Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 104. Parteieid und Eideshilfe. Sippe, so wurde der Zwölfereid von ihm mit eilf Helfern, andernfallsmit zwölf geschworen. Jene Methode war wohl die ältere. Die Lex Salica hebt gelegentlich unter den Eidhelfern drei heraus, Eine bei der Eideshilfe vertretene Abteilung der Sippe scheint klägern (hulpe claghers). Letztere, die rechtsgeschichtlich aus Eidhelfern des Klä- gers im Voreid zu erklären sind, müssen den vier Vierteln der Magschaft ent- nommen sein. Art. 2 der genannten Quelle lässt den Beklagten die Einrede erheben, dass von den Hilfsklägern zwei aus demselben Viertel der Magschaft seien und somit ein Viertel durch keinen Kläger vertreten sei (ende dat een vierendeel van der maechscepe staet sonder clagere). 60 Lex Sal. 48, 2, Cod. 5. 6. 10 und Emend. 61 Lex Sal. 102. Da unter den daselbst angegebenen Fällen der Freiheits- prozess genannt wird, muss es sich um Eidhelfer aus der Verwandtschaft handeln. 62 Carta Senon. 17. 21. 63 Lex Sal. 74, 2. Vgl. oben Anm. 53. 64 Die hynden stellt sich in Ine 54, § 1 als eine Gruppe der beleidigten
Magschaft dar. Der Todschläger darf an jede der Hynden des Erschlagenen einen Mann, eine Brünne und ein Schwert auf das Wergeld geben. Eine Gruppe der Sippe des Beklagten ist die hynden in Ine 54 pr., wo es heisst, dass, wenn der Beklagte sich eidlich reinigen will, in jeder Hynden ein kyning-aede sein müsse. Schmid nimmt aede für aewda, Eidhelfer, und übersetzt Königseider. Unter einem solchen könnte ein Eidhelfer gemeint sein, den mit Rücksicht auf die dem König durch die Reinigung des Beklagten entgehenden Ansprüche am Wergeld der könig- liche Beamte aus jeder Hynden der Magschaft auszuwählen hat. In Aethelstan VI 3 und VI 8, § 1 erscheinen die Hynden als Abteilungen der Friedens- gilden. Jede Hynden hat einen Hyndenmann an der Spitze. Neben den Hynden- männern giebt es Zehntschaftsälteste. Dabei bleibt es unklar, wie sich die Hynden zur Zehntschaft verhält. Vermutlich war die Zehntschaft eine Neuerung, dagegen die Hynden eine ältere, der Gliederung des Geschlechtes nachgebildete Abteilung der Gilde und zwar eine Abteilung ohne geschlossene Mitgliederzahl. Die herr- schende Ansicht fasst den Hyndenmann als Vorsteher von Hundert auf. Siehe Hegel, Städte und Gilden 1891, I 26. § 104. Parteieid und Eideshilfe. Sippe, so wurde der Zwölfereid von ihm mit eilf Helfern, andernfallsmit zwölf geschworen. Jene Methode war wohl die ältere. Die Lex Salica hebt gelegentlich unter den Eidhelfern drei heraus, Eine bei der Eideshilfe vertretene Abteilung der Sippe scheint klägern (hulpe claghers). Letztere, die rechtsgeschichtlich aus Eidhelfern des Klä- gers im Voreid zu erklären sind, müssen den vier Vierteln der Magschaft ent- nommen sein. Art. 2 der genannten Quelle läſst den Beklagten die Einrede erheben, daſs von den Hilfsklägern zwei aus demselben Viertel der Magschaft seien und somit ein Viertel durch keinen Kläger vertreten sei (ende dat een vierendeel van der maechscepe staet sonder clagere). 60 Lex Sal. 48, 2, Cod. 5. 6. 10 und Emend. 61 Lex Sal. 102. Da unter den daselbst angegebenen Fällen der Freiheits- prozeſs genannt wird, muſs es sich um Eidhelfer aus der Verwandtschaft handeln. 62 Carta Senon. 17. 21. 63 Lex Sal. 74, 2. Vgl. oben Anm. 53. 64 Die hynden stellt sich in Ine 54, § 1 als eine Gruppe der beleidigten
Magschaft dar. Der Todschläger darf an jede der Hynden des Erschlagenen einen Mann, eine Brünne und ein Schwert auf das Wergeld geben. Eine Gruppe der Sippe des Beklagten ist die hynden in Ine 54 pr., wo es heiſst, daſs, wenn der Beklagte sich eidlich reinigen will, in jeder Hynden ein kyning-ǽde sein müsse. Schmid nimmt ǽde für ǽwda, Eidhelfer, und übersetzt Königseider. Unter einem solchen könnte ein Eidhelfer gemeint sein, den mit Rücksicht auf die dem König durch die Reinigung des Beklagten entgehenden Ansprüche am Wergeld der könig- liche Beamte aus jeder Hynden der Magschaft auszuwählen hat. In Aethelstan VI 3 und VI 8, § 1 erscheinen die Hynden als Abteilungen der Friedens- gilden. Jede Hynden hat einen Hyndenmann an der Spitze. Neben den Hynden- männern giebt es Zehntschaftsälteste. Dabei bleibt es unklar, wie sich die Hynden zur Zehntschaft verhält. Vermutlich war die Zehntschaft eine Neuerung, dagegen die Hynden eine ältere, der Gliederung des Geschlechtes nachgebildete Abteilung der Gilde und zwar eine Abteilung ohne geschlossene Mitgliederzahl. Die herr- schende Ansicht faſst den Hyndenmann als Vorsteher von Hundert auf. Siehe Hegel, Städte und Gilden 1891, I 26. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0404" n="386"/><fw place="top" type="header">§ 104. Parteieid und Eideshilfe.</fw><lb/> Sippe, so wurde der Zwölfereid von ihm mit eilf Helfern, andernfalls<lb/> mit zwölf geschworen. Jene Methode war wohl die ältere.</p><lb/> <p>Die Lex Salica hebt gelegentlich unter den Eidhelfern drei heraus,<lb/> die im Falle des Meineides erhöhte Buſse zahlen <note place="foot" n="60">Lex Sal. 48, 2, Cod. 5. 6. 10 und Emend.</note>. In einer Novelle<lb/> der Lex Salica erscheinen sie als tres seniores <note place="foot" n="61">Lex Sal. 102. Da unter den daselbst angegebenen Fällen der Freiheits-<lb/> prozeſs genannt wird, muſs es sich um Eidhelfer aus der Verwandtschaft handeln.</note>. Wahrscheinlich<lb/> erklären sie sich als die ältesten Verwandten bestimmter im Eide ver-<lb/> tretener Gruppen der Magschaft. Ihre Meineidsbuſse ist gleich der<lb/> des Hauptmannes. Mit ihnen darf man wohl die tres aloarius, aloariae<lb/> identificieren, die uns in einer fränkischen Formelsammlung begegnen <note place="foot" n="62">Carta Senon. 17. 21.</note>.<lb/> Das Wort ist als Allwahr (alawâri, unser albern) zu deuten. Die drei<lb/> Allwahren schwören nach dem Beweisführer, mit ihnen zwölf collau-<lb/> dantes. Jene haben sonach innerhalb der Gesamtheit der Eidhelfer<lb/> eine führende Rolle. Wo die Allwahren in die Zahl der Eidhelfer<lb/> nicht eingerechnet wurden, erhöhte sich der Zwölfereid zu einem Eide<lb/> mit 15 Helfern <note place="foot" n="63">Lex Sal. 74, 2. Vgl. oben Anm. 53.</note>.</p><lb/> <p>Eine bei der Eideshilfe vertretene Abteilung der Sippe scheint<lb/> die räthselhafte angelsächsische hynden gewesen zu sein <note place="foot" n="64">Die hynden stellt sich in Ine 54, § 1 als eine Gruppe der beleidigten<lb/> Magschaft dar. Der Todschläger darf an jede der Hynden des Erschlagenen einen<lb/> Mann, eine Brünne und ein Schwert auf das Wergeld geben. Eine Gruppe der<lb/> Sippe des Beklagten ist die hynden in Ine 54 pr., wo es heiſst, daſs, wenn der<lb/> Beklagte sich eidlich reinigen will, in jeder Hynden ein kyning-ǽde sein müsse.<lb/><hi rendition="#g">Schmid</hi> nimmt ǽde für ǽwda, Eidhelfer, und übersetzt Königseider. Unter einem<lb/> solchen könnte ein Eidhelfer gemeint sein, den mit Rücksicht auf die dem König<lb/> durch die Reinigung des Beklagten entgehenden Ansprüche am Wergeld der könig-<lb/> liche Beamte aus jeder Hynden der Magschaft auszuwählen hat. In Aethelstan<lb/> VI 3 und VI 8, § 1 erscheinen die Hynden als Abteilungen der Friedens-<lb/> gilden. Jede Hynden hat einen Hyndenmann an der Spitze. Neben den Hynden-<lb/> männern giebt es Zehntschaftsälteste. Dabei bleibt es unklar, wie sich die Hynden<lb/> zur Zehntschaft verhält. Vermutlich war die Zehntschaft eine Neuerung, dagegen<lb/> die Hynden eine ältere, der Gliederung des Geschlechtes nachgebildete Abteilung<lb/> der Gilde und zwar eine Abteilung ohne geschlossene Mitgliederzahl. Die herr-<lb/> schende Ansicht faſst den Hyndenmann als Vorsteher von Hundert auf. Siehe<lb/><hi rendition="#g">Hegel</hi>, Städte und Gilden 1891, I 26.</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_98_2" prev="#seg2pn_98_1" place="foot" n="59">klägern (hulpe claghers). Letztere, die rechtsgeschichtlich aus Eidhelfern des Klä-<lb/> gers im Voreid zu erklären sind, müssen den vier Vierteln der Magschaft ent-<lb/> nommen sein. Art. 2 der genannten Quelle läſst den Beklagten die Einrede<lb/> erheben, daſs von den Hilfsklägern zwei aus demselben Viertel der Magschaft seien<lb/> und somit ein Viertel durch keinen Kläger vertreten sei (ende dat een vierendeel<lb/> van der maechscepe staet sonder clagere).</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [386/0404]
§ 104. Parteieid und Eideshilfe.
