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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 120. Das Betreibungsverfahren.
Sache oder der Leistung verwirkt. Der Berechtigte gewinnt nicht
etwa durch den Verzug einen Anspruch auf Schadenersatz, sondern
einen Anspruch auf Sühne des durch die Weigerung erlittenen Un-
rechts4. Dieses Unrecht ist es, welches ihn in den Stand setzt, sein
Recht im Wege der gerichtlichen Klage geltend zu machen.

Bei dem Verfahren aus der fides facta5 fordert der Gläubiger
zunächst zur Zahlungszeit den Schuldner mit Zeugen aussergerichtlich
auf, dass er zahle. Durch den Verzug verwirkt der Schuldner eine
Busse von 15 Schillingen. Unterlässt er es des weiteren, die Schuld
samt Verzugsbusse zu zahlen, so ladet ihn der Kläger in den Mallus
vor den Thungin. Hier wird vermutlich das Urteil auf jene Busse
ausgesprochen und der Thungin zur Anpfändung aufgefordert, worauf.
wie dies bereits oben S. 447 f. dargestellt worden ist, ein dreimaliges
rogare folgt, um den Anspruch pfändbar zu machen.

Etwas anders gestaltet sich das Verfahren um res praestita6,
Der Verpflichtete muss zunächst dreimal von Woche zu Woche mit
Zeugen gemahnt werden. Die vergebliche Mahnung wird durch rechts-
förmlichen Protest (solsadia) constatiert. Bei jeder Solsadierung er-
höht sich die Schuld um je drei Solidi. Bei weiterer Säumnis ver-
wirkt der Säumige eine Busse von fünfzehn Solidi. Diese sowie die
ursprüngliche Schuld und die neun Solidi, die ihr aus Anlass des drei-
maligen testare zugewachsen sind, mag dann der Berechtigte vor Ge-
richt einklagen.

In dem Rechtsgange gegen den homo migrans7 fordert der Dorf-
genosse, der gegen die Ansiedelung des Ausmärkers Widerspruch erhebt,
diesen zunächst durch dreimaliges testare auf, die Dorfmark binnen
zehn Tagen zu räumen. Wenn er trotzdem bleibt, so verwirkt er
wegen Widersetzlichkeit (widrisittolo in der malbergischen Glosse)
eine Busse von dreissig Solidi. Der Gegner mag ihn dann vor Gericht
laden, wo er dem Klagbegehren gemäss verurteilt wird. Daraufhin
kann bei dem Grafen die Austreibung des Ausmärkers und, wie wir
ergänzen dürfen, dessen Auspfändung wegen der verwirkten Busse be-
gehrt werden.

In allen Fällen des salischen Betreibungsverfahrens geht der
Anwendung des Zwanges, mag sie eine Parteihandlung oder ein gräf-
licher Akt sein, eine Ladung des Säumigen in den volksgerichtlichen

4 Vgl. v. Amira, Recht S. 161. Schröder, RG S. 346.
5 Lex Sal. 50, 1.
6 Lex Sal. 52. Vgl. Lex Rib. 52.
7 Lex Sal. 45. Siehe oben I 195 f.

§ 120. Das Betreibungsverfahren.
Sache oder der Leistung verwirkt. Der Berechtigte gewinnt nicht
etwa durch den Verzug einen Anspruch auf Schadenersatz, sondern
einen Anspruch auf Sühne des durch die Weigerung erlittenen Un-
rechts4. Dieses Unrecht ist es, welches ihn in den Stand setzt, sein
Recht im Wege der gerichtlichen Klage geltend zu machen.

Bei dem Verfahren aus der fides facta5 fordert der Gläubiger
zunächst zur Zahlungszeit den Schuldner mit Zeugen auſsergerichtlich
auf, daſs er zahle. Durch den Verzug verwirkt der Schuldner eine
Buſse von 15 Schillingen. Unterläſst er es des weiteren, die Schuld
samt Verzugsbuſse zu zahlen, so ladet ihn der Kläger in den Mallus
vor den Thungin. Hier wird vermutlich das Urteil auf jene Buſse
ausgesprochen und der Thungin zur Anpfändung aufgefordert, worauf.
wie dies bereits oben S. 447 f. dargestellt worden ist, ein dreimaliges
rogare folgt, um den Anspruch pfändbar zu machen.

Etwas anders gestaltet sich das Verfahren um res praestita6,
Der Verpflichtete muſs zunächst dreimal von Woche zu Woche mit
Zeugen gemahnt werden. Die vergebliche Mahnung wird durch rechts-
förmlichen Protest (solsadia) constatiert. Bei jeder Solsadierung er-
höht sich die Schuld um je drei Solidi. Bei weiterer Säumnis ver-
wirkt der Säumige eine Buſse von fünfzehn Solidi. Diese sowie die
ursprüngliche Schuld und die neun Solidi, die ihr aus Anlaſs des drei-
maligen testare zugewachsen sind, mag dann der Berechtigte vor Ge-
richt einklagen.

