In karolingischer Zeit wird bei Bandenverbrechen zwar die Ab- stufung der dem Verletzten zufallenden Bussen festgehalten, dagegen von jedem Genossen der Bande ohne Rücksicht auf den Grad seiner Mitwirkung und Teilnahme die königliche Bannbusse oder ein be- stimmtes Friedensgeld verlangt. So zahlt bei Heimsuchung nach dem anglo-warnischen Volksrechte von den tres priores jeder 60, von den übrigen Genossen jeder 10 Solidi als Busse, ausserdem aber jeder den vollen Königsbann 50. Die Neuerung entspricht den karolingischen Kapitularien, welche die Heimsuchung unter die Bannfälle aufnahmen. Wahrscheinlich galt derselbe Grundsatz bei den verwandten Bann- fällen des Frauenraubes und der Brandstiftung. Das friesische Volks- recht lässt bei Heimsuchung den Anführer für Übertretung des könig- lichen Bannes das friesische Wergeldsimplum, jeden der Folger das kleine friesische Friedensgeld von 12 Solidi an den König entrichten, während dem Verletzten nur der Anspruch auf doppelten Ersatz ge- geben ist 51.
In verwandter Weise wird schon in den oberdeutschen Volksrechten ein gegen den Herzog gerichtetes Bandenvergehen geahndet. Wer ein Gefolge sammelt und das Gut des Herzogs heimsucht und plündert, verwirkt nach der Lex Alamannorum sein Wergeld. Von den Folgern büsst jeder dem Herzog 40 (alias 60) Schillinge, abgesehen von den etwa verwirkten Raubbussen 52. Das Baiernrecht bedroht den Führer eines gegen den Herzog gerichteten Aufstandes (carmulus 53) mit einer Busse von 600 Solidi, die ihm ebenbürtigen Folger mit einer solchen von 200 Solidi, während die kleineren Freien (minor populus) nur den bairischen Fredus von 40 Solidi entrichten müssen 54.
Das langobardische Recht nennt die verbrecherische Zusammen- rottung von mehr als vier Menschen, die in ein Dorf eindringen, ari- traib. Der Hauptmann büsst mit dem Leben oder zahlt die lango- bardische Hochbusse von 900 Solidi. Jeder Folger verwirkt 80 Solidi, in die sich der König und der Verletzte teilen. Tötung und Brand- schaden sind besonders zu büssen 55.
Nicht bei allen Bandenvergehen werden die Folger bussfällig. Z. B. weiss das Baiernrecht nichts von einer Folgerbusse bei der Heim- suchung, die über Umzinglung des Hauses und Ankündigung der Fehde nicht hinausgegangen ist 56. Nach oberschwedischem Rechte hat bei
50 Vgl. oben S. 39, Anm. 33.
51 Lex Fris. 17, 4.
52 Lex Alam. 34.
53 Vgl. über das Wort Schmeller, WB I 995.
54 Lex Baiuw. II 3.
55 Roth. 19. 379. Siehe unten § 140.
56 Lex Baiuw. IV 23. 24. Vgl. damit Lex Wisig. VIII 1, 4, wo auch die Folger Busse zahlen.
§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
In karolingischer Zeit wird bei Bandenverbrechen zwar die Ab- stufung der dem Verletzten zufallenden Buſsen festgehalten, dagegen von jedem Genossen der Bande ohne Rücksicht auf den Grad seiner Mitwirkung und Teilnahme die königliche Bannbuſse oder ein be- stimmtes Friedensgeld verlangt. So zahlt bei Heimsuchung nach dem anglo-warnischen Volksrechte von den tres priores jeder 60, von den übrigen Genossen jeder 10 Solidi als Buſse, auſserdem aber jeder den vollen Königsbann 50. Die Neuerung entspricht den karolingischen Kapitularien, welche die Heimsuchung unter die Bannfälle aufnahmen. Wahrscheinlich galt derselbe Grundsatz bei den verwandten Bann- fällen des Frauenraubes und der Brandstiftung. Das friesische Volks- recht läſst bei Heimsuchung den Anführer für Übertretung des könig- lichen Bannes das friesische Wergeldsimplum, jeden der Folger das kleine friesische Friedensgeld von 12 Solidi an den König entrichten, während dem Verletzten nur der Anspruch auf doppelten Ersatz ge- geben ist 51.
In verwandter Weise wird schon in den oberdeutschen Volksrechten ein gegen den Herzog gerichtetes Bandenvergehen geahndet. Wer ein Gefolge sammelt und das Gut des Herzogs heimsucht und plündert, verwirkt nach der Lex Alamannorum sein Wergeld. Von den Folgern büſst jeder dem Herzog 40 (alias 60) Schillinge, abgesehen von den etwa verwirkten Raubbuſsen 52. Das Baiernrecht bedroht den Führer eines gegen den Herzog gerichteten Aufstandes (carmulus 53) mit einer Buſse von 600 Solidi, die ihm ebenbürtigen Folger mit einer solchen von 200 Solidi, während die kleineren Freien (minor populus) nur den bairischen Fredus von 40 Solidi entrichten müssen 54.
