Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.
hospitium 26 und evectio 27. Wer sie verweigerte, verwirkte den Königs-
bann. Die Leistungen, die der Reisende verlangen konnte, entlehnten
ihre Bezeichnungen der Terminologie des römischen Postwesens;
so die Beherbergung (mansiones, mansionaticum), die Bewirtung (hu-
manitas 28, auch pastus, paratas facere), die Stellung von Pferden
(veredi und paraveredi 29), die Spanndienste (angariae et parangariae).
Der Berechtigte erhielt einen Königsbrief, der, wie in römischer Zeit,
tractoria heisst und, ein 'wahrer Traktierbrief', die gebührenden Reich-
nisse im einzelnen aufzählt 30. Ohne tractoria konnte der Graf inner-
halb seiner Grafschaft auf Dienstreisen das Recht auf mansionaticum,
paravereda und auf Spanndienste geltend machen 31.

Die genaue Fixierung der Reichnisse nahm ihnen den Charakter
der Bewirtung und gab ihnen den von Naturalabgaben, die im ein-
zelnen Falle auf eine Mehrheit von Haushaltungen umgelegt werden
konnten. Die Abgaben hiessen in karolingischer Zeit vom Standpunkt
des Verpflichteten coniectus 32, vom Standpunkt des Berechtigten stipen-
dia 33. Eine Vorschrift Karls des Grossen verlangte, dass die Missi,
welche die Heerbannbussen einziehen sollten, den coniectus von den-
jenigen erhöben, die sie verwirkt und damit den Anlass zur Absen-
dung der Missi gegeben hätten 34.

Die Beförderung und Verpflegung der übrigen königlichen Missi

26 Lex Rib. 65, 3. Vgl. Lex Burg. 38, 1.
27 Greg. Tur. Hist. Franc. IX 9. Marculf I 11. Pertz, Dipl. S. 76, M. 86
v. J. 716: immoque et evectione ad ipsus missus, qui hoc exigeri ambularent, per-
petualiter absque renovata tracturia annis singulis dare praecipemus, hoc est vire-
dus sive paraviredus decem, panis nitedas decem .. vino mod. 1 ... etiam ad re-
vertendum carra 12 de loco in loco ad loca consuetudinaria.
28 Marculf I 11: eveccio semul et humanitas ministretur. Cap. monasticum
v. J. 817, c. 27, I 345: omnem eis humanitatem manducandi ac bibendi (abbas
hospitibus) exhibeat.
29 Gewöhnlich paraferedi schlechtweg. Als Gesamtleistung paravereda. Von
paraveredus stammt bekanntlich unser Wort Pferd.
30 Ein Formular aus merowingischer Zeit ist die tracturia ligatariorum Mar-
culf I 11, aus karolingischer die form. imper. 7 (für königliche Vassallen, die als
haribannatores ausgeschickt werden). Kapitularien aus der Zeit Ludwigs I., Anse-
gisus IV 70, Tractoria v. J. 829, Cap. II 11, regeln die Bezüge. Sie sind ver-
schieden nach dem Range der Reisenden. So erhält nach Ansegis der Bischof
für sich und sein Gefolge als Trunk drei Eimer täglich, der Abt und der Graf
nur zwei, der Heribannator nach form. imp. nur einen.
31 Vgl. Guerard I 793 ff. Waitz, VG II 2, S. 298.
32 Coniectura bei Greg. Tur. Hist. Franc. VI 45, S. 285, 15.
33 Form. imp. 7. Hludow. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88.
34 Cap. miss. v. J. 803, c. 5, I 115. Ansegis III 35. Cap. miss. de exercitu
promov. v. J. 808, c. 7, I 138.

§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.
hospitium 26 und evectio 27. Wer sie verweigerte, verwirkte den Königs-
bann. Die Leistungen, die der Reisende verlangen konnte, entlehnten
ihre Bezeichnungen der Terminologie des römischen Postwesens;
so die Beherbergung (mansiones, mansionaticum), die Bewirtung (hu-
manitas 28, auch pastus, paratas facere), die Stellung von Pferden
(veredi und paraveredi 29), die Spanndienste (angariae et parangariae).
Der Berechtigte erhielt einen Königsbrief, der, wie in römischer Zeit,
tractoria heiſst und, ein ‘wahrer Traktierbrief’, die gebührenden Reich-
nisse im einzelnen aufzählt 30. Ohne tractoria konnte der Graf inner-
halb seiner Grafschaft auf Dienstreisen das Recht auf mansionaticum,
paravereda und auf Spanndienste geltend machen 31.

Die genaue Fixierung der Reichnisse nahm ihnen den Charakter
der Bewirtung und gab ihnen den von Naturalabgaben, die im ein-
zelnen Falle auf eine Mehrheit von Haushaltungen umgelegt werden
konnten. Die Abgaben hieſsen in karolingischer Zeit vom Standpunkt
des Verpflichteten coniectus 32, vom Standpunkt des Berechtigten stipen-
dia 33. Eine Vorschrift Karls des Groſsen verlangte, daſs die Missi,
welche die Heerbannbuſsen einziehen sollten, den coniectus von den-
jenigen erhöben, die sie verwirkt und damit den Anlaſs zur Absen-
dung der Missi gegeben hätten 34.