In dem Rechtsgange gegen den homo migrans7 fordert der Dorf-
genosse, der gegen die Ansiedelung des Ausmärkers Widerspruch erhebt,
diesen zunächst durch dreimaliges testare auf, die Dorfmark binnen
zehn Tagen zu räumen. Wenn er trotzdem bleibt, so verwirkt er
wegen Widersetzlichkeit (widrisittolo in der malbergischen Glosse)
eine Buſse von dreiſsig Solidi. Der Gegner mag ihn dann vor Gericht
laden, wo er dem Klagbegehren gemäſs verurteilt wird. Daraufhin
kann bei dem Grafen die Austreibung des Ausmärkers und, wie wir
ergänzen dürfen, dessen Auspfändung wegen der verwirkten Buſse be-
gehrt werden.

In allen Fällen des salischen Betreibungsverfahrens geht der
Anwendung des Zwanges, mag sie eine Parteihandlung oder ein gräf-
licher Akt sein, eine Ladung des Säumigen in den volksgerichtlichen

4 Vgl. v. Amira, Recht S. 161. Schröder, RG S. 346.
5 Lex Sal. 50, 1.
6 Lex Sal. 52. Vgl. Lex Rib. 52.
7 Lex Sal. 45. Siehe oben I 195 f.
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[521/0539] § 120. Das Betreibungsverfahren. Sache oder der Leistung verwirkt. Der Berechtigte gewinnt nicht etwa durch den Verzug einen Anspruch auf Schadenersatz, sondern einen Anspruch auf Sühne des durch die Weigerung erlittenen Un- rechts 4. Dieses Unrecht ist es, welches ihn in den Stand setzt, sein Recht im Wege der gerichtlichen Klage geltend zu machen. Bei dem Verfahren aus der fides facta 5 fordert der Gläubiger zunächst zur Zahlungszeit den Schuldner mit Zeugen auſsergerichtlich auf, daſs er zahle. Durch den Verzug verwirkt der Schuldner eine Buſse von 15 Schillingen. Unterläſst er es des weiteren, die Schuld samt Verzugsbuſse zu zahlen, so ladet ihn der Kläger in den Mallus vor den Thungin. Hier wird vermutlich das Urteil auf jene Buſse ausgesprochen und der Thungin zur Anpfändung aufgefordert, worauf. wie dies bereits oben S. 447 f. dargestellt worden ist, ein dreimaliges rogare folgt, um den Anspruch pfändbar zu machen. Etwas anders gestaltet sich das Verfahren um res praestita 6, Der Verpflichtete muſs zunächst dreimal von Woche zu Woche mit Zeugen gemahnt werden. Die vergebliche Mahnung wird durch rechts- förmlichen Protest (solsadia) constatiert. Bei jeder Solsadierung er- höht sich die Schuld um je drei Solidi. Bei weiterer Säumnis ver- wirkt der Säumige eine Buſse von fünfzehn Solidi. Diese sowie die ursprüngliche Schuld und die neun Solidi, die ihr aus Anlaſs des drei- maligen testare zugewachsen sind, mag dann der Berechtigte vor Ge- richt einklagen. In dem Rechtsgange gegen den homo migrans 7 fordert der Dorf- genosse, der gegen die Ansiedelung des Ausmärkers Widerspruch erhebt, diesen zunächst durch dreimaliges testare auf, die Dorfmark binnen zehn Tagen zu räumen. Wenn er trotzdem bleibt, so verwirkt er wegen Widersetzlichkeit (widrisittolo in der malbergischen Glosse) eine Buſse von dreiſsig Solidi. Der Gegner mag ihn dann vor Gericht laden, wo er dem Klagbegehren gemäſs verurteilt wird. Daraufhin kann bei dem Grafen die Austreibung des Ausmärkers und, wie wir ergänzen dürfen, dessen Auspfändung wegen der verwirkten Buſse be- gehrt werden. In allen Fällen des salischen Betreibungsverfahrens geht der Anwendung des Zwanges, mag sie eine Parteihandlung oder ein gräf- licher Akt sein, eine Ladung des Säumigen in den volksgerichtlichen 4 Vgl. v. Amira, Recht S. 161. Schröder, RG S. 346. 5 Lex Sal. 50, 1. 6 Lex Sal. 52. Vgl. Lex Rib. 52. 7 Lex Sal. 45. Siehe oben I 195 f.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/539>, abgerufen am 22.11.2024.