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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 125. Absicht und Ungefähr.
einstehen musste, nicht verantwortlich war 21. Wenn jemand im Dienste
eines anderen durch einen Baum oder durch Feuer oder Wasser von
Ungefähr das Leben verlor, so wurde der Unfall dem Dienstherrn als
homicidium zugerechnet 22. Wenn jemand in seinen Geschäften einen
anderen absendete oder zu sich beschied und dieser in Vollziehung
des Auftrages das Leben verlor, so galt jener für die causa mortis 23.

Bei gemeinschaftlich unternommenem Werke bestand genossenschaft-
liche Haftung der Unternehmer. Wenn Zimmerleute gemeinschaftlich
einen Bau auf Gedinge ausführten, wenn mehrere gemeinschaftlich
einen Baum fällten und einer von ihnen durch einen Stein oder Balken
oder durch den Baum erschlagen wurde, so mussten die übrigen
sein Wergeld bezahlen, wobei aber die Quote abgezogen wurde, die
nach der Markzahl auf den Erschlagenen entfiel 24.

So sehr die ausgedehnte Haftung für Ungefähr in ihren Kon-
sequenzen unserem heutigen Rechtsgefühle widerstreitet, so führte sie
doch einerseits zu dem unserer Rechtsordnung leider fremden Ergeb-
nisse, dass der Eigentümer, wie er das commodum seiner Sache genoss,
auch das damnum tragen musste, das Dritte davon hatten, während
sie andererseits zu Gunsten der Dienst- und Arbeitsleute wirtschaft-
liche Aufgaben erfüllte, welchen erst unsere jüngste Reichsgesetzgebung
durch die Regelung der Haftpflicht und der Unfallversicherung ge-
recht zu werden vermochte 25.


21 Roth. 152, eine Satzung, welche die Haftung des Arbeitgebers bei vis
maior aufhob.
22 Paenitentiale Valicellanum I, c. 15 bei Wasserschleben, Bussordnungen
S. 549, wo solcher Unfall unter den daselbst aufgezählten septem genera nolentia
homicidii angeführt wird.
23 Leges Henrici primi c. 90, 11. Jüngere niederfränkische Quellen verlangen
den Gefährdeeid des Dienstherrn, wenn sein Bote, des Schiffsherrn, wenn sein
Schiffsmann im Dienste den Tod fand.
24 Roth. 144. 145. 138. Vgl. Lex Sax. 54. Regino, De synodalibus causis
II 17. 18. Wilda, Strafrecht S. 582.
25 Unter anderem geht die Verklarung im Seerechte und die nach dem sogen.
Repartitionsprinzip geltende Haftung für den durch Ansegeln eines fremden Schiffes
herbeigeführten Schaden auf die germanischen Grundsätze über das Ungefährwerk
zurück. R. Wagner, Handbuch des Seerechts I 398 f. Lamprecht, Schaden
durch Zusammenstoss von Schiffen, Z. f. HR XXI 12 ff.

§ 125. Absicht und Ungefähr.
einstehen muſste, nicht verantwortlich war 21. Wenn jemand im Dienste
eines anderen durch einen Baum oder durch Feuer oder Wasser von
Ungefähr das Leben verlor, so wurde der Unfall dem Dienstherrn als
homicidium zugerechnet 22. Wenn jemand in seinen Geschäften einen
anderen absendete oder zu sich beschied und dieser in Vollziehung
des Auftrages das Leben verlor, so galt jener für die causa mortis 23.

Bei gemeinschaftlich unternommenem Werke bestand genossenschaft-
liche Haftung der Unternehmer. Wenn Zimmerleute gemeinschaftlich
einen Bau auf Gedinge ausführten, wenn mehrere gemeinschaftlich
einen Baum fällten und einer von ihnen durch einen Stein oder Balken
oder durch den Baum erschlagen wurde, so muſsten die übrigen
sein Wergeld bezahlen, wobei aber die Quote abgezogen wurde, die
nach der Markzahl auf den Erschlagenen entfiel 24.

So sehr die ausgedehnte Haftung für Ungefähr in ihren Kon-
sequenzen unserem heutigen Rechtsgefühle widerstreitet, so führte sie
doch einerseits zu dem unserer Rechtsordnung leider fremden Ergeb-
nisse, daſs der Eigentümer, wie er das commodum seiner Sache genoſs,
auch das damnum tragen muſste, das Dritte davon hatten, während
sie andererseits zu Gunsten der Dienst- und Arbeitsleute wirtschaft-
liche Aufgaben erfüllte, welchen erst unsere jüngste Reichsgesetzgebung
durch die Regelung der Haftpflicht und der Unfallversicherung ge-
recht zu werden vermochte 25.


