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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
Höhe der Beisteuer bestimmen sollte. Der Zug der thatsächlichen
Verhältnisse führte dann dahin, dass der Graf einen tauglichen Mann
stellte und ihn mittelst der Beisteuern ausrüstete, welche er den Da-
heimbleibenden auferlegte. Dabei war es ihm sicherlich nicht ver-
wehrt, den Wehrmann aus seinen abhängigen Leuten zu nehmen.

Während die Heerverwaltung sich genötigt sah, die Last der
Heerfahrt zu Gunsten der kleineren Leute zu erleichtern, wurde der
Kriegsdienst, den diese noch zu leisten vermochten, durch eine Ände-
rung in der Technik des Heerwesens mehr und mehr entwertet19.
Die fränkischen Krieger der merowingischen Zeit kämpften fast aus-
nahmelos zu Fuss. Im sechsten Jahrhundert waren bei den Franken
nur die Gefolgsleute der Heerführer beritten und mit Lanzen aus-
gerüstet, während die Fusstruppen Schwert, Schild und Streitaxt (bi-
pennis, francisca) trugen. Noch pflegte man in jener keilförmigen
Schlachtordnung anzugreifen, wie sie von Alters her dem germanischen
Fussvolk eigentümlich, dagegen für Reiterheere schlechterdings un-
brauchbar war. Im achten Jahrhundert verschiebt sich das her-
gebrachte Verhältnis zwischen Fussvolk und Reiterei. Diese gewinnt
das Übergewicht. Die Änderung setzt im äussersten Südwesten der
Monarchie ein. Zuerst lässt sich das Reiterwesen bei den Westgoten
und Aquitaniern nachweisen. Langsam rückt es nach Osten vor. Den
Anstoss zur Umwandlung des Kriegsdienstes gaben wahrscheinlich die
Einfälle der Araber, die nur durch eine schlagfertige Reiterei auf die
Dauer abgewehrt werden konnten. Die Anfänge der Reform reichen
bis in das letzte Jahrzehnt Karl Martells zurück und hängen enge
mit den Massregeln zusammen, durch welche dieser und seine Söhne
einen grossen Teil des Kirchengutes militärischen Zwecken dienstbar
machten. Da nämlich die erforderliche Reiterei nicht durch plötz-
liche Umformung der allgemeinen Wehrpflicht zu schaffen war, wur-
den zahlreiche Kirchengüter an fränkische Grosse verliehen20, die

tuor vel si necesse fuerit amplius, uni, qui melior esse videtur, adiutorium prae-
beant ad nostrum servicium faciendum.
19 Über die Ausbildung des Reiterwesens bei den Franken siehe Z2 f. RG
VIII 1 ff., wo die Belege aus den Quellen zusammengestellt sind.
20 Die aus dem Kirchengut unmittelbar verliehenen Güter hatten grossen Um-
fang. Aus dem Cap. Haristallense v. J. 779, c. 13, I 50, lässt sich erschliessen,
dass es Güter von 50, 30 und 20 Hufen waren. Über die Verwendung des Kirchen-
gutes zur Ausrüstung von Reitern siehe die Z2 f. RG VIII 33 ff. angeführten Stellen.
Helle Beleuchtung erhält das bei den Secularisationen eingehaltene Verfahren durch
eine Urkunde v. J. 890, Gallia christiana XIV, col. 53, Nr. 37 (H. 432): Propst und
Vogt der Kirche von Tours klagen zu Tours vor dem Grafen Rotbert, der zugleich

§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
Höhe der Beisteuer bestimmen sollte. Der Zug der thatsächlichen
Verhältnisse führte dann dahin, daſs der Graf einen tauglichen Mann
stellte und ihn mittelst der Beisteuern ausrüstete, welche er den Da-
heimbleibenden auferlegte. Dabei war es ihm sicherlich nicht ver-
wehrt, den Wehrmann aus seinen abhängigen Leuten zu nehmen.

Während die Heerverwaltung sich genötigt sah, die Last der
Heerfahrt zu Gunsten der kleineren Leute zu erleichtern, wurde der
Kriegsdienst, den diese noch zu leisten vermochten, durch eine Ände-
rung in der Technik des Heerwesens mehr und mehr entwertet19.
Die fränkischen Krieger der merowingischen Zeit kämpften fast aus-
nahmelos zu Fuſs. Im sechsten Jahrhundert waren bei den Franken
nur die Gefolgsleute der Heerführer beritten und mit Lanzen aus-
gerüstet, während die Fuſstruppen Schwert, Schild und Streitaxt (bi-
pennis, francisca) trugen. Noch pflegte man in jener keilförmigen
Schlachtordnung anzugreifen, wie sie von Alters her dem germanischen
Fuſsvolk eigentümlich, dagegen für Reiterheere schlechterdings un-
brauchbar war. Im achten Jahrhundert verschiebt sich das her-
gebrachte Verhältnis zwischen Fuſsvolk und Reiterei. Diese gewinnt
das Übergewicht. Die Änderung setzt im äuſsersten Südwesten der
Monarchie ein. Zuerst läſst sich das Reiterwesen bei den Westgoten
und Aquitaniern nachweisen. Langsam rückt es nach Osten vor. Den
Anstoſs zur Umwandlung des Kriegsdienstes gaben wahrscheinlich die
Einfälle der Araber, die nur durch eine schlagfertige Reiterei auf die
Dauer abgewehrt werden konnten. Die Anfänge der Reform reichen
bis in das letzte Jahrzehnt Karl Martells zurück und hängen enge
mit den Maſsregeln zusammen, durch welche dieser und seine Söhne
einen groſsen Teil des Kirchengutes militärischen Zwecken dienstbar
machten. Da nämlich die erforderliche Reiterei nicht durch plötz-
liche Umformung der allgemeinen Wehrpflicht zu schaffen war, wur-
den zahlreiche Kirchengüter an fränkische Groſse verliehen20, die

