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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 110. Die aussergerichtliche Pfandnahme.

Gewisse Gegenstände sind nach manchen Rechten entweder aus
wirtschaftlichen Gründen oder um des Landfriedens willen von der
Pfändung schlechtweg ausgeschlossen oder dürfen nur subsidiär, näm-
lich in Ermangelung anderer Pfändungsobjekte, gepfändet werden; so
Zugtiere und Zinshöfe bei den Langobarden 23, Ochsen bei den Bur-
gundern 24, gewisse Viehherden bei Alamannen 25, Baiern 26 und
Langobarden 27.

Verboten ist es, sich der rechtmässigen Pfandnahme zu wider-
setzen (Pfandwehrung), verboten, die gepfändeten Gegenstände gewalt-
sam zurückzunehmen (Pfandkehrung), verboten, den Pfandnehmer
zur Vergeltung zu pfänden (Gegenpfändung). Andererseits wird ver-
frühte, übermässige und rechtswidrige Pfandnahme entweder als Raub
oder Diebstahl oder als selbständiges Delikt unter Busse gestellt 28.


donatoris retinentis usumfructum sibi. Gafand stellt Schade, WB S. 242 und
S. 161, zu fant, Erträgnis, Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 145
zu gafahan. Vgl. Nani S. 109. Nach der Satzung für die Dunseten, Schmid, An-
hang I, c. 2. 3, war es im Grenzverkehr zwischen Wälen und Engländern ge-
stattet, von einem Ufer zum andern jeden Volksgenossen des Schuldners zu pfän-
den. Schmid, Ges. d. Ags. S. 642. Eine Repressalienpfändung scheinen die
Verträge mit Venedig (Lothar c. 12, Cap. II 132) und das Pactum Sicardi (c. 8)
im Auge zu haben. Pertile I 254, Anm. 41.
23 Ro. 250. 252. Doch mochte der Schuldner bei Abschluss des Schuldver-
trages dem Gläubiger die Pfändung gestatten. Liu. 109. Wach, Arrestprozess
S. 22. Auch konnte der Gläubiger, wenn das Vermögen des Schuldners ausser
Zugtieren kein genügendes Pfändungsobjekt darbot, deren Pfändung durch den
Schultheiss erwirken. Ro. 251. Allgemein untersagt die Pfändung von Ochsen,
sodass sie auch dem Richter verwehrt ist, die Concessio generalis Lothars I. v. J.
823 (?), c. 2, Cap. I 320.
24 Die Pfändung von Ochsen und Feldsklaven verbietet mit Rücksicht auf die
Erhaltung der Steuerkraft des Landes Cod. Theod. II 30, 1 bei Todesstrafe, Cod.
Iust. VIII 16, 7 bei arbiträrer Strafe. Lex Burg. 105 (siehe oben I 338) untersagt
bei Busse die Pfändung von Ochsen, falls andere Pfändungsobjekte da sind.
25 Pactus V 4. Lex Alam. 67, 1. Herdenpfändung ging, wie Pactus V 5
ersehen lässt, regelmässig nicht ohne Thätlichkeit gegen die Hirten ab. Sie war
daher um des Friedens willen verboten. Der Schüttung (siehe unten § 123) galten
die Verbote nicht.
26 Lex Baiuw. XIII 4. 5.
27 Nach Ro. 249 war Pfändung von Pferde- und Schweineherden nur auf
Grund königlichen Befehles zulässig. Schlechtweg schliesst sie Lothars Pactum
v. J. 840, c. 21, Cap. II 134 aus.
28 Ro. 246 bei neunfachem Ersatz. Lex Baiuw. XIII 3 bei duplum und fre-
dus. Lex Sal. 75 bei Verlust der Forderung und Busse von 15 Sol. Lex Burg.
19, 1 bei Verlust der Forderung und Brüche von 12 Sol. Ine 9 bei Busse von 30
Sol. Östgötalagen (Amira I 236) bei Verlust der Forderung und Dreimarkbusse.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 29
§ 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme.

