Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 82. Centenar und Vikar. wandt ist, hat bei den Sachsen in nachfränkischer Zeit ein von derGemeinde des Gos13 gewählter Richter, der Gograf (gogreve)14. Noch heute bewahren Namen und Amt des Hunnen die aus Niederfranken stammenden Siebenbürger Sachsen15. In den romanischen Gebieten Galliens ist nach der Eroberung VG VII 319, VIII 75. Lacomblet, Die Hundschaften am Niederrhein, Archiv für die Gesch. des Niederrheins I 210. Zöpfl, RA I 288. Kühne, Das Hunde- korn 1879, S. 113 (aus Balt. Studien XXIX). Schröder, RG S. 547. 558. 13 Siehe oben S. 146, Anm. 27. 14 Ssp. Ldr. I 56. Schröder, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 1885, S. 62 f. 15 Der bäuerliche Gemeindevorsteher heisst Han (Hon) im Altlande und im Burzenlande, dagegen Grebe (vgl. greve) im Nösner Lande (Bistritzer Gegend), wie mir mündlich mitgeteilt wurde. 16 Die massgebenden Quellen kennen es nicht. Waitz, VG II 2, S. 14, Anm. 1. Von den Formeln für Privaturkunden dürfte Form. Lindenbrog. 17, Zeumer S. 278, die älteste Fundstelle des Centenars sein. Von den Formeln für Königsurkunden nennen ihn Add. Marc. 2, Zeumer S. 111, Cartae Senon. 28. 35. 36 und die formulae imperiales. In den Aufzählungen der Beamten, wie sie die pro- mulgatio der Königsurkunden (s. oben I 394, Anm. 12) nicht selten enthält, bringen den Centenar zuerst Urkunden Pippins aus den Jahren 748--751, Pertz, Dipl. A. Nr. 19. 20. 23, Mühlbacher Nr. 61. 60. 58. Jene Centenare, deren Wahl der pactus pro tenore pacis Childeberts I. und Chlothars I. vorschrieb, hatten nur polizeiliche, nicht richterliche Funktionen. Siehe oben S. 147 f. 17 Über den westgotischen Vikar siehe Dahn, Könige VI 335 f. 18 Arg. Ed. Guntchr. v. J. 585, Cap. I 12, eine Stelle, die ich mit Sohm und anderen dahin verstehe, dass die iudices gerecht richten und auch nicht durch die von ihnen bestellten Vertreter Ungerechtigkeiten begehen sollen (non vicarios aut quoscunque de latere suo ... instituere vel destinare praesumant, qui, quod absit, malis operibus consentiendo venalitatem exerceant aut iniqua quibuscumque spolia inferre praesumant). Der iudex ist für die Thätigkeit seiner Vikare und missi verantwortlich. Die Ernennung des Vikars durch den Grafen ergiebt sich für die karolingische Zeit aus dem indiculus comitis ad vicarium in form. Merkel. 51. 19 Greg. Tur. Hist. Franc. X, 5 erwähnt einen Vikar, von dem gesagt wird,
dass er einen pagus iudiciaria regebat potestate. § 82. Centenar und Vikar. wandt ist, hat bei den Sachsen in nachfränkischer Zeit ein von derGemeinde des Gos13 gewählter Richter, der Gograf (gogreve)14. Noch heute bewahren Namen und Amt des Hunnen die aus Niederfranken stammenden Siebenbürger Sachsen15. In den romanischen Gebieten Galliens ist nach der Eroberung VG VII 319, VIII 75. Lacomblet, Die Hundschaften am Niederrhein, Archiv für die Gesch. des Niederrheins I 210. Zöpfl, RA I 288. Kühne, Das Hunde- korn 1879, S. 113 (aus Balt. Studien XXIX). Schröder, RG S. 547. 558. 13 Siehe oben S. 146, Anm. 27. 14 Ssp. Ldr. I 56. Schröder, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 1885, S. 62 f. 15 Der bäuerliche Gemeindevorsteher heiſst Han (Hon) im Altlande und im Burzenlande, dagegen Grebe (vgl. greve) im Nösner Lande (Bistritzer Gegend), wie mir mündlich mitgeteilt wurde. 16 Die maſsgebenden Quellen kennen es nicht. Waitz, VG II 2, S. 14, Anm. 1. Von den Formeln für Privaturkunden dürfte Form. Lindenbrog. 17, Zeumer S. 278, die älteste Fundstelle des Centenars sein. Von den Formeln für Königsurkunden nennen ihn Add. Marc. 2, Zeumer S. 111, Cartae Senon. 28. 35. 36 und die formulae imperiales. In den Aufzählungen der Beamten, wie sie die pro- mulgatio der Königsurkunden (s. oben I 394, Anm. 12) nicht selten enthält, bringen den Centenar zuerst Urkunden Pippins aus den Jahren 748—751, Pertz, Dipl. A. Nr. 19. 20. 23, Mühlbacher Nr. 61. 60. 58. Jene Centenare, deren Wahl der pactus pro tenore pacis Childeberts I. und Chlothars I. vorschrieb, hatten nur polizeiliche, nicht richterliche Funktionen. Siehe oben S. 147 f. 17 Über den westgotischen Vikar siehe Dahn, Könige VI 335 f. 18 Arg. Ed. Guntchr. v. J. 585, Cap. I 12, eine Stelle, die ich mit Sohm und anderen dahin verstehe, daſs die iudices gerecht richten und auch nicht durch die von ihnen bestellten Vertreter Ungerechtigkeiten begehen sollen (non vicarios aut quoscunque de latere suo … instituere vel destinare praesumant, qui, quod absit, malis operibus consentiendo venalitatem exerceant aut iniqua quibuscumque spolia inferre praesumant). Der iudex ist für die Thätigkeit seiner Vikare und missi verantwortlich. Die Ernennung des Vikars durch den Grafen ergiebt sich für die karolingische Zeit aus dem indiculus comitis ad vicarium in form. Merkel. 51. 19 Greg. Tur. Hist. Franc. X, 5 erwähnt einen Vikar, von dem gesagt wird,