tuor vel si necesse fuerit amplius, uni, qui melior esse videtur, adiutorium prae-
beant ad nostrum servicium faciendum.
19 Über die Ausbildung des Reiterwesens bei den Franken siehe Z2 f. RG
VIII 1 ff., wo die Belege aus den Quellen zusammengestellt sind.
20 Die aus dem Kirchengut unmittelbar verliehenen Güter hatten groſsen Um-
fang. Aus dem Cap. Haristallense v. J. 779, c. 13, I 50, läſst sich erschlieſsen,
daſs es Güter von 50, 30 und 20 Hufen waren. Über die Verwendung des Kirchen-
gutes zur Ausrüstung von Reitern siehe die Z2 f. RG VIII 33 ff. angeführten Stellen.
Helle Beleuchtung erhält das bei den Secularisationen eingehaltene Verfahren durch
eine Urkunde v. J. 890, Gallia christiana XIV, col. 53, Nr. 37 (H. 432): Propst und
Vogt der Kirche von Tours klagen zu Tours vor dem Grafen Rotbert, der zugleich
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[207/0225] § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. Höhe der Beisteuer bestimmen sollte. Der Zug der thatsächlichen Verhältnisse führte dann dahin, daſs der Graf einen tauglichen Mann stellte und ihn mittelst der Beisteuern ausrüstete, welche er den Da- heimbleibenden auferlegte. Dabei war es ihm sicherlich nicht ver- wehrt, den Wehrmann aus seinen abhängigen Leuten zu nehmen. Während die Heerverwaltung sich genötigt sah, die Last der Heerfahrt zu Gunsten der kleineren Leute zu erleichtern, wurde der Kriegsdienst, den diese noch zu leisten vermochten, durch eine Ände- rung in der Technik des Heerwesens mehr und mehr entwertet 19. Die fränkischen Krieger der merowingischen Zeit kämpften fast aus- nahmelos zu Fuſs. Im sechsten Jahrhundert waren bei den Franken nur die Gefolgsleute der Heerführer beritten und mit Lanzen aus- gerüstet, während die Fuſstruppen Schwert, Schild und Streitaxt (bi- pennis, francisca) trugen. Noch pflegte man in jener keilförmigen Schlachtordnung anzugreifen, wie sie von Alters her dem germanischen Fuſsvolk eigentümlich, dagegen für Reiterheere schlechterdings un- brauchbar war. Im achten Jahrhundert verschiebt sich das her- gebrachte Verhältnis zwischen Fuſsvolk und Reiterei. Diese gewinnt das Übergewicht. Die Änderung setzt im äuſsersten Südwesten der Monarchie ein. Zuerst läſst sich das Reiterwesen bei den Westgoten und Aquitaniern nachweisen. Langsam rückt es nach Osten vor. Den Anstoſs zur Umwandlung des Kriegsdienstes gaben wahrscheinlich die Einfälle der Araber, die nur durch eine schlagfertige Reiterei auf die Dauer abgewehrt werden konnten. Die Anfänge der Reform reichen bis in das letzte Jahrzehnt Karl Martells zurück und hängen enge mit den Maſsregeln zusammen, durch welche dieser und seine Söhne einen groſsen Teil des Kirchengutes militärischen Zwecken dienstbar machten. Da nämlich die erforderliche Reiterei nicht durch plötz- liche Umformung der allgemeinen Wehrpflicht zu schaffen war, wur- den zahlreiche Kirchengüter an fränkische Groſse verliehen 20, die 18 19 Über die Ausbildung des Reiterwesens bei den Franken siehe Z2 f. RG VIII 1 ff., wo die Belege aus den Quellen zusammengestellt sind. 20 Die aus dem Kirchengut unmittelbar verliehenen Güter hatten groſsen Um- fang. Aus dem Cap. Haristallense v. J. 779, c. 13, I 50, läſst sich erschlieſsen, daſs es Güter von 50, 30 und 20 Hufen waren. Über die Verwendung des Kirchen- gutes zur Ausrüstung von Reitern siehe die Z2 f. RG VIII 33 ff. angeführten Stellen. Helle Beleuchtung erhält das bei den Secularisationen eingehaltene Verfahren durch eine Urkunde v. J. 890, Gallia christiana XIV, col. 53, Nr. 37 (H. 432): Propst und Vogt der Kirche von Tours klagen zu Tours vor dem Grafen Rotbert, der zugleich 18 tuor vel si necesse fuerit amplius, uni, qui melior esse videtur, adiutorium prae- beant ad nostrum servicium faciendum.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/225>, abgerufen am 21.11.2024.