Die Beförderung und Verpflegung der übrigen königlichen Missi

26 Lex Rib. 65, 3. Vgl. Lex Burg. 38, 1.
27 Greg. Tur. Hist. Franc. IX 9. Marculf I 11. Pertz, Dipl. S. 76, M. 86
v. J. 716: immoque et evectione ad ipsus missus, qui hoc exigeri ambularent, per-
petualiter absque renovata tracturia annis singulis dare praecipemus, hoc est vire-
dus sive paraviredus decem, panis nitedas decem .. vino mod. 1 … etiam ad re-
vertendum carra 12 de loco in loco ad loca consuetudinaria.
28 Marculf I 11: eveccio semul et humanitas ministretur. Cap. monasticum
v. J. 817, c. 27, I 345: omnem eis humanitatem manducandi ac bibendi (abbas
hospitibus) exhibeat.
29 Gewöhnlich paraferedi schlechtweg. Als Gesamtleistung paravereda. Von
paraveredus stammt bekanntlich unser Wort Pferd.
30 Ein Formular aus merowingischer Zeit ist die tracturia ligatariorum Mar-
culf I 11, aus karolingischer die form. imper. 7 (für königliche Vassallen, die als
haribannatores ausgeschickt werden). Kapitularien aus der Zeit Ludwigs I., Anse-
gisus IV 70, Tractoria v. J. 829, Cap. II 11, regeln die Bezüge. Sie sind ver-
schieden nach dem Range der Reisenden. So erhält nach Ansegis der Bischof
für sich und sein Gefolge als Trunk drei Eimer täglich, der Abt und der Graf
nur zwei, der Heribannator nach form. imp. nur einen.
31 Vgl. Guérard I 793 ff. Waitz, VG II 2, S. 298.
32 Coniectura bei Greg. Tur. Hist. Franc. VI 45, S. 285, 15.
33 Form. imp. 7. Hludow. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88.
34 Cap. miss. v. J. 803, c. 5, I 115. Ansegis III 35. Cap. miss. de exercitu
promov. v. J. 808, c. 7, I 138.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0249" n="231"/><fw place="top" type="header">§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.</fw><lb/>
hospitium <note place="foot" n="26">Lex Rib. 65, 3. Vgl. Lex Burg. 38, 1.</note> und evectio <note place="foot" n="27">Greg. Tur. Hist. Franc. IX 9. Marculf I 11. Pertz, Dipl. S. 76, M. 86<lb/>
v. J. 716: immoque et evectione ad ipsus missus, qui hoc exigeri ambularent, per-<lb/>
petualiter absque renovata tracturia annis singulis dare praecipemus, hoc est vire-<lb/>
dus sive paraviredus decem, panis nitedas decem .. vino mod. 1 &#x2026; etiam ad re-<lb/>
vertendum carra 12 de loco in loco ad loca consuetudinaria.</note>. Wer sie verweigerte, verwirkte den Königs-<lb/>
bann. Die Leistungen, die der Reisende verlangen konnte, entlehnten<lb/>
ihre Bezeichnungen der Terminologie des römischen Postwesens;<lb/>
so die Beherbergung (mansiones, mansionaticum), die Bewirtung (hu-<lb/>
manitas <note place="foot" n="28">Marculf I 11: eveccio semul et humanitas ministretur. Cap. monasticum<lb/>
v. J. 817, c. 27, I 345: omnem eis humanitatem manducandi ac bibendi (abbas<lb/>
hospitibus) exhibeat.</note>, auch pastus, paratas facere), die Stellung von Pferden<lb/>
(veredi und paraveredi <note place="foot" n="29">Gewöhnlich paraferedi schlechtweg. Als Gesamtleistung paravereda. Von<lb/>
paraveredus stammt bekanntlich unser Wort Pferd.</note>), die Spanndienste (angariae et parangariae).<lb/>
Der Berechtigte erhielt einen Königsbrief, der, wie in römischer Zeit,<lb/>
tractoria hei&#x017F;st und, ein &#x2018;wahrer Traktierbrief&#x2019;, die gebührenden Reich-<lb/>
nisse im einzelnen aufzählt <note place="foot" n="30">Ein Formular aus merowingischer Zeit ist die tracturia ligatariorum Mar-<lb/>
culf I 11, aus karolingischer die form. imper. 7 (für königliche Vassallen, die als<lb/>
haribannatores ausgeschickt werden). Kapitularien aus der Zeit Ludwigs I., Anse-<lb/>
gisus IV 70, Tractoria v. J. 829, Cap. II 11, regeln die Bezüge. Sie sind ver-<lb/>
schieden nach dem Range der Reisenden. So erhält nach Ansegis der Bischof<lb/>
für sich und sein Gefolge als Trunk drei Eimer täglich, der Abt und der Graf<lb/>
nur zwei, der Heribannator nach form. imp. nur einen.</note>. Ohne tractoria konnte der Graf inner-<lb/>
halb seiner Grafschaft auf Dienstreisen das Recht auf mansionaticum,<lb/>
paravereda und auf Spanndienste geltend machen <note place="foot" n="31">Vgl. <hi rendition="#g">Guérard</hi> I 793 ff. <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG II 2, S. 298.</note>.</p><lb/>
