Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen. wirksam zu erleichtern. Die Beurteilung der Dienstfähigkeit bliebin der Regel nicht dem Ermessen der Aushebungsbehörde überlassen, sondern der persönliche Heerdienst wurde unter der Kontrolle der königlichen Missi nur von denjenigen verlangt, deren Vermögen eine be- stimmte Vermögensgrenze erreichte, während man die minder Bemittelten sich zu Gruppen vereinigen liess, welche einen aus ihrer Mitte zum Feld- dienste ausrüsten mussten. Der persönliche Heerdienst der Reicheren sollte also durch genossenschaftlichen Heerdienst der Ärmeren ergänzt werden. Als Massstab der Dienstfähigkeit setzte Karl der Grosse eine bestimmte Vermögenseinheit fest, deren Grösse bei den einzelnen Auf- geboten auf- und niederschwankte. Nach einem Aufgebot v. J. 8078, welches für die Gebiete südlich und westlich der Seine erlassen ward, verpflichtete ein Grundbesitz von drei Hufen Landes zu persönlichem Heerdienst. Von den kleineren Grundeigentümern sollten so viele zu einer Gruppe zusammentreten, dass ihr Gesamtbesitz mindestens drei Hufen Landes betrug. Bei denjenigen, die nur bewegliches Ver- mögen hatten, galt der dem Werte von drei Hufen entsprechende Besitz von 600 Solidi für das Einheitsmass des Heerdienstes9. Die nur 100 Schillinge hatten, sollten zu sechs eine Genossenschaft bilden, in welcher fünf den sechsten ausrüsteten, indem sie ihm eine Bei- steuer von (je) fünf Solidi10 gaben. Die Inhaber von Benefizien wurden damals ohne Beschränkung aufgeboten. Eine Mobilmachung, die vermutlich i. J. 808 durch einen Feldzug gegen Dänen und Sla- ven veranlasst wurde, setzte für Eigen- und Leihebesitz die Ver- mögenseinheit auf vier Hufen fest, ohne die grundbesitzlosen Leute zu erwähnen11. Vor einem Feldzuge gegen Benevent nahm Lud- wig II. zum Massstab der persönlichen Dienstfähigkeit den Besitz des Wergeldes in beweglichem Vermögen12. 8 Memor. de exercitu in Gallia occ. praeparando v. J. 807, c. 2, Cap. I 134. 9 Siehe oben I 199, Anm. 22. 10 Der Wortlaut des Kapitulars: fiant coniectati solidi quinque a suprascriptis pauperioribus .. lässt es zweifelhaft, ob der einzelne je einen Solidus oder fünf Solidi als Beisteuer bezahlt. Vgl. Boretius a. O. S. 115. Es sei gestattet, hier auf eine verwandte Stelle des unter Wilhelm dem Eroberer in England zusammen- gestellten Domesdaybook (Stubbs, Select Charters S. 91) aufmerksam zu machen. Darnach galt in Berkshire der Rechtssatz: si rex mittebat alicubi exercitum, de quinque hidis tantum unus miles ibat et ad eius victum vel stipendium de una- quaque hida dabantur ei quatuor solidi ad duos menses. Hos vero denarios regi non mittebantur, sed militibus dabantur. 11 Cap. miss. de exercitu promovendo c. 1, I 137. 12 Const. de exped. Beneventana v. J. 866, c. 1, Cap. II 94 f. Von zweien,
deren jeder das halbe Wergeld hat, soll einer ausrücken. Jene, die weniger, aber § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. wirksam zu erleichtern. Die Beurteilung der Dienstfähigkeit bliebin der Regel nicht dem Ermessen der Aushebungsbehörde überlassen, sondern der persönliche Heerdienst wurde unter der Kontrolle der königlichen Missi nur von denjenigen verlangt, deren Vermögen eine be- stimmte Vermögensgrenze erreichte, während man die minder Bemittelten sich zu Gruppen vereinigen lieſs, welche einen aus ihrer Mitte zum Feld- dienste ausrüsten muſsten. Der persönliche Heerdienst der Reicheren sollte also durch genossenschaftlichen Heerdienst der Ärmeren ergänzt werden. Als Maſsstab der Dienstfähigkeit setzte Karl der Groſse eine bestimmte Vermögenseinheit fest, deren Gröſse bei den einzelnen Auf- geboten auf- und niederschwankte. Nach einem Aufgebot v. J. 8078, welches für die Gebiete südlich und westlich der Seine erlassen ward, verpflichtete ein Grundbesitz von drei Hufen Landes zu persönlichem Heerdienst. Von den kleineren Grundeigentümern sollten so viele zu einer Gruppe zusammentreten, daſs ihr Gesamtbesitz mindestens drei Hufen Landes betrug. Bei denjenigen, die nur bewegliches Ver- mögen hatten, galt der dem Werte von drei Hufen entsprechende Besitz von 600 Solidi für das Einheitsmaſs des Heerdienstes9. Die nur 100 Schillinge hatten, sollten zu sechs eine Genossenschaft bilden, in welcher fünf den sechsten ausrüsteten, indem sie ihm eine Bei- steuer von (je) fünf Solidi10 gaben. Die Inhaber von Benefizien wurden damals ohne Beschränkung aufgeboten. Eine Mobilmachung, die vermutlich i. J. 808 durch einen Feldzug gegen Dänen und Sla- ven veranlaſst wurde, setzte für Eigen- und Leihebesitz die Ver- mögenseinheit auf vier Hufen fest, ohne die grundbesitzlosen Leute zu erwähnen11. Vor einem Feldzuge gegen Benevent nahm Lud- wig II. zum Maſsstab der persönlichen Dienstfähigkeit den Besitz des Wergeldes in beweglichem Vermögen12. 8 Memor. de exercitu in Gallia occ. praeparando v. J. 807, c. 2, Cap. I 134. 9 Siehe oben I 199, Anm. 22. 10 Der Wortlaut des Kapitulars: fiant coniectati solidi quinque a suprascriptis pauperioribus .. läſst es zweifelhaft, ob der einzelne je einen Solidus oder fünf Solidi als Beisteuer bezahlt. Vgl. Boretius a. O. S. 115. Es sei gestattet, hier auf eine verwandte Stelle des unter Wilhelm dem Eroberer in England zusammen- gestellten Domesdaybook (Stubbs, Select Charters S. 91) aufmerksam zu machen. Darnach galt in Berkshire der Rechtssatz: si rex mittebat alicubi exercitum, de quinque hidis tantum unus miles ibat et ad eius victum vel stipendium de una- quaque hida dabantur ei quatuor solidi ad duos menses. Hos vero denarios regi non mittebantur, sed militibus dabantur. 11 Cap. miss. de exercitu promovendo c. 1, I 137. 12 Const. de exped. Beneventana v. J. 866, c. 1, Cap. II 94 f. Von zweien,
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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
wirksam zu erleichtern. Die Beurteilung der Dienstfähigkeit blieb
in der Regel nicht dem Ermessen der Aushebungsbehörde überlassen,
sondern der persönliche Heerdienst wurde unter der Kontrolle der
königlichen Missi nur von denjenigen verlangt, deren Vermögen eine be-
stimmte Vermögensgrenze erreichte, während man die minder Bemittelten
sich zu Gruppen vereinigen lieſs, welche einen aus ihrer Mitte zum Feld-
dienste ausrüsten muſsten. Der persönliche Heerdienst der Reicheren
sollte also durch genossenschaftlichen Heerdienst der Ärmeren ergänzt
werden. Als Maſsstab der Dienstfähigkeit setzte Karl der Groſse eine
bestimmte Vermögenseinheit fest, deren Gröſse bei den einzelnen Auf-
geboten auf- und niederschwankte. Nach einem Aufgebot v. J. 807 8,
welches für die Gebiete südlich und westlich der Seine erlassen ward,
verpflichtete ein Grundbesitz von drei Hufen Landes zu persönlichem
Heerdienst. Von den kleineren Grundeigentümern sollten so viele
zu einer Gruppe zusammentreten, daſs ihr Gesamtbesitz mindestens
drei Hufen Landes betrug. Bei denjenigen, die nur bewegliches Ver-
mögen hatten, galt der dem Werte von drei Hufen entsprechende
Besitz von 600 Solidi für das Einheitsmaſs des Heerdienstes 9. Die
nur 100 Schillinge hatten, sollten zu sechs eine Genossenschaft bilden,
in welcher fünf den sechsten ausrüsteten, indem sie ihm eine Bei-
steuer von (je) fünf Solidi 10 gaben. Die Inhaber von Benefizien
wurden damals ohne Beschränkung aufgeboten. Eine Mobilmachung,
die vermutlich i. J. 808 durch einen Feldzug gegen Dänen und Sla-
ven veranlaſst wurde, setzte für Eigen- und Leihebesitz die Ver-
mögenseinheit auf vier Hufen fest, ohne die grundbesitzlosen Leute
zu erwähnen 11. Vor einem Feldzuge gegen Benevent nahm Lud-
wig II. zum Maſsstab der persönlichen Dienstfähigkeit den Besitz des
Wergeldes in beweglichem Vermögen 12.
8 Memor. de exercitu in Gallia occ. praeparando v. J. 807, c. 2, Cap. I 134.
9 Siehe oben I 199, Anm. 22.
10 Der Wortlaut des Kapitulars: fiant coniectati solidi quinque a suprascriptis
pauperioribus .. läſst es zweifelhaft, ob der einzelne je einen Solidus oder fünf
Solidi als Beisteuer bezahlt. Vgl. Boretius a. O. S. 115. Es sei gestattet, hier
auf eine verwandte Stelle des unter Wilhelm dem Eroberer in England zusammen-
gestellten Domesdaybook (Stubbs, Select Charters S. 91) aufmerksam zu machen.
Darnach galt in Berkshire der Rechtssatz: si rex mittebat alicubi exercitum, de
quinque hidis tantum unus miles ibat et ad eius victum vel stipendium de una-
quaque hida dabantur ei quatuor solidi ad duos menses. Hos vero denarios regi
non mittebantur, sed militibus dabantur.
11 Cap. miss. de exercitu promovendo c. 1, I 137.
12 Const. de exped. Beneventana v. J. 866, c. 1, Cap. II 94 f. Von zweien,
deren jeder das halbe Wergeld hat, soll einer ausrücken. Jene, die weniger, aber
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Zitationshilfe: | Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/223>, abgerufen am 16.02.2025. |