daſs er einen pagus iudiciaria regebat potestate. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0194" n="176"/><fw place="top" type="header">§ 82. Centenar und Vikar.</fw><lb/> wandt ist, hat bei den Sachsen in nachfränkischer Zeit ein von der<lb/> Gemeinde des Gos<note place="foot" n="13">Siehe oben S. 146, Anm. 27.</note> gewählter Richter, der Gograf (gogreve)<note place="foot" n="14">Ssp. Ldr. I 56. <hi rendition="#g">Schröder</hi>, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels<lb/> 1885, S. 62 f.</note>. Noch<lb/> heute bewahren Namen und Amt des Hunnen die aus Niederfranken<lb/> stammenden Siebenbürger Sachsen<note place="foot" n="15">Der bäuerliche Gemeindevorsteher heiſst Han (Hon) im Altlande und im<lb/> Burzenlande, dagegen Grebe (vgl. greve) im Nösner Lande (Bistritzer Gegend), wie<lb/> mir mündlich mitgeteilt wurde.</note>.</p><lb/> <p>In den romanischen Gebieten Galliens ist nach der Eroberung<lb/> das Amt des Centenars ebensowenig eingeführt worden wie das des<lb/> Thungins<note place="foot" n="16">Die maſsgebenden Quellen kennen es nicht. <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 2, S. 14,<lb/> Anm. 1. Von den Formeln für Privaturkunden dürfte Form. Lindenbrog. 17,<lb/> Zeumer S. 278, die älteste Fundstelle des Centenars sein. Von den Formeln für<lb/> Königsurkunden nennen ihn Add. Marc. 2, Zeumer S. 111, Cartae Senon. 28. 35. 36<lb/> und die formulae imperiales. In den Aufzählungen der Beamten, wie sie die pro-<lb/> mulgatio der Königsurkunden (s. oben I 394, Anm. 12) nicht selten enthält, bringen<lb/> den Centenar zuerst Urkunden Pippins aus den Jahren 748—751, Pertz, Dipl. A.<lb/> Nr. 19. 20. 23, Mühlbacher Nr. 61. 60. 58. Jene Centenare, deren Wahl der pactus<lb/> pro tenore pacis Childeberts I. und Chlothars I. vorschrieb, hatten nur polizeiliche,<lb/> nicht richterliche Funktionen. Siehe oben S. 147 f.</note>. Dagegen kennen sie einen Unterbeamten des Grafen,<lb/> der den Namen vicarius führt<note place="foot" n="17">Über den westgotischen Vikar siehe <hi rendition="#g">Dahn</hi>, Könige VI 335 f.</note>. Er ist der eigentliche minister<lb/> comitis, ein Hilfsbeamter, den der Graf sich selbst bestellt<note place="foot" n="18">Arg. Ed. Guntchr. v. J. 585, Cap. I 12, eine Stelle, die ich mit Sohm und<lb/> anderen dahin verstehe, daſs die iudices gerecht richten und auch nicht durch die<lb/> von ihnen bestellten Vertreter Ungerechtigkeiten begehen sollen (non vicarios aut<lb/> quoscunque de latere suo … instituere vel destinare praesumant, qui, quod absit,<lb/> malis operibus consentiendo venalitatem exerceant aut iniqua quibuscumque spolia<lb/> inferre praesumant). Der iudex ist für die Thätigkeit seiner Vikare und missi<lb/> verantwortlich. Die Ernennung des Vikars durch den Grafen ergiebt sich für die<lb/> karolingische Zeit aus dem indiculus comitis ad vicarium in form. Merkel. 51.</note>. Vom<lb/> Grafen hing es wohl auch ab, ob er den Vikar für die ganze Graf-<lb/> schaft oder, was wohl die Regel war, nur für einen Unterbezirk der-<lb/> selben ernannte. Der Vikar hatte richterliche Stellung<note place="foot" n="19">Greg. Tur. Hist. Franc. X, 5 erwähnt einen Vikar, von dem gesagt wird,<lb/> daſs er einen pagus iudiciaria regebat potestate.</note>. Formeln<lb/> aus dem Beginn der karolingischen Zeit zeigen ihn als vorsitzenden<lb/> Richter des mallus publicus und zwar u. a. auch in Liegenschafts-<lb/> und Freiheitsprozessen. Hie und da begegnet uns ein Unterbeamter,<lb/><note xml:id="seg2pn_41_2" prev="#seg2pn_41_1" place="foot" n="12">VG VII 319, VIII 75. <hi rendition="#g">Lacomblet</hi>, Die Hundschaften am Niederrhein, Archiv<lb/> für die Gesch. des Niederrheins I 210. <hi rendition="#g">Zöpfl</hi>, RA I 288. <hi rendition="#g">Kühne</hi>, Das Hunde-<lb/> korn 1879, S. 113 (aus Balt. Studien XXIX). <hi rendition="#g">Schröder</hi>, RG S. 547. 558.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0194]
§ 82. Centenar und Vikar.
