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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung.

Wer bei Anzündung eines Wohnhauses betroffen wird, darf als
friedloser Mann getötet werden. Zu den busslosen Tötungen zählt
das friesische Volksrecht die des handhaften Brandstifters10. Ins Feuer
stossen mag man nach Östgötalagen den Mordbrenner, wenn beides
zusammen ergriffen wird, Hand und Brand11. Nach altdänischem
Rechte wird der ertappte Brandstifter mit Feuer oder Rad hin-
gerichtet12. Ebenso verfällt nach dem Rechte des schwedischen Up-
landes dem Feuertode, wer gefangen wird mit blasendem Munde und
brennendem Brande13.

Strenge Acht ist, abgesehen von dem Falle der handhaften That,
das Los des Brandstifters nach nordischen Rechten. Friedlos und
unheilig soll er sein und Brandwolf heissen laut den norwegischen
Gulathingslög14. Lebensverwirkung steht auch im jüngeren angel-
sächsischen15 und im sächsischen16 Rechte auf Brandstiftung17. Die
übrigen deutschen Stammesrechte verlangen entweder eine feste Busse
oder mehrfachen Ersatz. Nach der Lex Salica ist für Anzünden eines
Gebäudes die Busse von 621/2 Solidi, ausserdem einfacher Schaden-
ersatz und dilatura zu leisten. Wenn Menschen darin schliefen, zahlt
der Brandstifter ausserdem das Wergeld derer, die den Tod fanden,
und an jeden, der zu entrinnen vermochte, die Busse der Lebens-
gefährdung18. Die Lex Ribuaria erwähnt nur den Fall, dass in
Folge der Brandstiftung ein Mensch verbrannte. Neben capitale und
dilatura büsst dann der Thäter, wenn er ein freier Mann ist, 600, wenn
ein Unfreier, 36 Solidi19. Bei den Alamannen ist für Brandstiftung
neben einfachem Ersatz eine Busse von 40, 12, 6 oder 3 Solidi zu
leisten, je nachdem es sich um das Wohnhaus eines Freien oder eines
Knechtes, um Scheunen und Wirtschaftsgebäude oder um Ställe han-
delt20. Wesentlich gleichartige Bussen hat ausser einfachem Ersatz

droht dem Brandstifter den Galgen an und fügt dann hinzu, dass es auch mit
jenen so zu halten sei, die mit Heerschild hinreiten und eines anderen Mannes
Eigen verbrennen.
10 Lex Fris. 5, 1.
11 Wilda, Strafrecht S. 945.
12 Eriks Saell. Lov II 15.
13 Wilda, Strafrecht S. 945.
14 Gu. 98.
15 Knut II 64. Nach Schmid, Ges. d. Ags. Anhang XIII, steht es im Er-
messen der Urteiler, ob der Brandstifter das Leben haben solle oder nicht.
16 Lex Sax. 38.
17 Den Feuertod setzt Lex Wisig. VIII 2, 1 nach römischem Vorbilde auf
Brandstiftung intra civitatem nebst vollem Ersatz, dagegen hundert Hiebe und
Vergütung des Schadens, wenn der Brand ausserhalb einer Stadt gelegt worden ist.
18 Lex Sal. 16, 1 ff.
19 Lex Rib. 17.
20 Lex Alam. 76. 77.
§ 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung.

Wer bei Anzündung eines Wohnhauses betroffen wird, darf als
friedloser Mann getötet werden. Zu den buſslosen Tötungen zählt
das friesische Volksrecht die des handhaften Brandstifters10. Ins Feuer
stoſsen mag man nach Östgötalagen den Mordbrenner, wenn beides
zusammen ergriffen wird, Hand und Brand11. Nach altdänischem
Rechte wird der ertappte Brandstifter mit Feuer oder Rad hin-
gerichtet12. Ebenso verfällt nach dem Rechte des schwedischen Up-
landes dem Feuertode, wer gefangen wird mit blasendem Munde und
brennendem Brande13.

Strenge Acht ist, abgesehen von dem Falle der handhaften That,
das Los des Brandstifters nach nordischen Rechten. Friedlos und
unheilig soll er sein und Brandwolf heiſsen laut den norwegischen
Gulaþíngslög14. Lebensverwirkung steht auch im jüngeren angel-
sächsischen15 und im sächsischen16 Rechte auf Brandstiftung17. Die
übrigen deutschen Stammesrechte verlangen entweder eine feste Buſse
oder mehrfachen Ersatz. Nach der Lex Salica ist für Anzünden eines
Gebäudes die Buſse von 62½ Solidi, auſserdem einfacher Schaden-
ersatz und dilatura zu leisten. Wenn Menschen darin schliefen, zahlt
der Brandstifter auſserdem das Wergeld derer, die den Tod fanden,
und an jeden, der zu entrinnen vermochte, die Buſse der Lebens-
gefährdung18. Die Lex Ribuaria erwähnt nur den Fall, daſs in
Folge der Brandstiftung ein Mensch verbrannte. Neben capitale und
dilatura büſst dann der Thäter, wenn er ein freier Mann ist, 600, wenn
ein Unfreier, 36 Solidi19. Bei den Alamannen ist für Brandstiftung
neben einfachem Ersatz eine Buſse von 40, 12, 6 oder 3 Solidi zu
leisten, je nachdem es sich um das Wohnhaus eines Freien oder eines
Knechtes, um Scheunen und Wirtschaftsgebäude oder um Ställe han-
delt20. Wesentlich gleichartige Buſsen hat auſser einfachem Ersatz

