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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 100. Vorsprecher und Anwälte.

Legum magistri, legis doctores sind aber auch schon im neunten
Jahrhundert als Vorsprecher bezeugt. So in einer Erzählung über
einen Rechtsstreit, welcher in der Zeit Ludwigs I. zwischen den Kirchen
von Fleury und Saint Denis entbrannt war15. Auf verschiedenen
Gerichtstagen brachten damals beide Parteien zahlreiche legum magistri
et iudices mit, um ihre Sachen zu führen16. Auf Seite des Vogtes von
S. Denis erscheint ein legis doctor, der auch legislator und iudex
genannt wird und einen vom Vicecomes und schliesslich von der ganzen
Gerichtsversammlung gebilligten Urteilsvorschlag einbringt17. Es
handelt sich da um Vorsprecher, die, weil sie als Dingleute oder
Schöffen an der Urteilfindung teil nehmen, u. a. iudices heissen.

Ein Kapitular Ludwigs I. von 818/9 weist den Grafen an, Witwen,
Mündeln und Armen, die des Rechtes nicht kundig sind, von Amts-
wegen einen Vorsprecher zu geben18.

Schon Karl der Grosse hatte Anlass, gegen Missbräuche zu kämpfen,
die sich im Vorsprecherwesen eingeschlichen hatten. Er erklärt es für
eine Verletzung der Treupflicht, wenn jemand gewohnheitsmässig das
Wort für andere führt, um das Recht zu verkehren und Parteien, die
des gerichtlichen Wortes minder kundig sind, zu unterdrücken19.

15 Adrevaldi Floriacensis miracula S. Benedicti MG SS XV 1, S. 489 ff. Vgl.
oben S. 225, Anm. 33.
16 Die Worte der Quellen verbieten es, dabei an Schöffen oder Urteilfinder
als solche zu denken. Colliguntur ab utrisque partibus plurimi legum magistri
et iudices, qui pro partibus decertarent. Schöffen und Urteilfinder werden be-
kanntlich nicht von der Partei ausgewählt und haben nicht die Aufgabe, für die Par-
teien zu streiten. Auch Vertreter im Rechtsstreite können nicht gemeint sein;
denn soweit ein solcher Vertreter gestattet ist, kann die Partei nur einen haben.
Von dem zweiten, zu Orleans abgehaltenen Gerichtstage heisst es: venientes itaque
ad condictum locum legum magistri et iudices, utraque ex parte acerrime de-
certabant; aderant namque legum doctores tam ex Aurelianensi quam ex Vastinensi
provincia. Auch dies passt nur auf Vorsprecher.
17 .. quidam Vastinensis regionis legis doctor .. qui .. ex parte advocati
S. Dionysii munere corruptus advenerat ... iudicium protulit ... At vero S. Bene-
dictus nequaquam iudicis illius et legislatoris oblitus est ...
18 Cap. legg. add. 818/9, c. 3, I 281: et si .. legem nescierint, comes illos
vel illas adiuvet dando eis talem hominem, qui rationem eorum teneat vel pro eis
loquatur.
19 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 9, I 93: ut nemo in placito pro alio ratio-
nare usum habeat defensionem alterius iniuste sive pro cupiditate aliqua minus
rationare valente vel pro ingenio rationis suae iustum iudicium marrire vel ratio-
nem suam minus valente opprimendi studio. Die Stelle ist korrumpiert. Das
minus rationare valente ist vermutlich oben zu streichen und dafür am Schlusse
zu lesen: vel rationem suam minus rationare valente opprimendi studio. Auf einen
§ 100. Vorsprecher und Anwälte.

Legum magistri, legis doctores sind aber auch schon im neunten
Jahrhundert als Vorsprecher bezeugt. So in einer Erzählung über
einen Rechtsstreit, welcher in der Zeit Ludwigs I. zwischen den Kirchen
von Fleury und Saint Denis entbrannt war15. Auf verschiedenen
Gerichtstagen brachten damals beide Parteien zahlreiche legum magistri
et iudices mit, um ihre Sachen zu führen16. Auf Seite des Vogtes von
S. Denis erscheint ein legis doctor, der auch legislator und iudex
genannt wird und einen vom Vicecomes und schlieſslich von der ganzen
Gerichtsversammlung gebilligten Urteilsvorschlag einbringt17. Es
handelt sich da um Vorsprecher, die, weil sie als Dingleute oder
Schöffen an der Urteilfindung teil nehmen, u. a. iudices heiſsen.

Ein Kapitular Ludwigs I. von 818/9 weist den Grafen an, Witwen,
Mündeln und Armen, die des Rechtes nicht kundig sind, von Amts-
wegen einen Vorsprecher zu geben18.

Schon Karl der Groſse hatte Anlaſs, gegen Miſsbräuche zu kämpfen,
die sich im Vorsprecherwesen eingeschlichen hatten. Er erklärt es für
eine Verletzung der Treupflicht, wenn jemand gewohnheitsmäſsig das
Wort für andere führt, um das Recht zu verkehren und Parteien, die
des gerichtlichen Wortes minder kundig sind, zu unterdrücken19.