wandt ist, hat bei den Sachsen in nachfränkischer Zeit ein von der
Gemeinde des Gos 13 gewählter Richter, der Gograf (gogreve) 14. Noch
heute bewahren Namen und Amt des Hunnen die aus Niederfranken
stammenden Siebenbürger Sachsen 15.
In den romanischen Gebieten Galliens ist nach der Eroberung
das Amt des Centenars ebensowenig eingeführt worden wie das des
Thungins 16. Dagegen kennen sie einen Unterbeamten des Grafen,
der den Namen vicarius führt 17. Er ist der eigentliche minister
comitis, ein Hilfsbeamter, den der Graf sich selbst bestellt 18. Vom
Grafen hing es wohl auch ab, ob er den Vikar für die ganze Graf-
schaft oder, was wohl die Regel war, nur für einen Unterbezirk der-
selben ernannte. Der Vikar hatte richterliche Stellung 19. Formeln
aus dem Beginn der karolingischen Zeit zeigen ihn als vorsitzenden
Richter des mallus publicus und zwar u. a. auch in Liegenschafts-
und Freiheitsprozessen. Hie und da begegnet uns ein Unterbeamter,
12
13 Siehe oben S. 146, Anm. 27.
14 Ssp. Ldr. I 56. Schröder, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels
1885, S. 62 f.
15 Der bäuerliche Gemeindevorsteher heiſst Han (Hon) im Altlande und im
Burzenlande, dagegen Grebe (vgl. greve) im Nösner Lande (Bistritzer Gegend), wie
mir mündlich mitgeteilt wurde.
16 Die maſsgebenden Quellen kennen es nicht. Waitz, VG II 2, S. 14,
Anm. 1. Von den Formeln für Privaturkunden dürfte Form. Lindenbrog. 17,
Zeumer S. 278, die älteste Fundstelle des Centenars sein. Von den Formeln für
Königsurkunden nennen ihn Add. Marc. 2, Zeumer S. 111, Cartae Senon. 28. 35. 36
und die formulae imperiales. In den Aufzählungen der Beamten, wie sie die pro-
mulgatio der Königsurkunden (s. oben I 394, Anm. 12) nicht selten enthält, bringen
den Centenar zuerst Urkunden Pippins aus den Jahren 748—751, Pertz, Dipl. A.
Nr. 19. 20. 23, Mühlbacher Nr. 61. 60. 58. Jene Centenare, deren Wahl der pactus
pro tenore pacis Childeberts I. und Chlothars I. vorschrieb, hatten nur polizeiliche,
nicht richterliche Funktionen. Siehe oben S. 147 f.
17 Über den westgotischen Vikar siehe Dahn, Könige VI 335 f.
18 Arg. Ed. Guntchr. v. J. 585, Cap. I 12, eine Stelle, die ich mit Sohm und
anderen dahin verstehe, daſs die iudices gerecht richten und auch nicht durch die
von ihnen bestellten Vertreter Ungerechtigkeiten begehen sollen (non vicarios aut
quoscunque de latere suo … instituere vel destinare praesumant, qui, quod absit,
malis operibus consentiendo venalitatem exerceant aut iniqua quibuscumque spolia
inferre praesumant). Der iudex ist für die Thätigkeit seiner Vikare und missi
verantwortlich. Die Ernennung des Vikars durch den Grafen ergiebt sich für die
karolingische Zeit aus dem indiculus comitis ad vicarium in form. Merkel. 51.
19 Greg. Tur. Hist. Franc. X, 5 erwähnt einen Vikar, von dem gesagt wird,
daſs er einen pagus iudiciaria regebat potestate.
12 VG VII 319, VIII 75. Lacomblet, Die Hundschaften am Niederrhein, Archiv
für die Gesch. des Niederrheins I 210. Zöpfl, RA I 288. Kühne, Das Hunde-
korn 1879, S. 113 (aus Balt. Studien XXIX). Schröder, RG S. 547. 558.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |