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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.

Andere Aufgebote lassen eine von vornherein fixierte Vermögens-
grenze vermissen. Schon Karl der Grosse bot gelegentlich bei den
Friesen nur diejenigen zu persönlichem Heerdienste auf, die ein Streit-
ross hatten, während von den übrigen je sechs einen siebenten aus-
rüsten sollten13. Ebenso rief Karl II. i. J. 864 von den 'pagenses
Franci' nur jene ins Feld, die Pferde hatten oder haben konnten14.
Ein Aufgebot Lothars v. J. 825 teilte die Gemeinfreien ein in solche, die
persönlich zu dienen vermochten, in liberi secundi ordinis, deren zwei,
drei, vier oder mehrere einen aus ihrer Mitte ausrüsten, und in solche,
die nicht einmal eine Beisteuer zahlen konnten. Dabei wurde die
Höhe der Beisteuer in das Ermessen der Grafen gestellt15. Ein
Kapitular Ludwigs I. von 829 trug den Missi auf, Stammrollen der
dienstfähigen Leute anzulegen und darin jene zu verzeichnen, die
persönlich ausziehen, sowie jene, von welchen zwei bis sechs je einen
Mann stellen können16. Den Massstab der Dienstfähigkeit scheint da-
mals der Besitz eines Kriegspferdes gebildet zu haben17.

Eine endgültige Regelung der Heerfolge war durch keine der
einzelnen Mobilisierungsordres beabsichtigt. Das Dauernde im Wechsel
blieb die Beschränkung des persönlichen Dienstes auf die Reicheren
und die Heranziehung der Minderbemittelten zur Zahlung einer Bei-
steuer, adiutorium, coniectus. Die Bildung der Gruppen war ursprüng-
lich wohl auf freiwilliges Zusammentreten der Genossen berechnet,
die einen aus ihrer Mitte auswählen und durch Zahlung der Beisteuer
ausrüsten sollten. Allein von dem genossenschaftlichen Heerdienst
blieb schliesslich nichts übrig, als eine Kriegssteuer derjenigen, die
den persönlichen Heerdienst nicht leisten konnten. Das Interesse des
Heerwesens verlangte, dass der Graf prüfe, wer von mehreren der
tauglichste sei. Schon Lothar stellte 825 die Auswahl des Wehr-
manns schlechtweg der 'fidelitas' des Grafen anheim18, der auch die

mehr als zehn Solidi haben, werden nur zu Wachtdienst an den Küsten und
Landesgrenzen verwendet. Wer nicht mehr als zehn Solidi hat, ist völlig frei.
13 Cap. de causis diversis c. 3, I 136.
14 Karoli II ed. Pist. v. J. 864, c. 26, Pertz, LL I 494.
15 Cap. de exped. Corsicana v. J. 825, c. 3, I 325. Für die Dienstfähigkeit
kam es wohl auf den Besitz eines Pferdes an. Denn bei den Langobarden war
schon unter König Ratchis der normale Kriegsdienst Reiterdienst. Z2 f. RG
VIII 13.
16 Cap. miss. c. 5, II 10. Vgl. Cap. II 7, c. 7 und II 5 A. l. 10 ff.
17 Vgl. Prenzel a. O. S. 40.
18 Cap. Olonn. c. 1, I 329: de mediocribus quippe liberis, qui non possunt
per se hostem facere, comitum fidelitati committimus, ut inter duos aut tres seu qua-
§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.

Andere Aufgebote lassen eine von vornherein fixierte Vermögens-
grenze vermissen. Schon Karl der Groſse bot gelegentlich bei den
Friesen nur diejenigen zu persönlichem Heerdienste auf, die ein Streit-
roſs hatten, während von den übrigen je sechs einen siebenten aus-
rüsten sollten13. Ebenso rief Karl II. i. J. 864 von den ‘pagenses
Franci’ nur jene ins Feld, die Pferde hatten oder haben konnten14.
Ein Aufgebot Lothars v. J. 825 teilte die Gemeinfreien ein in solche, die
persönlich zu dienen vermochten, in liberi secundi ordinis, deren zwei,
drei, vier oder mehrere einen aus ihrer Mitte ausrüsten, und in solche,
die nicht einmal eine Beisteuer zahlen konnten. Dabei wurde die
Höhe der Beisteuer in das Ermessen der Grafen gestellt15. Ein
Kapitular Ludwigs I. von 829 trug den Missi auf, Stammrollen der
dienstfähigen Leute anzulegen und darin jene zu verzeichnen, die
persönlich ausziehen, sowie jene, von welchen zwei bis sechs je einen
Mann stellen können16. Den Maſsstab der Dienstfähigkeit scheint da-
mals der Besitz eines Kriegspferdes gebildet zu haben17.

