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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 95. Die Vögte.
Immunitätsleute auszuüben und deren Beziehungen zum öffentlichen
Gericht und zur öffentlichen Gewalt zu vermitteln hatten. Diese Be-
amten, die unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinen, lassen sich
unter dem Namen Vögte zusammenfassen.

Für die Kirchen hatte die Vogtei noch eine andere bedeutsame
Funktion, nämlich die Vertretung der Kirche nach aussen in weltlichen
Händeln. Da in der Geschichte der Vogtei zuerst diese vertretende
Thätigkeit der kirchlichen Vögte auftaucht, mag sie im folgenden vor-
weg erledigt werden.

Die ältesten Nachrichten über die kirchliche Vogtei reichen in
die römische Zeit zurück und betreffen die afrikanischen Kirchen.
Ein Konzil von Karthago v. J. 407 erbat vom Kaiser die Erlaubnis,
defensores der Kirchen aus dem Kollegium der Advokaten1 bestellen
zu dürfen, die das Recht des unmittelbaren Zutritts zu den Beamten
haben sollten2. Eine Konstitution desselben Jahres gestattete den
Kirchen, sich in der erbetenen Weise durch advocati ihrer Wahl ver-
treten zu lassen3. In Italien begegnen uns seit Ende des fünften
Jahrhunderts die Vertreter der Kirchen als defensores ecclesiae4. Mit
Rücksicht auf die Aufgaben des Defensors5 durfte nach einem Schrei-
ben des Papstes Pelagius I. ein Mönch dazu nicht ernannt werden6.
Gregor I. beschränkte das Amt auf Kleriker und schuf die Einrich-
tung der defensores regionarii, welche die Stellung von Regionar-
geistlichen erhielten7. Ihre Aufgabe war der Schutz der Armen, Witwen
und Waisen und die Vertretung der kirchlichen Rechte und Güter.

1 Über die advocati der spätrömischen Zeit siehe v. Bethmann-Hollweg,
Civilprozess III 161.
2 .. ut dent (imperatores) facultatem defensores constituendi scholasticos, qui
in actu sunt vel in munere defensionis causarum, ut more sacerdotum provinciae
iidem ipsi, qui defensionem ecclesiarum susceperint, habeant facultatem pro nego-
tiis ecclesiarum .. ingredi iudicum secretaria (sie sollen der Vermittlung der Sub-
alternbeamten enthoben sein, vgl. oben S. 115, Anm. 16). Erhalten in den Akten
des Konzils von Karthago v. J. 419. Vgl. Maassen, Geschichte der Quellen ..
des canon. Rechts S. 162. 164 f.
3 Cod. Theod. XVI 2, 38 v. J. 407. Dazu die Emendationen und der Kom-
mentar Gothofreds.
4 Defensores ecclesiae Mediolanensis in Cassiodor, Variae II 30, defensores
ecclesiae Romanae l. c. III 45, IX 15. Defensores ecclesiae Ravennatis in Marini,
Papiri diplom. Nr. 74. Vgl. Marini Nr. 84 v. J. 491; 87. 88. 110. 119. 122 (filia
Felici defensori sanctae ecclesiae Romanae).
5 Als solche werden genannt: causarum cognitio, conventiones, actus, publica
litigia et quaecumque vel ecclesiastica instituta vel supplicantium necessitas poscit.
6 Jaffe Nr. 986. Gratiani Decr. C. XVI, qu. 1, c. 20.
7 Hinschius, Kirchenrecht I 377.

§ 95. Die Vögte.
Immunitätsleute auszuüben und deren Beziehungen zum öffentlichen
Gericht und zur öffentlichen Gewalt zu vermitteln hatten. Diese Be-
amten, die unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinen, lassen sich
unter dem Namen Vögte zusammenfassen.

Für die Kirchen hatte die Vogtei noch eine andere bedeutsame
Funktion, nämlich die Vertretung der Kirche nach auſsen in weltlichen
Händeln. Da in der Geschichte der Vogtei zuerst diese vertretende
Thätigkeit der kirchlichen Vögte auftaucht, mag sie im folgenden vor-
weg erledigt werden.

Die ältesten Nachrichten über die kirchliche Vogtei reichen in
die römische Zeit zurück und betreffen die afrikanischen Kirchen.
Ein Konzil von Karthago v. J. 407 erbat vom Kaiser die Erlaubnis,
defensores der Kirchen aus dem Kollegium der Advokaten1 bestellen
zu dürfen, die das Recht des unmittelbaren Zutritts zu den Beamten
haben sollten2. Eine Konstitution desselben Jahres gestattete den
Kirchen, sich in der erbetenen Weise durch advocati ihrer Wahl ver-
treten zu lassen3. In Italien begegnen uns seit Ende des fünften
Jahrhunderts die Vertreter der Kirchen als defensores ecclesiae4. Mit
Rücksicht auf die Aufgaben des Defensors5 durfte nach einem Schrei-
ben des Papstes Pelagius I. ein Mönch dazu nicht ernannt werden6.
Gregor I. beschränkte das Amt auf Kleriker und schuf die Einrich-
tung der defensores regionarii, welche die Stellung von Regionar-
geistlichen erhielten7. Ihre Aufgabe war der Schutz der Armen, Witwen
und Waisen und die Vertretung der kirchlichen Rechte und Güter.

