§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere u. s. w.
§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere und leblose Gegenstände.
Siehe die Litteratur zu § 125. Dazu Georg Meyer, Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, Z2 f. RG II 90 ff. Konrad Maurer, Kr.Ü. II 31 ff. Jastrow, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angel- sachsen in Gierkes Untersuchungen II. Leseur, Des consequences du delit de l'esclave dans les Leges Barbarorum et dans les Capitulaires in der Nouv. Revue hist. de droit francais 1888, S. 576. 657 ff. -- v. Amira, Zweck und Mittel S. 56. Osenbrüggen, Studien zur deutschen u. schweizer. RG 1868, S. 139 ff. Gierke, Humor im deutschen Recht S. 45 ff. v. Amira, Thierstrafen und Thierprozesse, Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung XII 545 ff., wo S. 547 ff. ältere Litteratur über dieses Thema verzeichnet wird.
Die Haftung des Eigentümers für Missethaten der Knechte und für Unfälle, die durch Haustiere und leblose Gegenstände verursacht wurden, ging in vorhistorischer Zeit vermutlich so weit, dass der Eigentümer Dritten gegenüber die volle Verantwortung trug. Aber schon früh ist ihm gestattet worden, diese ausgedehnte Haftung ganz oder teilweise dadurch von sich abzuwälzen, dass er sich von seinem Eigentum lossagte und den unmittelbaren auctor criminis preisgab.
Hinsichtlich der Missethaten von Knechten lässt sich der älteste Rechtszustand noch aus einzelnen Volksrechten quellenmässig belegen. Der Herr hatte die Unthat als eigene prozessualisch zu vertreten und zu büssen 1 und war, wenn es sich um Fehdesachen handelte, der Fehde des Verletzten ausgesetzt. Kam es zur Sühne, so mochte wohl in aller Regel die verletzte Sippe die Auslieferung des Knechtes ver- langen, damit durch dessen Opfertod die Seele des Erschlagenen ihre Ruhe finde. In den meisten Rechten ist aber die volle Verantwort- lichkeit des Herrn bereits auf den Fall der Mitwissenschaft beschränkt 2, während er anderenfalls -- ursprünglich wohl nur nach freiwillig an- gebotenem Gefährdeeid -- erreichen konnte, dass ihm die That des Sklaven als ein Ungefährwerk zugerechnet wurde. Diese Abschwächung seiner Haftpflicht setzte aber voraus, dass er den Knecht dem Ver- letzten auslieferte oder preisgab. Damit war der Ausgangspunkt einer
1 Lex Fris. 1, 22; 9, 17, Stellen, welche Ostfriesland betreffen. Argum. Roth. 371. Grim. 3. Expositio zu Roth. 256. Cap. 803--813, c. 1, I 143 oben S. 136. Vgl. Wilda, Strafrecht S. 655. G. Meyer a. O. S. 90.
2 Die im Gefolge des Herrn begangene That des Knechtes gilt für eine That des Herrn. Roth. 249: culpa enim dominus fecit, nam non servus, qui dominum suum secutus est.
§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere u. s. w.
§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere und leblose Gegenstände.
Siehe die Litteratur zu § 125. Dazu Georg Meyer, Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, Z2 f. RG II 90 ff. Konrad Maurer, Kr.Ü. II 31 ff. Jastrow, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angel- sachsen in Gierkes Untersuchungen II. Leseur, Des conséquences du délit de l’esclave dans les Leges Barbarorum et dans les Capitulaires in der Nouv. Revue hist. de droit français 1888, S. 576. 657 ff. — v. Amira, Zweck und Mittel S. 56. Osenbrüggen, Studien zur deutschen u. schweizer. RG 1868, S. 139 ff. Gierke, Humor im deutschen Recht S. 45 ff. v. Amira, Thierstrafen und Thierprozesse, Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung XII 545 ff., wo S. 547 ff. ältere Litteratur über dieses Thema verzeichnet wird.
Die Haftung des Eigentümers für Missethaten der Knechte und für Unfälle, die durch Haustiere und leblose Gegenstände verursacht wurden, ging in vorhistorischer Zeit vermutlich so weit, daſs der Eigentümer Dritten gegenüber die volle Verantwortung trug. Aber schon früh ist ihm gestattet worden, diese ausgedehnte Haftung ganz oder teilweise dadurch von sich abzuwälzen, daſs er sich von seinem Eigentum lossagte und den unmittelbaren auctor criminis preisgab.