Gewisse Gegenstände sind nach manchen Rechten entweder aus
wirtschaftlichen Gründen oder um des Landfriedens willen von der
Pfändung schlechtweg ausgeschlossen oder dürfen nur subsidiär, näm-
lich in Ermangelung anderer Pfändungsobjekte, gepfändet werden; so
Zugtiere und Zinshöfe bei den Langobarden 23, Ochsen bei den Bur-
gundern 24, gewisse Viehherden bei Alamannen 25, Baiern 26 und
Langobarden 27.

Verboten ist es, sich der rechtmäſsigen Pfandnahme zu wider-
setzen (Pfandwehrung), verboten, die gepfändeten Gegenstände gewalt-
sam zurückzunehmen (Pfandkehrung), verboten, den Pfandnehmer
zur Vergeltung zu pfänden (Gegenpfändung). Andererseits wird ver-
frühte, übermäſsige und rechtswidrige Pfandnahme entweder als Raub
oder Diebstahl oder als selbständiges Delikt unter Buſse gestellt 28.


donatoris retinentis usumfructum sibi. Gafand stellt Schade, WB S. 242 und
S. 161, zu fant, Erträgnis, Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 145
zu gafâhan. Vgl. Nani S. 109. Nach der Satzung für die Dunseten, Schmid, An-
hang I, c. 2. 3, war es im Grenzverkehr zwischen Wälen und Engländern ge-
stattet, von einem Ufer zum andern jeden Volksgenossen des Schuldners zu pfän-
den. Schmid, Ges. d. Ags. S. 642. Eine Repressalienpfändung scheinen die
Verträge mit Venedig (Lothar c. 12, Cap. II 132) und das Pactum Sicardi (c. 8)
im Auge zu haben. Pertile I 254, Anm. 41.
23 Ro. 250. 252. Doch mochte der Schuldner bei Abschluſs des Schuldver-
trages dem Gläubiger die Pfändung gestatten. Liu. 109. Wach, Arrestprozeſs
S. 22. Auch konnte der Gläubiger, wenn das Vermögen des Schuldners auſser
Zugtieren kein genügendes Pfändungsobjekt darbot, deren Pfändung durch den
Schultheiſs erwirken. Ro. 251. Allgemein untersagt die Pfändung von Ochsen,
sodaſs sie auch dem Richter verwehrt ist, die Concessio generalis Lothars I. v. J.
823 (?), c. 2, Cap. I 320.
24 Die Pfändung von Ochsen und Feldsklaven verbietet mit Rücksicht auf die
Erhaltung der Steuerkraft des Landes Cod. Theod. II 30, 1 bei Todesstrafe, Cod.
Iust. VIII 16, 7 bei arbiträrer Strafe. Lex Burg. 105 (siehe oben I 338) untersagt
bei Buſse die Pfändung von Ochsen, falls andere Pfändungsobjekte da sind.
25 Pactus V 4. Lex Alam. 67, 1. Herdenpfändung ging, wie Pactus V 5
ersehen läſst, regelmäſsig nicht ohne Thätlichkeit gegen die Hirten ab. Sie war
daher um des Friedens willen verboten. Der Schüttung (siehe unten § 123) galten
die Verbote nicht.
26 Lex Baiuw. XIII 4. 5.
27 Nach Ro. 249 war Pfändung von Pferde- und Schweineherden nur auf
Grund königlichen Befehles zulässig. Schlechtweg schlieſst sie Lothars Pactum
v. J. 840, c. 21, Cap. II 134 aus.
28 Ro. 246 bei neunfachem Ersatz. Lex Baiuw. XIII 3 bei duplum und fre-
dus. Lex Sal. 75 bei Verlust der Forderung und Buſse von 15 Sol. Lex Burg.
19, 1 bei Verlust der Forderung und Brüche von 12 Sol. Ine 9 bei Buſse von 30
Sol. Östgötalagen (Amira I 236) bei Verlust der Forderung und Dreimarkbuſse.
Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 29