Sippe, so wurde der Zwölfereid von ihm mit eilf Helfern, andernfalls
mit zwölf geschworen. Jene Methode war wohl die ältere.
Die Lex Salica hebt gelegentlich unter den Eidhelfern drei heraus,
die im Falle des Meineides erhöhte Buſse zahlen 60. In einer Novelle
der Lex Salica erscheinen sie als tres seniores 61. Wahrscheinlich
erklären sie sich als die ältesten Verwandten bestimmter im Eide ver-
tretener Gruppen der Magschaft. Ihre Meineidsbuſse ist gleich der
des Hauptmannes. Mit ihnen darf man wohl die tres aloarius, aloariae
identificieren, die uns in einer fränkischen Formelsammlung begegnen 62.
Das Wort ist als Allwahr (alawâri, unser albern) zu deuten. Die drei
Allwahren schwören nach dem Beweisführer, mit ihnen zwölf collau-
dantes. Jene haben sonach innerhalb der Gesamtheit der Eidhelfer
eine führende Rolle. Wo die Allwahren in die Zahl der Eidhelfer
nicht eingerechnet wurden, erhöhte sich der Zwölfereid zu einem Eide
mit 15 Helfern 63.
Eine bei der Eideshilfe vertretene Abteilung der Sippe scheint
die räthselhafte angelsächsische hynden gewesen zu sein 64.
59
60 Lex Sal. 48, 2, Cod. 5. 6. 10 und Emend.
61 Lex Sal. 102. Da unter den daselbst angegebenen Fällen der Freiheits-
prozeſs genannt wird, muſs es sich um Eidhelfer aus der Verwandtschaft handeln.
62 Carta Senon. 17. 21.
63 Lex Sal. 74, 2. Vgl. oben Anm. 53.
64 Die hynden stellt sich in Ine 54, § 1 als eine Gruppe der beleidigten
Magschaft dar. Der Todschläger darf an jede der Hynden des Erschlagenen einen
Mann, eine Brünne und ein Schwert auf das Wergeld geben. Eine Gruppe der
Sippe des Beklagten ist die hynden in Ine 54 pr., wo es heiſst, daſs, wenn der
Beklagte sich eidlich reinigen will, in jeder Hynden ein kyning-ǽde sein müsse.
Schmid nimmt ǽde für ǽwda, Eidhelfer, und übersetzt Königseider. Unter einem
solchen könnte ein Eidhelfer gemeint sein, den mit Rücksicht auf die dem König
durch die Reinigung des Beklagten entgehenden Ansprüche am Wergeld der könig-
liche Beamte aus jeder Hynden der Magschaft auszuwählen hat. In Aethelstan
VI 3 und VI 8, § 1 erscheinen die Hynden als Abteilungen der Friedens-
gilden. Jede Hynden hat einen Hyndenmann an der Spitze. Neben den Hynden-
männern giebt es Zehntschaftsälteste. Dabei bleibt es unklar, wie sich die Hynden
zur Zehntschaft verhält. Vermutlich war die Zehntschaft eine Neuerung, dagegen
die Hynden eine ältere, der Gliederung des Geschlechtes nachgebildete Abteilung
der Gilde und zwar eine Abteilung ohne geschlossene Mitgliederzahl. Die herr-
schende Ansicht faſst den Hyndenmann als Vorsteher von Hundert auf. Siehe
Hegel, Städte und Gilden 1891, I 26.
59 klägern (hulpe claghers). Letztere, die rechtsgeschichtlich aus Eidhelfern des Klä-
gers im Voreid zu erklären sind, müssen den vier Vierteln der Magschaft ent-
nommen sein. Art. 2 der genannten Quelle läſst den Beklagten die Einrede
erheben, daſs von den Hilfsklägern zwei aus demselben Viertel der Magschaft seien
und somit ein Viertel durch keinen Kläger vertreten sei (ende dat een vierendeel
van der maechscepe staet sonder clagere).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |