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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 91. Das Benefizialwesen.
begriffe dem Bedachten nur ein beschränktes Eigentum übertrugen.
Das ältere germanische Recht ging nämlich bei der Eigentumsschen-
kung von dem Gedanken aus, dass es im Zweifel die Absicht des
Schenkers sei, ein geschenktes Grundstück zwar dem Beschenkten,
aber nicht einem dritten zukommen zu lassen 3. Hielt man die Vor-
aussetzung fest, dass das Objekt der Schenkung der Person des Be-
schenkten gewidmet sei, so musste jede Veräusserung ohne Zustim-
mung des Schenkers als unzulässig erscheinen 4. Der Schenkungs-
wille wurde ferner dahin ausgelegt, dass sich nur eine beschränkte
Vererblichkeit der Schenkung ergab. Starb der Beschenkte ohne
Kinder oder ohne Nachkommen, so ging das vergabte Gut nicht auf
die Erben des Verstorbenen über, sondern fiel an den Schenker zu-
rück. Wo der Mannsstamm bei der Erbfolge in Grundbesitz bevor-
zugt war, trat der Heimfall im Zweifel schon bei dem Mangel männ-
licher Nachkommen ein.

Auch bei den Franken fehlt es nicht an vereinzelten Nachrichten,
aus welchen auf die Unveräusserlichkeit geschenkten Grundbesitzes
geschlossen werden darf 5, wie sie im älteren schwedischen, im bur-

3 Den Beweis dieser Rechtsanschauung glaube ich in meiner Abhandlung
über die Landschenkungen, Berliner SB 1885, S. 1175 ff., erbracht zu haben. Wenn
V. Menzel, Entstehung des Lehnwesens, S. 41 bemerkt, meine Erörterung zeige
nur, dass die Schenkung der germanischen Urzeit (!) überhaupt eine Schenkung im
rechtlichen Sinne nicht war, dass sie überhaupt nichts rechtlich Klares, nur etwas
Faktisches gewesen sei, so liegt die Unklarheit nicht sowohl im germanischen
Schenkungsbegriffe als in den Gedanken, die der Verfasser der Entstehung des
Lehnwesens sich darüber gemacht hat.
4 Im Anschluss an die Belege, die ich a. O. beigebracht habe, verweise ich
noch auf eine Stelle im Paenitentiale Theodori II 14, § 8, Wasserschleben,
Bussordnungen S. 218, die sich in dem Cod. Vindob. iur. can. Nr. 116, 8o, saec.
VIII. IX findet. Si quis de seculo ad servitutem Dei conversus speciem quamlibet
regalem habeat a rege acceptum, ipsa in potestate regis est illius, sin vero
a priore quovis rege defuncto, quam accipiebat, sit ut aliae res eius Deo secum
tradere licitum. Tritt ein beschenkter Laie in den geistlichen Stand ein, so fällt
das geschenkte Gut an den Schenker zurück, wenn dieser noch lebt. Dagegen
erstreckt sich das Recht des Rückfalls nicht auf den Nachfolger des Königs, von
dem die Schenkung herrührt.
5 Formeln von Schenkungsurkunden, welche die Veräusserungsfreiheit aus-
drücklich gewähren, lassen sie nicht als Konsequenz der Übereignung erscheinen,
sondern führen sie auf besondere Erlaubnis des Königs zurück. Marculf I 14. 15.
16. 17. 30. Pertz, Dipl. M. 3. 25. 35. Mitunter geht aus königlichen Schenkungen
an Kirchen die Absicht des Königs hervor, dass das Gut immerdar bei der beschenk-
ten Kirche (Pertz, Dipl. M. 21. 27. 45. 63. 71. 75. 85. 87), aus solchen an Laien,
dass es bei den Nachkommen des Beschenkten (Marculf I 31, Mühlbacher
Nr. 123) verbleiben, also nicht veräussert werden solle. Manchmal wird die Zu-