Das langobardische Recht nennt die verbrecherische Zusammen- rottung von mehr als vier Menschen, die in ein Dorf eindringen, ari- traib. Der Hauptmann büſst mit dem Leben oder zahlt die lango- bardische Hochbuſse von 900 Solidi. Jeder Folger verwirkt 80 Solidi, in die sich der König und der Verletzte teilen. Tötung und Brand- schaden sind besonders zu büſsen 55.
Nicht bei allen Bandenvergehen werden die Folger buſsfällig. Z. B. weiſs das Baiernrecht nichts von einer Folgerbuſse bei der Heim- suchung, die über Umzinglung des Hauses und Ankündigung der Fehde nicht hinausgegangen ist 56. Nach oberschwedischem Rechte hat bei
50 Vgl. oben S. 39, Anm. 33.
51 Lex Fris. 17, 4.
52 Lex Alam. 34.
53 Vgl. über das Wort Schmeller, WB I 995.
54 Lex Baiuw. II 3.
55 Roth. 19. 379. Siehe unten § 140.
56 Lex Baiuw. IV 23. 24. Vgl. damit Lex Wisig. VIII 1, 4, wo auch die Folger Buſse zahlen.
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In karolingischer Zeit wird bei Bandenverbrechen zwar die Ab-
stufung der dem Verletzten zufallenden Buſsen festgehalten, dagegen
von jedem Genossen der Bande ohne Rücksicht auf den Grad seiner
Mitwirkung und Teilnahme die königliche Bannbuſse oder ein be-
stimmtes Friedensgeld verlangt. So zahlt bei Heimsuchung nach dem
anglo-warnischen Volksrechte von den tres priores jeder 60, von den
übrigen Genossen jeder 10 Solidi als Buſse, auſserdem aber jeder den
vollen Königsbann 50. Die Neuerung entspricht den karolingischen
Kapitularien, welche die Heimsuchung unter die Bannfälle aufnahmen.
Wahrscheinlich galt derselbe Grundsatz bei den verwandten Bann-
fällen des Frauenraubes und der Brandstiftung. Das friesische Volks-
recht läſst bei Heimsuchung den Anführer für Übertretung des könig-
lichen Bannes das friesische Wergeldsimplum, jeden der Folger das
kleine friesische Friedensgeld von 12 Solidi an den König entrichten,
während dem Verletzten nur der Anspruch auf doppelten Ersatz ge-
geben ist 51.
In verwandter Weise wird schon in den oberdeutschen Volksrechten
ein gegen den Herzog gerichtetes Bandenvergehen geahndet. Wer ein
Gefolge sammelt und das Gut des Herzogs heimsucht und plündert,
verwirkt nach der Lex Alamannorum sein Wergeld. Von den Folgern
büſst jeder dem Herzog 40 (alias 60) Schillinge, abgesehen von den
etwa verwirkten Raubbuſsen 52. Das Baiernrecht bedroht den Führer
eines gegen den Herzog gerichteten Aufstandes (carmulus 53) mit einer
Buſse von 600 Solidi, die ihm ebenbürtigen Folger mit einer solchen
von 200 Solidi, während die kleineren Freien (minor populus) nur den
bairischen Fredus von 40 Solidi entrichten müssen 54.
Das langobardische Recht nennt die verbrecherische Zusammen-
rottung von mehr als vier Menschen, die in ein Dorf eindringen, ari-
traib. Der Hauptmann büſst mit dem Leben oder zahlt die lango-
bardische Hochbuſse von 900 Solidi. Jeder Folger verwirkt 80 Solidi,
in die sich der König und der Verletzte teilen. Tötung und Brand-
schaden sind besonders zu büſsen 55.
Nicht bei allen Bandenvergehen werden die Folger buſsfällig.
Z. B. weiſs das Baiernrecht nichts von einer Folgerbuſse bei der Heim-
suchung, die über Umzinglung des Hauses und Ankündigung der Fehde
nicht hinausgegangen ist 56. Nach oberschwedischem Rechte hat bei
50 Vgl. oben S. 39, Anm. 33.
51 Lex Fris. 17, 4.
52 Lex Alam. 34.
53 Vgl. über das Wort Schmeller, WB I 995.
54 Lex Baiuw. II 3.
55 Roth. 19. 379. Siehe unten § 140.
56 Lex Baiuw. IV 23. 24. Vgl. damit Lex Wisig. VIII 1, 4, wo auch die Folger
Buſse zahlen.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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