            <p>Die genaue Fixierung der Reichnisse nahm ihnen den Charakter<lb/>
der Bewirtung und gab ihnen den von Naturalabgaben, die im ein-<lb/>
zelnen Falle auf eine Mehrheit von Haushaltungen umgelegt werden<lb/>
konnten. Die Abgaben hie&#x017F;sen in karolingischer Zeit vom Standpunkt<lb/>
des Verpflichteten coniectus <note place="foot" n="32">Coniectura bei Greg. Tur. Hist. Franc. VI 45, S. 285, 15.</note>, vom Standpunkt des Berechtigten stipen-<lb/>
dia <note place="foot" n="33">Form. imp. 7. Hludow. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88.</note>. Eine Vorschrift Karls des Gro&#x017F;sen verlangte, da&#x017F;s die Missi,<lb/>
welche die Heerbannbu&#x017F;sen einziehen sollten, den coniectus von den-<lb/>
jenigen erhöben, die sie verwirkt und damit den Anla&#x017F;s zur Absen-<lb/>
dung der Missi gegeben hätten <note place="foot" n="34">Cap. miss. v. J. 803, c. 5, I 115. Ansegis III 35. Cap. miss. de exercitu<lb/>
promov. v. J. 808, c. 7, I 138.</note>.</p><lb/>
            <p>Die Beförderung und Verpflegung der übrigen königlichen Missi<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0249] § 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden. hospitium 26 und evectio 27. Wer sie verweigerte, verwirkte den Königs- bann. Die Leistungen, die der Reisende verlangen konnte, entlehnten ihre Bezeichnungen der Terminologie des römischen Postwesens; so die Beherbergung (mansiones, mansionaticum), die Bewirtung (hu- manitas 28, auch pastus, paratas facere), die Stellung von Pferden (veredi und paraveredi 29), die Spanndienste (angariae et parangariae). Der Berechtigte erhielt einen Königsbrief, der, wie in römischer Zeit, tractoria heiſst und, ein ‘wahrer Traktierbrief’, die gebührenden Reich- nisse im einzelnen aufzählt 30. Ohne tractoria konnte der Graf inner- halb seiner Grafschaft auf Dienstreisen das Recht auf mansionaticum, paravereda und auf Spanndienste geltend machen 31. Die genaue Fixierung der Reichnisse nahm ihnen den Charakter der Bewirtung und gab ihnen den von Naturalabgaben, die im ein- zelnen Falle auf eine Mehrheit von Haushaltungen umgelegt werden konnten. Die Abgaben hieſsen in karolingischer Zeit vom Standpunkt des Verpflichteten coniectus 32, vom Standpunkt des Berechtigten stipen- dia 33. Eine Vorschrift Karls des Groſsen verlangte, daſs die Missi, welche die Heerbannbuſsen einziehen sollten, den coniectus von den- jenigen erhöben, die sie verwirkt und damit den Anlaſs zur Absen- dung der Missi gegeben hätten 34. Die Beförderung und Verpflegung der übrigen königlichen Missi 26 Lex Rib. 65, 3. Vgl. Lex Burg. 38, 1. 27 Greg. Tur. Hist. Franc. IX 9. Marculf I 11. Pertz, Dipl. S. 76, M. 86 v. J. 716: immoque et evectione ad ipsus missus, qui hoc exigeri ambularent, per- petualiter absque renovata tracturia annis singulis dare praecipemus, hoc est vire- dus sive paraviredus decem, panis nitedas decem .. vino mod. 1 … etiam ad re- vertendum carra 12 de loco in loco ad loca consuetudinaria. 28 Marculf I 11: eveccio semul et humanitas ministretur. Cap. monasticum v. J. 817, c. 27, I 345: omnem eis humanitatem manducandi ac bibendi (abbas hospitibus) exhibeat. 29 Gewöhnlich paraferedi schlechtweg. Als Gesamtleistung paravereda. Von paraveredus stammt bekanntlich unser Wort Pferd. 30 Ein Formular aus merowingischer Zeit ist die tracturia ligatariorum Mar- culf I 11, aus karolingischer die form. imper. 7 (für königliche Vassallen, die als haribannatores ausgeschickt werden). Kapitularien aus der Zeit Ludwigs I., Anse- gisus IV 70, Tractoria v. J. 829, Cap. II 11, regeln die Bezüge. Sie sind ver- schieden nach dem Range der Reisenden. So erhält nach Ansegis der Bischof für sich und sein Gefolge als Trunk drei Eimer täglich, der Abt und der Graf nur zwei, der Heribannator nach form. imp. nur einen. 31 Vgl. Guérard I 793 ff. Waitz, VG II 2, S. 298. 32 Coniectura bei Greg. Tur. Hist. Franc. VI 45, S. 285, 15. 33 Form. imp. 7. Hludow. II. Cap. Papiense v. J. 850, c. 9, II 88. 34 Cap. miss. v. J. 803, c. 5, I 115. Ansegis III 35. Cap. miss. de exercitu promov. v. J. 808, c. 7, I 138.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/249
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/249>, abgerufen am 21.11.2024.