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[449/0467] § 110. Die auſsergerichtliche Pfandnahme. Gewisse Gegenstände sind nach manchen Rechten entweder aus wirtschaftlichen Gründen oder um des Landfriedens willen von der Pfändung schlechtweg ausgeschlossen oder dürfen nur subsidiär, näm- lich in Ermangelung anderer Pfändungsobjekte, gepfändet werden; so Zugtiere und Zinshöfe bei den Langobarden 23, Ochsen bei den Bur- gundern 24, gewisse Viehherden bei Alamannen 25, Baiern 26 und Langobarden 27. Verboten ist es, sich der rechtmäſsigen Pfandnahme zu wider- setzen (Pfandwehrung), verboten, die gepfändeten Gegenstände gewalt- sam zurückzunehmen (Pfandkehrung), verboten, den Pfandnehmer zur Vergeltung zu pfänden (Gegenpfändung). Andererseits wird ver- frühte, übermäſsige und rechtswidrige Pfandnahme entweder als Raub oder Diebstahl oder als selbständiges Delikt unter Buſse gestellt 28. 22 23 Ro. 250. 252. Doch mochte der Schuldner bei Abschluſs des Schuldver- trages dem Gläubiger die Pfändung gestatten. Liu. 109. Wach, Arrestprozeſs S. 22. Auch konnte der Gläubiger, wenn das Vermögen des Schuldners auſser Zugtieren kein genügendes Pfändungsobjekt darbot, deren Pfändung durch den Schultheiſs erwirken. Ro. 251. Allgemein untersagt die Pfändung von Ochsen, sodaſs sie auch dem Richter verwehrt ist, die Concessio generalis Lothars I. v. J. 823 (?), c. 2, Cap. I 320. 24 Die Pfändung von Ochsen und Feldsklaven verbietet mit Rücksicht auf die Erhaltung der Steuerkraft des Landes Cod. Theod. II 30, 1 bei Todesstrafe, Cod. Iust. VIII 16, 7 bei arbiträrer Strafe. Lex Burg. 105 (siehe oben I 338) untersagt bei Buſse die Pfändung von Ochsen, falls andere Pfändungsobjekte da sind. 25 Pactus V 4. Lex Alam. 67, 1. Herdenpfändung ging, wie Pactus V 5 ersehen läſst, regelmäſsig nicht ohne Thätlichkeit gegen die Hirten ab. Sie war daher um des Friedens willen verboten. Der Schüttung (siehe unten § 123) galten die Verbote nicht. 26 Lex Baiuw. XIII 4. 5. 27 Nach Ro. 249 war Pfändung von Pferde- und Schweineherden nur auf Grund königlichen Befehles zulässig. Schlechtweg schlieſst sie Lothars Pactum v. J. 840, c. 21, Cap. II 134 aus. 28 Ro. 246 bei neunfachem Ersatz. Lex Baiuw. XIII 3 bei duplum und fre- dus. Lex Sal. 75 bei Verlust der Forderung und Buſse von 15 Sol. Lex Burg. 19, 1 bei Verlust der Forderung und Brüche von 12 Sol. Ine 9 bei Buſse von 30 Sol. Östgötalagen (Amira I 236) bei Verlust der Forderung und Dreimarkbuſse. 22 donatoris retinentis usumfructum sibi. Gafand stellt Schade, WB S. 242 und S. 161, zu fant, Erträgnis, Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 145 zu gafâhan. Vgl. Nani S. 109. Nach der Satzung für die Dunseten, Schmid, An- hang I, c. 2. 3, war es im Grenzverkehr zwischen Wälen und Engländern ge- stattet, von einem Ufer zum andern jeden Volksgenossen des Schuldners zu pfän- den. Schmid, Ges. d. Ags. S. 642. Eine Repressalienpfändung scheinen die Verträge mit Venedig (Lothar c. 12, Cap. II 132) und das Pactum Sicardi (c. 8) im Auge zu haben. Pertile I 254, Anm. 41. Binding, Handbuch. II. 1. II: Brunner, Deutsche Rechtsgesch. II. 29

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/467>, abgerufen am 22.11.2024.