§ 91. Das Benefizialwesen.
begriffe dem Bedachten nur ein beschränktes Eigentum übertrugen.
Das ältere germanische Recht ging nämlich bei der Eigentumsschen-
kung von dem Gedanken aus, daſs es im Zweifel die Absicht des
Schenkers sei, ein geschenktes Grundstück zwar dem Beschenkten,
aber nicht einem dritten zukommen zu lassen 3. Hielt man die Vor-
aussetzung fest, daſs das Objekt der Schenkung der Person des Be-
schenkten gewidmet sei, so muſste jede Veräuſserung ohne Zustim-
mung des Schenkers als unzulässig erscheinen 4. Der Schenkungs-
wille wurde ferner dahin ausgelegt, daſs sich nur eine beschränkte
Vererblichkeit der Schenkung ergab. Starb der Beschenkte ohne
Kinder oder ohne Nachkommen, so ging das vergabte Gut nicht auf
die Erben des Verstorbenen über, sondern fiel an den Schenker zu-
rück. Wo der Mannsstamm bei der Erbfolge in Grundbesitz bevor-
zugt war, trat der Heimfall im Zweifel schon bei dem Mangel männ-
licher Nachkommen ein.

Auch bei den Franken fehlt es nicht an vereinzelten Nachrichten,
aus welchen auf die Unveräuſserlichkeit geschenkten Grundbesitzes
geschlossen werden darf 5, wie sie im älteren schwedischen, im bur-

3 Den Beweis dieser Rechtsanschauung glaube ich in meiner Abhandlung
über die Landschenkungen, Berliner SB 1885, S. 1175 ff., erbracht zu haben. Wenn
V. Menzel, Entstehung des Lehnwesens, S. 41 bemerkt, meine Erörterung zeige
nur, daſs die Schenkung der germanischen Urzeit (!) überhaupt eine Schenkung im
rechtlichen Sinne nicht war, daſs sie überhaupt nichts rechtlich Klares, nur etwas
Faktisches gewesen sei, so liegt die Unklarheit nicht sowohl im germanischen
Schenkungsbegriffe als in den Gedanken, die der Verfasser der Entstehung des
Lehnwesens sich darüber gemacht hat.
4 Im Anschluſs an die Belege, die ich a. O. beigebracht habe, verweise ich
noch auf eine Stelle im Paenitentiale Theodori II 14, § 8, Wasserschleben,
Buſsordnungen S. 218, die sich in dem Cod. Vindob. iur. can. Nr. 116, 8º, saec.
VIII. IX findet. Si quis de seculo ad servitutem Dei conversus speciem quamlibet
regalem habeat a rege acceptum, ipsa in potestate regis est illius, sin vero
a priore quovis rege defuncto, quam accipiebat, sit ut aliae res eius Deo secum
tradere licitum. Tritt ein beschenkter Laie in den geistlichen Stand ein, so fällt
das geschenkte Gut an den Schenker zurück, wenn dieser noch lebt. Dagegen
erstreckt sich das Recht des Rückfalls nicht auf den Nachfolger des Königs, von
dem die Schenkung herrührt.
5 Formeln von Schenkungsurkunden, welche die Veräuſserungsfreiheit aus-
drücklich gewähren, lassen sie nicht als Konsequenz der Übereignung erscheinen,
sondern führen sie auf besondere Erlaubnis des Königs zurück. Marculf I 14. 15.
16. 17. 30. Pertz, Dipl. M. 3. 25. 35. Mitunter geht aus königlichen Schenkungen
an Kirchen die Absicht des Königs hervor, daſs das Gut immerdar bei der beschenk-
ten Kirche (Pertz, Dipl. M. 21. 27. 45. 63. 71. 75. 85. 87), aus solchen an Laien,
daſs es bei den Nachkommen des Beschenkten (Marculf I 31, Mühlbacher
Nr. 123) verbleiben, also nicht veräuſsert werden solle. Manchmal wird die Zu-
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[244/0262] § 91. Das Benefizialwesen. begriffe dem Bedachten nur ein beschränktes Eigentum übertrugen. Das ältere germanische Recht ging nämlich bei der Eigentumsschen- kung von dem Gedanken aus, daſs es im Zweifel die Absicht des Schenkers sei, ein geschenktes Grundstück zwar dem Beschenkten, aber nicht einem dritten zukommen zu lassen 3. Hielt man die Vor- aussetzung fest, daſs das Objekt der Schenkung der Person des Be- schenkten gewidmet sei, so muſste jede Veräuſserung ohne Zustim- mung des Schenkers als unzulässig erscheinen 4. Der Schenkungs- wille wurde ferner dahin ausgelegt, daſs sich nur eine beschränkte Vererblichkeit der Schenkung ergab. Starb der Beschenkte ohne Kinder oder ohne Nachkommen, so ging das vergabte Gut nicht auf die Erben des Verstorbenen über, sondern fiel an den Schenker zu- rück. Wo der Mannsstamm bei der Erbfolge in Grundbesitz bevor- zugt war, trat der Heimfall im Zweifel schon bei dem Mangel männ- licher Nachkommen ein. Auch bei den Franken fehlt es nicht an vereinzelten Nachrichten, aus welchen auf die Unveräuſserlichkeit geschenkten Grundbesitzes geschlossen werden darf 5, wie sie im älteren schwedischen, im bur- 3 Den Beweis dieser Rechtsanschauung glaube ich in meiner Abhandlung über die Landschenkungen, Berliner SB 1885, S. 1175 ff., erbracht zu haben. Wenn V. Menzel, Entstehung des Lehnwesens, S. 41 bemerkt, meine Erörterung zeige nur, daſs die Schenkung der germanischen Urzeit (!) überhaupt eine Schenkung im rechtlichen Sinne nicht war, daſs sie überhaupt nichts rechtlich Klares, nur etwas Faktisches gewesen sei, so liegt die Unklarheit nicht sowohl im germanischen Schenkungsbegriffe als in den Gedanken, die der Verfasser der Entstehung des Lehnwesens sich darüber gemacht hat. 4 Im Anschluſs an die Belege, die ich a. O. beigebracht habe, verweise ich noch auf eine Stelle im Paenitentiale Theodori II 14, § 8, Wasserschleben, Buſsordnungen S. 218, die sich in dem Cod. Vindob. iur. can. Nr. 116, 8º, saec. VIII. IX findet. Si quis de seculo ad servitutem Dei conversus speciem quamlibet regalem habeat a rege acceptum, ipsa in potestate regis est illius, sin vero a priore quovis rege defuncto, quam accipiebat, sit ut aliae res eius Deo secum tradere licitum. Tritt ein beschenkter Laie in den geistlichen Stand ein, so fällt das geschenkte Gut an den Schenker zurück, wenn dieser noch lebt. Dagegen erstreckt sich das Recht des Rückfalls nicht auf den Nachfolger des Königs, von dem die Schenkung herrührt. 5 Formeln von Schenkungsurkunden, welche die Veräuſserungsfreiheit aus- drücklich gewähren, lassen sie nicht als Konsequenz der Übereignung erscheinen, sondern führen sie auf besondere Erlaubnis des Königs zurück. Marculf I 14. 15. 16. 17. 30. Pertz, Dipl. M. 3. 25. 35. Mitunter geht aus königlichen Schenkungen an Kirchen die Absicht des Königs hervor, daſs das Gut immerdar bei der beschenk- ten Kirche (Pertz, Dipl. M. 21. 27. 45. 63. 71. 75. 85. 87), aus solchen an Laien, daſs es bei den Nachkommen des Beschenkten (Marculf I 31, Mühlbacher Nr. 123) verbleiben, also nicht veräuſsert werden solle. Manchmal wird die Zu-

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/262>, abgerufen am 25.11.2024.