1 Über die advocati der spätrömischen Zeit siehe v. Bethmann-Hollweg,
Civilprozeſs III 161.
2 .. ut dent (imperatores) facultatem defensores constituendi scholasticos, qui
in actu sunt vel in munere defensionis causarum, ut more sacerdotum provinciae
iidem ipsi, qui defensionem ecclesiarum susceperint, habeant facultatem pro nego-
tiis ecclesiarum .. ingredi iudicum secretaria (sie sollen der Vermittlung der Sub-
alternbeamten enthoben sein, vgl. oben S. 115, Anm. 16). Erhalten in den Akten
des Konzils von Karthago v. J. 419. Vgl. Maaſsen, Geschichte der Quellen ..
des canon. Rechts S. 162. 164 f.
3 Cod. Theod. XVI 2, 38 v. J. 407. Dazu die Emendationen und der Kom-
mentar Gothofreds.
4 Defensores ecclesiae Mediolanensis in Cassiodor, Variae II 30, defensores
ecclesiae Romanae l. c. III 45, IX 15. Defensores ecclesiae Ravennatis in Marini,
Papiri diplom. Nr. 74. Vgl. Marini Nr. 84 v. J. 491; 87. 88. 110. 119. 122 (filia
Felici defensori sanctae ecclesiae Romanae).
5 Als solche werden genannt: causarum cognitio, conventiones, actus, publica
litigia et quaecumque vel ecclesiastica instituta vel supplicantium necessitas poscit.
6 Jaffé Nr. 986. Gratiani Decr. C. XVI, qu. 1, c. 20.
7 Hinschius, Kirchenrecht I 377.
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[303/0321] § 95. Die Vögte. Immunitätsleute auszuüben und deren Beziehungen zum öffentlichen Gericht und zur öffentlichen Gewalt zu vermitteln hatten. Diese Be- amten, die unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinen, lassen sich unter dem Namen Vögte zusammenfassen. Für die Kirchen hatte die Vogtei noch eine andere bedeutsame Funktion, nämlich die Vertretung der Kirche nach auſsen in weltlichen Händeln. Da in der Geschichte der Vogtei zuerst diese vertretende Thätigkeit der kirchlichen Vögte auftaucht, mag sie im folgenden vor- weg erledigt werden. Die ältesten Nachrichten über die kirchliche Vogtei reichen in die römische Zeit zurück und betreffen die afrikanischen Kirchen. Ein Konzil von Karthago v. J. 407 erbat vom Kaiser die Erlaubnis, defensores der Kirchen aus dem Kollegium der Advokaten 1 bestellen zu dürfen, die das Recht des unmittelbaren Zutritts zu den Beamten haben sollten 2. Eine Konstitution desselben Jahres gestattete den Kirchen, sich in der erbetenen Weise durch advocati ihrer Wahl ver- treten zu lassen 3. In Italien begegnen uns seit Ende des fünften Jahrhunderts die Vertreter der Kirchen als defensores ecclesiae 4. Mit Rücksicht auf die Aufgaben des Defensors 5 durfte nach einem Schrei- ben des Papstes Pelagius I. ein Mönch dazu nicht ernannt werden 6. Gregor I. beschränkte das Amt auf Kleriker und schuf die Einrich- tung der defensores regionarii, welche die Stellung von Regionar- geistlichen erhielten 7. Ihre Aufgabe war der Schutz der Armen, Witwen und Waisen und die Vertretung der kirchlichen Rechte und Güter. 1 Über die advocati der spätrömischen Zeit siehe v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs III 161. 2 .. ut dent (imperatores) facultatem defensores constituendi scholasticos, qui in actu sunt vel in munere defensionis causarum, ut more sacerdotum provinciae iidem ipsi, qui defensionem ecclesiarum susceperint, habeant facultatem pro nego- tiis ecclesiarum .. ingredi iudicum secretaria (sie sollen der Vermittlung der Sub- alternbeamten enthoben sein, vgl. oben S. 115, Anm. 16). Erhalten in den Akten des Konzils von Karthago v. J. 419. Vgl. Maaſsen, Geschichte der Quellen .. des canon. Rechts S. 162. 164 f. 3 Cod. Theod. XVI 2, 38 v. J. 407. Dazu die Emendationen und der Kom- mentar Gothofreds. 4 Defensores ecclesiae Mediolanensis in Cassiodor, Variae II 30, defensores ecclesiae Romanae l. c. III 45, IX 15. Defensores ecclesiae Ravennatis in Marini, Papiri diplom. Nr. 74. Vgl. Marini Nr. 84 v. J. 491; 87. 88. 110. 119. 122 (filia Felici defensori sanctae ecclesiae Romanae). 5 Als solche werden genannt: causarum cognitio, conventiones, actus, publica litigia et quaecumque vel ecclesiastica instituta vel supplicantium necessitas poscit. 6 Jaffé Nr. 986. Gratiani Decr. C. XVI, qu. 1, c. 20. 7 Hinschius, Kirchenrecht I 377.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/321>, abgerufen am 22.11.2024.