Eine endgültige Regelung der Heerfolge war durch keine der
einzelnen Mobilisierungsordres beabsichtigt. Das Dauernde im Wechsel
blieb die Beschränkung des persönlichen Dienstes auf die Reicheren
und die Heranziehung der Minderbemittelten zur Zahlung einer Bei-
steuer, adiutorium, coniectus. Die Bildung der Gruppen war ursprüng-
lich wohl auf freiwilliges Zusammentreten der Genossen berechnet,
die einen aus ihrer Mitte auswählen und durch Zahlung der Beisteuer
ausrüsten sollten. Allein von dem genossenschaftlichen Heerdienst
blieb schlieſslich nichts übrig, als eine Kriegssteuer derjenigen, die
den persönlichen Heerdienst nicht leisten konnten. Das Interesse des
Heerwesens verlangte, daſs der Graf prüfe, wer von mehreren der
tauglichste sei. Schon Lothar stellte 825 die Auswahl des Wehr-
manns schlechtweg der ‘fidelitas’ des Grafen anheim18, der auch die

mehr als zehn Solidi haben, werden nur zu Wachtdienst an den Küsten und
Landesgrenzen verwendet. Wer nicht mehr als zehn Solidi hat, ist völlig frei.
13 Cap. de causis diversis c. 3, I 136.
14 Karoli II ed. Pist. v. J. 864, c. 26, Pertz, LL I 494.
15 Cap. de exped. Corsicana v. J. 825, c. 3, I 325. Für die Dienstfähigkeit
kam es wohl auf den Besitz eines Pferdes an. Denn bei den Langobarden war
schon unter König Ratchis der normale Kriegsdienst Reiterdienst. Z2 f. RG
VIII 13.
16 Cap. miss. c. 5, II 10. Vgl. Cap. II 7, c. 7 und II 5 A. l. 10 ff.
17 Vgl. Prenzel a. O. S. 40.
18 Cap. Olonn. c. 1, I 329: de mediocribus quippe liberis, qui non possunt
per se hostem facere, comitum fidelitati committimus, ut inter duos aut tres seu qua-
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[206/0224] § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. Andere Aufgebote lassen eine von vornherein fixierte Vermögens- grenze vermissen. Schon Karl der Groſse bot gelegentlich bei den Friesen nur diejenigen zu persönlichem Heerdienste auf, die ein Streit- roſs hatten, während von den übrigen je sechs einen siebenten aus- rüsten sollten 13. Ebenso rief Karl II. i. J. 864 von den ‘pagenses Franci’ nur jene ins Feld, die Pferde hatten oder haben konnten 14. Ein Aufgebot Lothars v. J. 825 teilte die Gemeinfreien ein in solche, die persönlich zu dienen vermochten, in liberi secundi ordinis, deren zwei, drei, vier oder mehrere einen aus ihrer Mitte ausrüsten, und in solche, die nicht einmal eine Beisteuer zahlen konnten. Dabei wurde die Höhe der Beisteuer in das Ermessen der Grafen gestellt 15. Ein Kapitular Ludwigs I. von 829 trug den Missi auf, Stammrollen der dienstfähigen Leute anzulegen und darin jene zu verzeichnen, die persönlich ausziehen, sowie jene, von welchen zwei bis sechs je einen Mann stellen können 16. Den Maſsstab der Dienstfähigkeit scheint da- mals der Besitz eines Kriegspferdes gebildet zu haben 17. Eine endgültige Regelung der Heerfolge war durch keine der einzelnen Mobilisierungsordres beabsichtigt. Das Dauernde im Wechsel blieb die Beschränkung des persönlichen Dienstes auf die Reicheren und die Heranziehung der Minderbemittelten zur Zahlung einer Bei- steuer, adiutorium, coniectus. Die Bildung der Gruppen war ursprüng- lich wohl auf freiwilliges Zusammentreten der Genossen berechnet, die einen aus ihrer Mitte auswählen und durch Zahlung der Beisteuer ausrüsten sollten. Allein von dem genossenschaftlichen Heerdienst blieb schlieſslich nichts übrig, als eine Kriegssteuer derjenigen, die den persönlichen Heerdienst nicht leisten konnten. Das Interesse des Heerwesens verlangte, daſs der Graf prüfe, wer von mehreren der tauglichste sei. Schon Lothar stellte 825 die Auswahl des Wehr- manns schlechtweg der ‘fidelitas’ des Grafen anheim 18, der auch die 12 13 Cap. de causis diversis c. 3, I 136. 14 Karoli II ed. Pist. v. J. 864, c. 26, Pertz, LL I 494. 15 Cap. de exped. Corsicana v. J. 825, c. 3, I 325. Für die Dienstfähigkeit kam es wohl auf den Besitz eines Pferdes an. Denn bei den Langobarden war schon unter König Ratchis der normale Kriegsdienst Reiterdienst. Z2 f. RG VIII 13. 16 Cap. miss. c. 5, II 10. Vgl. Cap. II 7, c. 7 und II 5 A. l. 10 ff. 17 Vgl. Prenzel a. O. S. 40. 18 Cap. Olonn. c. 1, I 329: de mediocribus quippe liberis, qui non possunt per se hostem facere, comitum fidelitati committimus, ut inter duos aut tres seu qua- 12 mehr als zehn Solidi haben, werden nur zu Wachtdienst an den Küsten und Landesgrenzen verwendet. Wer nicht mehr als zehn Solidi hat, ist völlig frei.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/224>, abgerufen am 21.11.2024.