droht dem Brandstifter den Galgen an und fügt dann hinzu, daſs es auch mit
jenen so zu halten sei, die mit Heerschild hinreiten und eines anderen Mannes
Eigen verbrennen.
10 Lex Fris. 5, 1.
11 Wilda, Strafrecht S. 945.
12 Eriks Sæll. Lov II 15.
13 Wilda, Strafrecht S. 945.
14 Gu. 98.
15 Knut II 64. Nach Schmid, Ges. d. Ags. Anhang XIII, steht es im Er-
messen der Urteiler, ob der Brandstifter das Leben haben solle oder nicht.
16 Lex Sax. 38.
17 Den Feuertod setzt Lex Wisig. VIII 2, 1 nach römischem Vorbilde auf
Brandstiftung intra civitatem nebst vollem Ersatz, dagegen hundert Hiebe und
Vergütung des Schadens, wenn der Brand auſserhalb einer Stadt gelegt worden ist.
18 Lex Sal. 16, 1 ff.
19 Lex Rib. 17.
20 Lex Alam. 76. 77.
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[656/0674] § 141. Brandstiftung und Feuerverwahrlosung. Wer bei Anzündung eines Wohnhauses betroffen wird, darf als friedloser Mann getötet werden. Zu den buſslosen Tötungen zählt das friesische Volksrecht die des handhaften Brandstifters 10. Ins Feuer stoſsen mag man nach Östgötalagen den Mordbrenner, wenn beides zusammen ergriffen wird, Hand und Brand 11. Nach altdänischem Rechte wird der ertappte Brandstifter mit Feuer oder Rad hin- gerichtet 12. Ebenso verfällt nach dem Rechte des schwedischen Up- landes dem Feuertode, wer gefangen wird mit blasendem Munde und brennendem Brande 13. Strenge Acht ist, abgesehen von dem Falle der handhaften That, das Los des Brandstifters nach nordischen Rechten. Friedlos und unheilig soll er sein und Brandwolf heiſsen laut den norwegischen Gulaþíngslög 14. Lebensverwirkung steht auch im jüngeren angel- sächsischen 15 und im sächsischen 16 Rechte auf Brandstiftung 17. Die übrigen deutschen Stammesrechte verlangen entweder eine feste Buſse oder mehrfachen Ersatz. Nach der Lex Salica ist für Anzünden eines Gebäudes die Buſse von 62½ Solidi, auſserdem einfacher Schaden- ersatz und dilatura zu leisten. Wenn Menschen darin schliefen, zahlt der Brandstifter auſserdem das Wergeld derer, die den Tod fanden, und an jeden, der zu entrinnen vermochte, die Buſse der Lebens- gefährdung 18. Die Lex Ribuaria erwähnt nur den Fall, daſs in Folge der Brandstiftung ein Mensch verbrannte. Neben capitale und dilatura büſst dann der Thäter, wenn er ein freier Mann ist, 600, wenn ein Unfreier, 36 Solidi 19. Bei den Alamannen ist für Brandstiftung neben einfachem Ersatz eine Buſse von 40, 12, 6 oder 3 Solidi zu leisten, je nachdem es sich um das Wohnhaus eines Freien oder eines Knechtes, um Scheunen und Wirtschaftsgebäude oder um Ställe han- delt 20. Wesentlich gleichartige Buſsen hat auſser einfachem Ersatz 9 10 Lex Fris. 5, 1. 11 Wilda, Strafrecht S. 945. 12 Eriks Sæll. Lov II 15. 13 Wilda, Strafrecht S. 945. 14 Gu. 98. 15 Knut II 64. Nach Schmid, Ges. d. Ags. Anhang XIII, steht es im Er- messen der Urteiler, ob der Brandstifter das Leben haben solle oder nicht. 16 Lex Sax. 38. 17 Den Feuertod setzt Lex Wisig. VIII 2, 1 nach römischem Vorbilde auf Brandstiftung intra civitatem nebst vollem Ersatz, dagegen hundert Hiebe und Vergütung des Schadens, wenn der Brand auſserhalb einer Stadt gelegt worden ist. 18 Lex Sal. 16, 1 ff. 19 Lex Rib. 17. 20 Lex Alam. 76. 77. 9 droht dem Brandstifter den Galgen an und fügt dann hinzu, daſs es auch mit jenen so zu halten sei, die mit Heerschild hinreiten und eines anderen Mannes Eigen verbrennen.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/674>, abgerufen am 17.06.2024.