15 Adrevaldi Floriacensis miracula S. Benedicti MG SS XV 1, S. 489 ff. Vgl.
oben S. 225, Anm. 33.
16 Die Worte der Quellen verbieten es, dabei an Schöffen oder Urteilfinder
als solche zu denken. Colliguntur ab utrisque partibus plurimi legum magistri
et iudices, qui pro partibus decertarent. Schöffen und Urteilfinder werden be-
kanntlich nicht von der Partei ausgewählt und haben nicht die Aufgabe, für die Par-
teien zu streiten. Auch Vertreter im Rechtsstreite können nicht gemeint sein;
denn soweit ein solcher Vertreter gestattet ist, kann die Partei nur einen haben.
Von dem zweiten, zu Orléans abgehaltenen Gerichtstage heiſst es: venientes itaque
ad condictum locum legum magistri et iudices, utraque ex parte acerrime de-
certabant; aderant namque legum doctores tam ex Aurelianensi quam ex Vastinensi
provincia. Auch dies paſst nur auf Vorsprecher.
17 .. quidam Vastinensis regionis legis doctor .. qui .. ex parte advocati
S. Dionysii munere corruptus advenerat … iudicium protulit … At vero S. Bene-
dictus nequaquam iudicis illius et legislatoris oblitus est …
18 Cap. legg. add. 818/9, c. 3, I 281: et si .. legem nescierint, comes illos
vel illas adiuvet dando eis talem hominem, qui rationem eorum teneat vel pro eis
loquatur.
19 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 9, I 93: ut nemo in placito pro alio ratio-
nare usum habeat defensionem alterius iniuste sive pro cupiditate aliqua minus
rationare valente vel pro ingenio rationis suae iustum iudicium marrire vel ratio-
nem suam minus valente opprimendi studio. Die Stelle ist korrumpiert. Das
minus rationare valente ist vermutlich oben zu streichen und dafür am Schlusse
zu lesen: vel rationem suam minus rationare valente opprimendi studio. Auf einen
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[352/0370] § 100. Vorsprecher und Anwälte. Legum magistri, legis doctores sind aber auch schon im neunten Jahrhundert als Vorsprecher bezeugt. So in einer Erzählung über einen Rechtsstreit, welcher in der Zeit Ludwigs I. zwischen den Kirchen von Fleury und Saint Denis entbrannt war 15. Auf verschiedenen Gerichtstagen brachten damals beide Parteien zahlreiche legum magistri et iudices mit, um ihre Sachen zu führen 16. Auf Seite des Vogtes von S. Denis erscheint ein legis doctor, der auch legislator und iudex genannt wird und einen vom Vicecomes und schlieſslich von der ganzen Gerichtsversammlung gebilligten Urteilsvorschlag einbringt 17. Es handelt sich da um Vorsprecher, die, weil sie als Dingleute oder Schöffen an der Urteilfindung teil nehmen, u. a. iudices heiſsen. Ein Kapitular Ludwigs I. von 818/9 weist den Grafen an, Witwen, Mündeln und Armen, die des Rechtes nicht kundig sind, von Amts- wegen einen Vorsprecher zu geben 18. Schon Karl der Groſse hatte Anlaſs, gegen Miſsbräuche zu kämpfen, die sich im Vorsprecherwesen eingeschlichen hatten. Er erklärt es für eine Verletzung der Treupflicht, wenn jemand gewohnheitsmäſsig das Wort für andere führt, um das Recht zu verkehren und Parteien, die des gerichtlichen Wortes minder kundig sind, zu unterdrücken 19. 15 Adrevaldi Floriacensis miracula S. Benedicti MG SS XV 1, S. 489 ff. Vgl. oben S. 225, Anm. 33. 16 Die Worte der Quellen verbieten es, dabei an Schöffen oder Urteilfinder als solche zu denken. Colliguntur ab utrisque partibus plurimi legum magistri et iudices, qui pro partibus decertarent. Schöffen und Urteilfinder werden be- kanntlich nicht von der Partei ausgewählt und haben nicht die Aufgabe, für die Par- teien zu streiten. Auch Vertreter im Rechtsstreite können nicht gemeint sein; denn soweit ein solcher Vertreter gestattet ist, kann die Partei nur einen haben. Von dem zweiten, zu Orléans abgehaltenen Gerichtstage heiſst es: venientes itaque ad condictum locum legum magistri et iudices, utraque ex parte acerrime de- certabant; aderant namque legum doctores tam ex Aurelianensi quam ex Vastinensi provincia. Auch dies paſst nur auf Vorsprecher. 17 .. quidam Vastinensis regionis legis doctor .. qui .. ex parte advocati S. Dionysii munere corruptus advenerat … iudicium protulit … At vero S. Bene- dictus nequaquam iudicis illius et legislatoris oblitus est … 18 Cap. legg. add. 818/9, c. 3, I 281: et si .. legem nescierint, comes illos vel illas adiuvet dando eis talem hominem, qui rationem eorum teneat vel pro eis loquatur. 19 Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 9, I 93: ut nemo in placito pro alio ratio- nare usum habeat defensionem alterius iniuste sive pro cupiditate aliqua minus rationare valente vel pro ingenio rationis suae iustum iudicium marrire vel ratio- nem suam minus valente opprimendi studio. Die Stelle ist korrumpiert. Das minus rationare valente ist vermutlich oben zu streichen und dafür am Schlusse zu lesen: vel rationem suam minus rationare valente opprimendi studio. Auf einen

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/370>, abgerufen am 22.11.2024.