21 Roth. 152, eine Satzung, welche die Haftung des Arbeitgebers bei vis
maior aufhob.
22 Paenitentiale Valicellanum I, c. 15 bei Waſserschleben, Buſsordnungen
S. 549, wo solcher Unfall unter den daselbst aufgezählten septem genera nolentia
homicidii angeführt wird.
23 Leges Henrici primi c. 90, 11. Jüngere niederfränkische Quellen verlangen
den Gefährdeeid des Dienstherrn, wenn sein Bote, des Schiffsherrn, wenn sein
Schiffsmann im Dienste den Tod fand.
24 Roth. 144. 145. 138. Vgl. Lex Sax. 54. Regino, De synodalibus causis
II 17. 18. Wilda, Strafrecht S. 582.
25 Unter anderem geht die Verklarung im Seerechte und die nach dem sogen.
Repartitionsprinzip geltende Haftung für den durch Ansegeln eines fremden Schiffes
herbeigeführten Schaden auf die germanischen Grundsätze über das Ungefährwerk
zurück. R. Wagner, Handbuch des Seerechts I 398 f. Lamprecht, Schaden
durch Zusammenstoſs von Schiffen, Z. f. HR XXI 12 ff.
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[550/0568] § 125. Absicht und Ungefähr. einstehen muſste, nicht verantwortlich war 21. Wenn jemand im Dienste eines anderen durch einen Baum oder durch Feuer oder Wasser von Ungefähr das Leben verlor, so wurde der Unfall dem Dienstherrn als homicidium zugerechnet 22. Wenn jemand in seinen Geschäften einen anderen absendete oder zu sich beschied und dieser in Vollziehung des Auftrages das Leben verlor, so galt jener für die causa mortis 23. Bei gemeinschaftlich unternommenem Werke bestand genossenschaft- liche Haftung der Unternehmer. Wenn Zimmerleute gemeinschaftlich einen Bau auf Gedinge ausführten, wenn mehrere gemeinschaftlich einen Baum fällten und einer von ihnen durch einen Stein oder Balken oder durch den Baum erschlagen wurde, so muſsten die übrigen sein Wergeld bezahlen, wobei aber die Quote abgezogen wurde, die nach der Markzahl auf den Erschlagenen entfiel 24. So sehr die ausgedehnte Haftung für Ungefähr in ihren Kon- sequenzen unserem heutigen Rechtsgefühle widerstreitet, so führte sie doch einerseits zu dem unserer Rechtsordnung leider fremden Ergeb- nisse, daſs der Eigentümer, wie er das commodum seiner Sache genoſs, auch das damnum tragen muſste, das Dritte davon hatten, während sie andererseits zu Gunsten der Dienst- und Arbeitsleute wirtschaft- liche Aufgaben erfüllte, welchen erst unsere jüngste Reichsgesetzgebung durch die Regelung der Haftpflicht und der Unfallversicherung ge- recht zu werden vermochte 25. 21 Roth. 152, eine Satzung, welche die Haftung des Arbeitgebers bei vis maior aufhob. 22 Paenitentiale Valicellanum I, c. 15 bei Waſserschleben, Buſsordnungen S. 549, wo solcher Unfall unter den daselbst aufgezählten septem genera nolentia homicidii angeführt wird. 23 Leges Henrici primi c. 90, 11. Jüngere niederfränkische Quellen verlangen den Gefährdeeid des Dienstherrn, wenn sein Bote, des Schiffsherrn, wenn sein Schiffsmann im Dienste den Tod fand. 24 Roth. 144. 145. 138. Vgl. Lex Sax. 54. Regino, De synodalibus causis II 17. 18. Wilda, Strafrecht S. 582. 25 Unter anderem geht die Verklarung im Seerechte und die nach dem sogen. Repartitionsprinzip geltende Haftung für den durch Ansegeln eines fremden Schiffes herbeigeführten Schaden auf die germanischen Grundsätze über das Ungefährwerk zurück. R. Wagner, Handbuch des Seerechts I 398 f. Lamprecht, Schaden durch Zusammenstoſs von Schiffen, Z. f. HR XXI 12 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/568>, abgerufen am 22.11.2024.