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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 80. Das Herzogtum.
Reiches, noch hat es sich zu einem wesentlichen Bestandteil der frän-
kischen Ämterverfassung ausgelebt. Es gab zahlreiche Grafen, die
nicht unter einem Herzog standen 8. Und wo Dukate vorhanden waren,
konnte der Organismus der Reichsverwaltung die Wiederbesetzung
des erledigten Herzogsamtes entbehren und mochte es der König unter-
lassen, dem abgehenden Herzog einen Nachfolger zu geben.

Der Herzog hat die Regierung über die Einwohner seines Du-
kats 9; er hat Gerichtsgewalt und sitzt zu Gericht 10. Doch ist es un-
klar, wie seine Gerichtsbarkeit sich zu der des Grafen verhält 11.
Der Herzog schreitet ein, wo die eigene Macht des Grafen nicht aus-
reicht. Er ist an der Erhebung fiskalischer Einkünfte beteiligt. Er
führt im Kriege den Oberbefehl über die Grafen seines Dukats. In
der Zeit, da das Königtum noch Saft und Kraft hat, steht das Herzog-
tum in strenger Abhängigkeit, und sehr oft übt der König das Recht,
den von ihm ernannten dux des Amtes zu entsetzen 12. Das Bestal-
lungsformular war dasselbe für den Herzog wie für den Grafen 13.

Ein Herzog mit auszeichnendem Titel ist der Patricius 14. Er
kommt namentlich in Burgund vor und in der Provence, welche von
Patriciern ohne untergeordnete Grafen 15 verwaltet wird. Auch das

8 Fredegar sagt IV 78 von dem burgundischen Heere, dass es zehn duces
hatte: exceptis comitibus plurimis, qui ducem super se non habebant. In der De-
cretio Childeberti II. c. 3, Cap. I 15 wird die Frist der Ersitzung inter praesentes
normiert für res ad unum ducem et unum iudicem pertinentes. Da der iudex
(Graf) neben dem dux genannt wird, setzt die Stelle iudices voraus, die unter kei-
nem dux standen. Andernfalls wäre die Erwähnung des iudex widersinnig.
9 Marculf I 8: omnis populus ... sub tuo regimine et gubernatione degant
et moderentur et eos recto tramite ... regas. Fredegar IV 21: ducem super ipsos
(Wascones) .. instituunt, qui eos feliciter dominavit.
10 Lex Rib. 50, 1: si quis testis ad mallo ante centenario vel comite seu
ante duce, patricio vel regi necesse habuerit. Marculf I 8. Sohm a. O. S. 475 ff.
Ein Argument für die Jurisdiktion des dux bildet auch Decretio Childeberti II.
c. 3, oben Anm. 8, da für die Ersitzungsfrist die Einheit des höheren Gerichts-
bezirkes entscheidend ist.
11 Nach Beauchet, Organisation judiciaire S. 44 ff., konkurriert er mit dem
Grafen, dessen Gerichtsbarkeit seine Anwesenheit niederlegt. Siehe dagegen Sohm
a. O. S. 474 ff. und unten Anm. 15.
12 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 24. 43, VIII 30, IX 7. 12. 14. Nach Fredegar
IV 8 setzt Childebert II. den Alamannenherzog Liutfrid ab und ernennt Uncilen
zum Nachfolger. Dieser wurde 607 wegen Missachtung eines königlichen Befehls
verstümmelt und seines Vermögens beraubt. Fredegar IV 28. Stälin, Wirtemb.
Geschichte I 175.
13 Marculf I 8.
14 Sohm a. O. S. 455, Anm. 1.
15 Darum ist es unzulässig, Zeugnisse, welche die Provence betreffen, für das

§ 80. Das Herzogtum.
Reiches, noch hat es sich zu einem wesentlichen Bestandteil der frän-
kischen Ämterverfassung ausgelebt. Es gab zahlreiche Grafen, die
nicht unter einem Herzog standen 8. Und wo Dukate vorhanden waren,
konnte der Organismus der Reichsverwaltung die Wiederbesetzung
des erledigten Herzogsamtes entbehren und mochte es der König unter-
lassen, dem abgehenden Herzog einen Nachfolger zu geben.

Der Herzog hat die Regierung über die Einwohner seines Du-
kats 9; er hat Gerichtsgewalt und sitzt zu Gericht 10. Doch ist es un-
klar, wie seine Gerichtsbarkeit sich zu der des Grafen verhält 11.
Der Herzog schreitet ein, wo die eigene Macht des Grafen nicht aus-
reicht. Er ist an der Erhebung fiskalischer Einkünfte beteiligt. Er
führt im Kriege den Oberbefehl über die Grafen seines Dukats. In
der Zeit, da das Königtum noch Saft und Kraft hat, steht das Herzog-
tum in strenger Abhängigkeit, und sehr oft übt der König das Recht,
den von ihm ernannten dux des Amtes zu entsetzen 12. Das Bestal-
lungsformular war dasselbe für den Herzog wie für den Grafen 13.

Ein Herzog mit auszeichnendem Titel ist der Patricius 14. Er
kommt namentlich in Burgund vor und in der Provence, welche von
Patriciern ohne untergeordnete Grafen 15 verwaltet wird. Auch das

8 Fredegar sagt IV 78 von dem burgundischen Heere, daſs es zehn duces
hatte: exceptis comitibus plurimis, qui ducem super se non habebant. In der De-
cretio Childeberti II. c. 3, Cap. I 15 wird die Frist der Ersitzung inter praesentes
normiert für res ad unum ducem et unum iudicem pertinentes. Da der iudex
(Graf) neben dem dux genannt wird, setzt die Stelle iudices voraus, die unter kei-
nem dux standen. Andernfalls wäre die Erwähnung des iudex widersinnig.
9 Marculf I 8: omnis populus … sub tuo regimine et gubernatione degant
et moderentur et eos recto tramite … regas. Fredegar IV 21: ducem super ipsos
(Wascones) .. instituunt, qui eos feliciter dominavit.
10 Lex Rib. 50, 1: si quis testis ad mallo ante centenario vel comite seu
ante duce, patricio vel regi necesse habuerit. Marculf I 8. Sohm a. O. S. 475 ff.
Ein Argument für die Jurisdiktion des dux bildet auch Decretio Childeberti II.
c. 3, oben Anm. 8, da für die Ersitzungsfrist die Einheit des höheren Gerichts-
bezirkes entscheidend ist.
11 Nach Beauchet, Organisation judiciaire S. 44 ff., konkurriert er mit dem
Grafen, dessen Gerichtsbarkeit seine Anwesenheit niederlegt. Siehe dagegen Sohm
a. O. S. 474 ff. und unten Anm. 15.
12 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 24. 43, VIII 30, IX 7. 12. 14. Nach Fredegar
IV 8 setzt Childebert II. den Alamannenherzog Liutfrid ab und ernennt Uncilen
zum Nachfolger. Dieser wurde 607 wegen Miſsachtung eines königlichen Befehls
verstümmelt und seines Vermögens beraubt. Fredegar IV 28. Stälin, Wirtemb.
Geschichte I 175.
13 Marculf I 8.
14 Sohm a. O. S. 455, Anm. 1.
15 Darum ist es unzulässig, Zeugnisse, welche die Provence betreffen, für das
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[156/0174] § 80. Das Herzogtum. Reiches, noch hat es sich zu einem wesentlichen Bestandteil der frän- kischen Ämterverfassung ausgelebt. Es gab zahlreiche Grafen, die nicht unter einem Herzog standen 8. Und wo Dukate vorhanden waren, konnte der Organismus der Reichsverwaltung die Wiederbesetzung des erledigten Herzogsamtes entbehren und mochte es der König unter- lassen, dem abgehenden Herzog einen Nachfolger zu geben. Der Herzog hat die Regierung über die Einwohner seines Du- kats 9; er hat Gerichtsgewalt und sitzt zu Gericht 10. Doch ist es un- klar, wie seine Gerichtsbarkeit sich zu der des Grafen verhält 11. Der Herzog schreitet ein, wo die eigene Macht des Grafen nicht aus- reicht. Er ist an der Erhebung fiskalischer Einkünfte beteiligt. Er führt im Kriege den Oberbefehl über die Grafen seines Dukats. In der Zeit, da das Königtum noch Saft und Kraft hat, steht das Herzog- tum in strenger Abhängigkeit, und sehr oft übt der König das Recht, den von ihm ernannten dux des Amtes zu entsetzen 12. Das Bestal- lungsformular war dasselbe für den Herzog wie für den Grafen 13. Ein Herzog mit auszeichnendem Titel ist der Patricius 14. Er kommt namentlich in Burgund vor und in der Provence, welche von Patriciern ohne untergeordnete Grafen 15 verwaltet wird. Auch das 8 Fredegar sagt IV 78 von dem burgundischen Heere, daſs es zehn duces hatte: exceptis comitibus plurimis, qui ducem super se non habebant. In der De- cretio Childeberti II. c. 3, Cap. I 15 wird die Frist der Ersitzung inter praesentes normiert für res ad unum ducem et unum iudicem pertinentes. Da der iudex (Graf) neben dem dux genannt wird, setzt die Stelle iudices voraus, die unter kei- nem dux standen. Andernfalls wäre die Erwähnung des iudex widersinnig. 9 Marculf I 8: omnis populus … sub tuo regimine et gubernatione degant et moderentur et eos recto tramite … regas. Fredegar IV 21: ducem super ipsos (Wascones) .. instituunt, qui eos feliciter dominavit. 10 Lex Rib. 50, 1: si quis testis ad mallo ante centenario vel comite seu ante duce, patricio vel regi necesse habuerit. Marculf I 8. Sohm a. O. S. 475 ff. Ein Argument für die Jurisdiktion des dux bildet auch Decretio Childeberti II. c. 3, oben Anm. 8, da für die Ersitzungsfrist die Einheit des höheren Gerichts- bezirkes entscheidend ist. 11 Nach Beauchet, Organisation judiciaire S. 44 ff., konkurriert er mit dem Grafen, dessen Gerichtsbarkeit seine Anwesenheit niederlegt. Siehe dagegen Sohm a. O. S. 474 ff. und unten Anm. 15. 12 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 24. 43, VIII 30, IX 7. 12. 14. Nach Fredegar IV 8 setzt Childebert II. den Alamannenherzog Liutfrid ab und ernennt Uncilen zum Nachfolger. Dieser wurde 607 wegen Miſsachtung eines königlichen Befehls verstümmelt und seines Vermögens beraubt. Fredegar IV 28. Stälin, Wirtemb. Geschichte I 175. 13 Marculf I 8. 14 Sohm a. O. S. 455, Anm. 1. 15 Darum ist es unzulässig, Zeugnisse, welche die Provence betreffen, für das

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/174>, abgerufen am 21.11.2024.