Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden. Post bestand nicht für den allgemeinen Verkehr, sondern nur für denPrinceps, höhere Beamte, Offiziere und für die Zwecke der Militär- verwaltung. Die Unterthanen durften sie nicht benutzen, mussten sie aber durch Frondienste im Betrieb erhalten. Diese zählten zu den lästigsten Bürden, mit welchen das römische Reich seine schwer ge- plagten Bürger belastete. Man unterschied die Beförderung zu Pferde, cursus publici, und die Beförderung zu Wagen, angariae, ein durch Vermittlung des Griechischen aus dem Persischen entlehntes Wort. Ausser den Pferden (veredi), auf die der Reisende Anspruch hatte, konnte unter Umständen auch ein Beipferd, paraveredus, verlangt werden. Neben den angariae kannte man aussergewöhnliche Spann- dienste, parangariae. In einzelnen Provinzen hatten die Unterthanen die Kosten des Postwesens vollständig zu tragen 22, in anderen nur subsidiär, nämlich nur soweit, als auf den Poststationen die not- wendigen Beförderungsmittel nicht vorhanden waren 23. Zur Beher- bergung der Reisenden waren regelmässig besondere Höfe (mansiones) vorhanden. Das Recht auf Beförderung (evectio) hatten ausser dem Princeps und den Beamten auch diejenigen, die der Princeps rief oder schickte. Privatpersonen konnten die Post benutzen auf Grund eines Diploms, welches evectio hiess und sich als ein vom Princeps oder von einem der höchsten Staatsbeamten bewilligtes Postbillet darstellt. Von der 'evectio' wird die tractoria 24 unterschieden, eine Urkunde, die entweder nur die Art der Beförderung normiert oder als tractoria cum necessariis nicht bloss den Anspruch auf evectio, sondern auch den auf Verpflegung (humanitas) gewährt 25. Im fränkischen Reiche hatten die königlichen Missi, fremde Ge- Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I (1877) S. 98 ff. Marquardt, Röm. Staatsverwaltung I2 (1881), S. 558. Karlowa, Röm. RG I 874. Böcking, Notitia dignit. I, p. XIV f. Siehe insbes. Dig. L 4, 18. Cod. Theod. VIII 5. Über das westgotische Postwesen Dahn, Könige VI 286, über Burgund Gaupp, Ansiedlungen S. 348, Anm. 22 Cod. Theod. VI 29, 5: in his dumtaxat provinciis, in quibus cursus a pro- vincialibus exhibetur ... 23 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1. 24 Cod. Theod. VIII 6 und dazu Gothofreds Paratitlon. 25 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1: ad exhibendam humanitatem. Besonders deut-
lich Novella Maioriani VII 17, Haenel S. 323: ne vaga interpretatio eorum, quae pro humanitate praebenda sunt, nihilominus praedictos fatiget, quid inferri diurnum debeat .. Vgl. C. Theod. IX 3, 7. L. Wisigoth. IX 1, 4. 5. 6. Cas- siodor, Var. VII 33: humanitatem subter annexam. Die Aufzählung der Reich- nisse ist in die Formel nicht aufgenommen. Du Cange (Henschel) III 728. § 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden. Post bestand nicht für den allgemeinen Verkehr, sondern nur für denPrinceps, höhere Beamte, Offiziere und für die Zwecke der Militär- verwaltung. Die Unterthanen durften sie nicht benutzen, muſsten sie aber durch Frondienste im Betrieb erhalten. Diese zählten zu den lästigsten Bürden, mit welchen das römische Reich seine schwer ge- plagten Bürger belastete. Man unterschied die Beförderung zu Pferde, cursus publici, und die Beförderung zu Wagen, angariae, ein durch Vermittlung des Griechischen aus dem Persischen entlehntes Wort. Auſser den Pferden (veredi), auf die der Reisende Anspruch hatte, konnte unter Umständen auch ein Beipferd, paraveredus, verlangt werden. Neben den angariae kannte man auſsergewöhnliche Spann- dienste, parangariae. In einzelnen Provinzen hatten die Unterthanen die Kosten des Postwesens vollständig zu tragen 22, in anderen nur subsidiär, nämlich nur soweit, als auf den Poststationen die not- wendigen Beförderungsmittel nicht vorhanden waren 23. Zur Beher- bergung der Reisenden waren regelmäſsig besondere Höfe (mansiones) vorhanden. Das Recht auf Beförderung (evectio) hatten auſser dem Princeps und den Beamten auch diejenigen, die der Princeps rief oder schickte. Privatpersonen konnten die Post benutzen auf Grund eines Diploms, welches evectio hieſs und sich als ein vom Princeps oder von einem der höchsten Staatsbeamten bewilligtes Postbillet darstellt. Von der ‘evectio’ wird die tractoria 24 unterschieden, eine Urkunde, die entweder nur die Art der Beförderung normiert oder als tractoria cum necessariis nicht bloſs den Anspruch auf evectio, sondern auch den auf Verpflegung (humanitas) gewährt 25. Im fränkischen Reiche hatten die königlichen Missi, fremde Ge- Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I (1877) S. 98 ff. Marquardt, Röm. Staatsverwaltung I2 (1881), S. 558. Karlowa, Röm. RG I 874. Böcking, Notitia dignit. I, p. XIV f. Siehe insbes. Dig. L 4, 18. Cod. Theod. VIII 5. Über das westgotische Postwesen Dahn, Könige VI 286, über Burgund Gaupp, Ansiedlungen S. 348, Anm. 22 Cod. Theod. VI 29, 5: in his dumtaxat provinciis, in quibus cursus a pro- vincialibus exhibetur … 23 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1. 24 Cod. Theod. VIII 6 und dazu Gothofreds Paratitlon. 25 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1: ad exhibendam humanitatem. Besonders deut-
lich Novella Maioriani VII 17, Haenel S. 323: ne vaga interpretatio eorum, quae pro humanitate praebenda sunt, nihilominus praedictos fatiget, quid inferri diurnum debeat .. Vgl. C. Theod. IX 3, 7. L. Wisigoth. IX 1, 4. 5. 6. Cas- siodor, Var. VII 33: humanitatem subter annexam. Die Aufzählung der Reich- nisse ist in die Formel nicht aufgenommen. Du Cange (Henschel) III 728. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0248" n="230"/><fw place="top" type="header">§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.</fw><lb/> Post bestand nicht für den allgemeinen Verkehr, sondern nur für den<lb/> Princeps, höhere Beamte, Offiziere und für die Zwecke der Militär-<lb/> verwaltung. Die Unterthanen durften sie nicht benutzen, muſsten sie<lb/> aber durch Frondienste im Betrieb erhalten. Diese zählten zu den<lb/> lästigsten Bürden, mit welchen das römische Reich seine schwer ge-<lb/> plagten Bürger belastete. Man unterschied die Beförderung zu Pferde,<lb/> cursus publici, und die Beförderung zu Wagen, angariae, ein durch<lb/> Vermittlung des Griechischen aus dem Persischen entlehntes Wort.<lb/> Auſser den Pferden (veredi), auf die der Reisende Anspruch hatte,<lb/> konnte unter Umständen auch ein Beipferd, paraveredus, verlangt<lb/> werden. Neben den angariae kannte man auſsergewöhnliche Spann-<lb/> dienste, parangariae. In einzelnen Provinzen hatten die Unterthanen<lb/> die Kosten des Postwesens vollständig zu tragen <note place="foot" n="22">Cod. Theod. VI 29, 5: in his dumtaxat provinciis, in quibus cursus a pro-<lb/> vincialibus exhibetur …</note>, in anderen nur<lb/> subsidiär, nämlich nur soweit, als auf den Poststationen die not-<lb/> wendigen Beförderungsmittel nicht vorhanden waren <note place="foot" n="23">Cod. Theod. VI 29, 5, § 1.</note>. Zur Beher-<lb/> bergung der Reisenden waren regelmäſsig besondere Höfe (mansiones)<lb/> vorhanden. Das Recht auf Beförderung (evectio) hatten auſser dem<lb/> Princeps und den Beamten auch diejenigen, die der Princeps rief oder<lb/> schickte. Privatpersonen konnten die Post benutzen auf Grund eines<lb/> Diploms, welches evectio hieſs und sich als ein vom Princeps oder<lb/> von einem der höchsten Staatsbeamten bewilligtes Postbillet darstellt.<lb/> Von der ‘evectio’ wird die tractoria <note place="foot" n="24">Cod. Theod. VIII 6 und dazu Gothofreds Paratitlon.</note> unterschieden, eine Urkunde,<lb/> die entweder nur die Art der Beförderung normiert oder als tractoria<lb/> cum necessariis nicht bloſs den Anspruch auf evectio, sondern auch<lb/> den auf Verpflegung (humanitas) gewährt <note place="foot" n="25">Cod. Theod. VI 29, 5, § 1: ad exhibendam humanitatem. Besonders deut-<lb/> lich Novella Maioriani VII 17, Haenel S. 323: ne vaga interpretatio eorum, quae<lb/> pro <hi rendition="#g">humanitate</hi> praebenda sunt, nihilominus praedictos fatiget, quid inferri<lb/> diurnum debeat .. Vgl. C. Theod. IX 3, 7. L. Wisigoth. IX 1, 4. 5. 6. Cas-<lb/> siodor, Var. VII 33: humanitatem subter annexam. Die Aufzählung der Reich-<lb/> nisse ist in die Formel nicht aufgenommen. Du Cange (Henschel) III 728.</note>.</p><lb/> <p>Im fränkischen Reiche hatten die königlichen Missi, fremde Ge-<lb/> sandte und alle, die im Dienste des Königs reisten, Anspruch auf<lb/><note xml:id="seg2pn_55_2" prev="#seg2pn_55_1" place="foot" n="21">Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I (1877) S. 98 ff. <hi rendition="#g">Marquardt</hi>,<lb/> Röm. Staatsverwaltung I<hi rendition="#sup">2</hi> (1881), S. 558. <hi rendition="#g">Karlowa</hi>, Röm. RG I 874. <hi rendition="#g">Böcking</hi>,<lb/> Notitia dignit. I, p. XIV f. Siehe insbes. Dig. L 4, 18. Cod. Theod. VIII 5.<lb/> Über das westgotische Postwesen <hi rendition="#g">Dahn</hi>, Könige VI 286, über Burgund <hi rendition="#g">Gaupp</hi>,<lb/> Ansiedlungen S. 348, Anm.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0248]
§ 89. Polizeidienst und öffentliche Fronden.
Post bestand nicht für den allgemeinen Verkehr, sondern nur für den
Princeps, höhere Beamte, Offiziere und für die Zwecke der Militär-
verwaltung. Die Unterthanen durften sie nicht benutzen, muſsten sie
aber durch Frondienste im Betrieb erhalten. Diese zählten zu den
lästigsten Bürden, mit welchen das römische Reich seine schwer ge-
plagten Bürger belastete. Man unterschied die Beförderung zu Pferde,
cursus publici, und die Beförderung zu Wagen, angariae, ein durch
Vermittlung des Griechischen aus dem Persischen entlehntes Wort.
Auſser den Pferden (veredi), auf die der Reisende Anspruch hatte,
konnte unter Umständen auch ein Beipferd, paraveredus, verlangt
werden. Neben den angariae kannte man auſsergewöhnliche Spann-
dienste, parangariae. In einzelnen Provinzen hatten die Unterthanen
die Kosten des Postwesens vollständig zu tragen 22, in anderen nur
subsidiär, nämlich nur soweit, als auf den Poststationen die not-
wendigen Beförderungsmittel nicht vorhanden waren 23. Zur Beher-
bergung der Reisenden waren regelmäſsig besondere Höfe (mansiones)
vorhanden. Das Recht auf Beförderung (evectio) hatten auſser dem
Princeps und den Beamten auch diejenigen, die der Princeps rief oder
schickte. Privatpersonen konnten die Post benutzen auf Grund eines
Diploms, welches evectio hieſs und sich als ein vom Princeps oder
von einem der höchsten Staatsbeamten bewilligtes Postbillet darstellt.
Von der ‘evectio’ wird die tractoria 24 unterschieden, eine Urkunde,
die entweder nur die Art der Beförderung normiert oder als tractoria
cum necessariis nicht bloſs den Anspruch auf evectio, sondern auch
den auf Verpflegung (humanitas) gewährt 25.
Im fränkischen Reiche hatten die königlichen Missi, fremde Ge-
sandte und alle, die im Dienste des Königs reisten, Anspruch auf
21
22 Cod. Theod. VI 29, 5: in his dumtaxat provinciis, in quibus cursus a pro-
vincialibus exhibetur …
23 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1.
24 Cod. Theod. VIII 6 und dazu Gothofreds Paratitlon.
25 Cod. Theod. VI 29, 5, § 1: ad exhibendam humanitatem. Besonders deut-
lich Novella Maioriani VII 17, Haenel S. 323: ne vaga interpretatio eorum, quae
pro humanitate praebenda sunt, nihilominus praedictos fatiget, quid inferri
diurnum debeat .. Vgl. C. Theod. IX 3, 7. L. Wisigoth. IX 1, 4. 5. 6. Cas-
siodor, Var. VII 33: humanitatem subter annexam. Die Aufzählung der Reich-
nisse ist in die Formel nicht aufgenommen. Du Cange (Henschel) III 728.
21 Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I (1877) S. 98 ff. Marquardt,
Röm. Staatsverwaltung I2 (1881), S. 558. Karlowa, Röm. RG I 874. Böcking,
Notitia dignit. I, p. XIV f. Siehe insbes. Dig. L 4, 18. Cod. Theod. VIII 5.
Über das westgotische Postwesen Dahn, Könige VI 286, über Burgund Gaupp,
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