Hinsichtlich der Missethaten von Knechten läſst sich der älteste Rechtszustand noch aus einzelnen Volksrechten quellenmäſsig belegen. Der Herr hatte die Unthat als eigene prozessualisch zu vertreten und zu büſsen 1 und war, wenn es sich um Fehdesachen handelte, der Fehde des Verletzten ausgesetzt. Kam es zur Sühne, so mochte wohl in aller Regel die verletzte Sippe die Auslieferung des Knechtes ver- langen, damit durch dessen Opfertod die Seele des Erschlagenen ihre Ruhe finde. In den meisten Rechten ist aber die volle Verantwort- lichkeit des Herrn bereits auf den Fall der Mitwissenschaft beschränkt 2, während er anderenfalls — ursprünglich wohl nur nach freiwillig an- gebotenem Gefährdeeid — erreichen konnte, daſs ihm die That des Sklaven als ein Ungefährwerk zugerechnet wurde. Diese Abschwächung seiner Haftpflicht setzte aber voraus, daſs er den Knecht dem Ver- letzten auslieferte oder preisgab. Damit war der Ausgangspunkt einer
1 Lex Fris. 1, 22; 9, 17, Stellen, welche Ostfriesland betreffen. Argum. Roth. 371. Grim. 3. Expositio zu Roth. 256. Cap. 803—813, c. 1, I 143 oben S. 136. Vgl. Wilda, Strafrecht S. 655. G. Meyer a. O. S. 90.
2 Die im Gefolge des Herrn begangene That des Knechtes gilt für eine That des Herrn. Roth. 249: culpa enim dominus fecit, nam non servus, qui dominum suum secutus est.
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§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere u. s. w.
§ 126. Missethaten der Knechte, Haftung für Haustiere
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Siehe die Litteratur zu § 125. Dazu Georg Meyer, Die Gerichtsbarkeit über
Unfreie und Hintersassen, Z2 f. RG II 90 ff. Konrad Maurer, Kr.Ü. II 31 ff.
Jastrow, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angel-
sachsen in Gierkes Untersuchungen II. Leseur, Des conséquences du délit de
l’esclave dans les Leges Barbarorum et dans les Capitulaires in der Nouv. Revue
hist. de droit français 1888, S. 576. 657 ff. — v. Amira, Zweck und Mittel S. 56.
Osenbrüggen, Studien zur deutschen u. schweizer. RG 1868, S. 139 ff. Gierke,
Humor im deutschen Recht S. 45 ff. v. Amira, Thierstrafen und Thierprozesse,
Mitth. des Instituts f. österr. Geschichtsforschung XII 545 ff., wo S. 547 ff. ältere
Litteratur über dieses Thema verzeichnet wird.
Die Haftung des Eigentümers für Missethaten der Knechte und
für Unfälle, die durch Haustiere und leblose Gegenstände verursacht
wurden, ging in vorhistorischer Zeit vermutlich so weit, daſs der
Eigentümer Dritten gegenüber die volle Verantwortung trug. Aber
schon früh ist ihm gestattet worden, diese ausgedehnte Haftung ganz
oder teilweise dadurch von sich abzuwälzen, daſs er sich von seinem
Eigentum lossagte und den unmittelbaren auctor criminis preisgab.
Hinsichtlich der Missethaten von Knechten läſst sich der älteste
Rechtszustand noch aus einzelnen Volksrechten quellenmäſsig belegen.
Der Herr hatte die Unthat als eigene prozessualisch zu vertreten und
zu büſsen 1 und war, wenn es sich um Fehdesachen handelte, der
Fehde des Verletzten ausgesetzt. Kam es zur Sühne, so mochte wohl
in aller Regel die verletzte Sippe die Auslieferung des Knechtes ver-
langen, damit durch dessen Opfertod die Seele des Erschlagenen ihre
Ruhe finde. In den meisten Rechten ist aber die volle Verantwort-
lichkeit des Herrn bereits auf den Fall der Mitwissenschaft beschränkt 2,
während er anderenfalls — ursprünglich wohl nur nach freiwillig an-
gebotenem Gefährdeeid — erreichen konnte, daſs ihm die That des
Sklaven als ein Ungefährwerk zugerechnet wurde. Diese Abschwächung
seiner Haftpflicht setzte aber voraus, daſs er den Knecht dem Ver-
letzten auslieferte oder preisgab. Damit war der Ausgangspunkt einer
1 Lex Fris. 1, 22; 9, 17, Stellen, welche Ostfriesland betreffen. Argum.
Roth. 371. Grim. 3. Expositio zu Roth. 256. Cap. 803—813, c. 1, I 143 oben
S. 136. Vgl. Wilda, Strafrecht S. 655. G. Meyer a. O. S. 90.
2 Die im Gefolge des Herrn begangene That des Knechtes gilt für eine That
des Herrn. Roth. 249: culpa enim dominus fecit, nam non servus, qui dominum
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/569>, abgerufen am 22.11.2024.
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