 78. Der Zusammenhang ergiebt, daſs Amtsherzoge gemeint sind. Siehe unten Anm. 8. 6 Greg. Tur. Hist. Franc. X 3. 7 Siehe oben I 310, Anm. 10.
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§ 80. Das Herzogtum.
lichem Bedürfnis eingesetzter Beamter, welcher die militärischen Kräfte
mehrerer Grafschaftsgaue zum Zweck der Landesverteidigung und der
Friedensbewahrung und aus Anlaſs von Reichskriegen unter seinem
Befehle vereinigt 2. Trotz des römischen Titels ist das Amt nicht den
Ordnungen des römischen Reiches entlehnt. Der Dukat erscheint
nicht sofort nach der Erwerbung Galliens. Erst unter Chlodovechs
Söhnen sehen wir ihn in einigen Teilen des Reiches und zwar zuerst
in der Auvergne aus militärischem Bedürfnis entstehen. Gegen den
römischen Ursprung des Amtes spricht auch das Herzogtum der Ala-
mannen und Baiern, welches zunächst mit dem Dukat in Neustrien
staatsrechtlich identisch war. Rasch wächst die Zahl der Dukate in
der Zeit der Bürgerkriege, als es gilt, die verschiedenen Gebiete der
sich befehdenden Teilreiche gegen Landraub militärisch zu sichern 3.
Bald ist der gröſsere Teil des fränkischen Reiches unter Herzoge auf-
geteilt. Die Zahl derselben muſs namentlich in Neustrien und Bur-
gund zu Zeiten eine recht erhebliche gewesen sein. Ein im burgun-
dischen Reiche 4 aufgebotenes Heer, welches Dagobert I. gegen die
aufständischen Waskonier verwendet, hat zehn Herzoge 5. Zwanzig
schickt Childebert II. gegen die Langobarden 6. Mehr als dreiſsig er-
wähnt neben etwa 70 Grafen eine Notiz unsicheren Ursprungs, die
in den Prolog der Lex Alamannorum geraten ist 7.
Die einzelnen Gaue, aus welchen sich der Amtssprengel des Her-
zogs zusammensetzte, hatten regelmäſsig ihre besonderen Grafen. Doch
konnte es vorkommen, daſs der Herzog in einem Gau seines Dukats
oder in mehreren das Grafenamt selbst versah. Das Herzogtum war
nicht wie die Grafschaft eine allgemeine Einrichtung des ganzen
2 Der rätselhafte quasi dux in Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 12 dürfte ebenso
wie l. c. IX 12 aus dem Sprachgebrauch Gregors sich erklären, bei gewissen Rede-
wendungen quasi als Ausdruck der Zweckbestimmung zu verwenden. Ratharius
wird in VIII 12 als dux nach Marseille gesendet. Sohm a. O. S. 478, Anm. In
IX 12 hat das Heer den Godegisel als dux. Vgl. X 9 (S. 417): dimissi sunt postea
multi … cum cereis et tabulis quasi liberi et ad propria sunt regressi (über die
Bedeutung dieser Stelle für die Geschichte der Freilassung siehe die Nachträge zu
Band I). Vgl. noch l. c. V 18, S. 209, 15. — Wenn sich Herzog Guntram Boso
in V 14 wahrsagen läſst, daſs er unter Merowech durch fünf Jahre ducatum totius
regni eius tenebit, so ist dabei nicht an ein bestimmtes Amt, sondern an die füh-
rende Stellung im Reiche zu denken.
3 Vgl. Glasson a. O. S. 347.
4 Aquitanien eingeschlossen. Perroud, Origines S. 46 ff.
5 Fredegar IV 78. Der Zusammenhang ergiebt, daſs Amtsherzoge gemeint
sind. Siehe unten Anm. 8.
6 Greg. Tur. Hist. Franc. X 3.
7 Siehe oben I 310, Anm. 10.
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