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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
leget hernach die Ursach eurer Einsamkeit auff andere/ die doch gerne mit euch umgingen.
Ob die Schuld an mir liege/ sagte er/ daß ich gemieden werde/ kan wol seyn/ gestehe es auch
selber/ wann mir nur zugelassen ist/ des beschuldigten Stoltzes mich zuentledigen/ dessen ich
ungerne wolte teilhaftig seyn; findet aber meine Fr. Schwester dieses oder andere unzim-
liche Laster an mir/ wolle sie meiner nur nicht verschonen/ weil ich meine Gebrechen nicht
allemahl von mir selbst erkennen kan; deßwegen sind dieselben meine allerliebesten Freun-
de/ welche sich meiner Besserung annehmen/ und selbe fortzusetzen bemühet sind/ zweifele
auch nicht/ da meine Fr. Schwester täglich mit ihr em Verweißtuhm fortfahren wird/
solle es sehr viel bey mir fruchten. Ach ja freylich/ antwortete sie/ mit dergleichen spitzigen
Pfeilen muß man auff träuherzige Freunde zuschiessen/ damit man abgeschrecket wird/ dz
man kein Schertzwort mit euch reden darff. Ladisla lachcte/ daß ihr gefiderter Bolzen so
zeitig zurük prallete/ wie sie dann weiters nicht vorzubringen wuste/ und Herkules schon auf
eine Antwort bedacht wahr; aber sie fiel jhm ein/ und sagte: Nun sehet euch umb/ Herr
Herkules/ jhr seyd schon tähtlich wiederleget/ als wolte niemand eure Geselschafft haben/
dann dort lässet meine Frl. Schwester Frl. Sibylla sich von meiner Fr. Mutrer herleiten/
damit sie eure Einsamkeit breche/ deren sie ohn zweifel wird wahr genommen haben. Es
gingen aber diese beyden frisch fort/ dann sie nahmen jener hinter dem Rosenpusche nicht
wahr/ biß sie in den offenen Weg traten/ welches das Fräulein ersehend/ alsbald stutzete/
dann sie kennete unsere Helden nicht so bald. Aber Fr. Sophia rieff ihr zu: Geliebte Frl.
Schwester/ komt mir doch zum Beystande/ dann ich bin zu wenig und schwach/ diesen bey-
den Herren allein zu antworten. Herkules trat ihr höflich entgegen/ empfing sie mit einem
Handkusse/ und nach Wünschung eines frölichen Morgen fragete er/ ob sie nach dem ein-
genommenen Schrecken wolgeruhet hätte. Sie hingegen baht um Verzeihung/ dz sie durch
ihre Ankunfft ihre Unterredung störete/ sahe jhn unterdessen in diesem dünnen Kleide an/
und verwunderte sich so gar über die volkommene Zierligkeit seines Leibes und aller Glied-
massen/ daß sie fast erstummete; und als Fr. Sophia jhre Verenderung sahe/ kam sie ihr
zu Hülffe/ und sagete: Herzgeliebete Frl. Schwester/ meynet sie wol/ daß dieser Herr noch
eben derselbe sey/ welcher gestriges Tages ein solches Gemetze unter den Räubern hielt/ dz
wir Ohren und Augen zudrücken musten? Ach nein/ sagte Frl. Sibylla/ wann mir das
Angesicht nicht bekant währe/ würde ichs schwerlich gläuben. So geliebet meiner Frau
Schwester es gar offt/ sagte Herkules/ mich bey fremden stum zu machen. Bey fremden?
fragete sie; je wer ist dann alhie fremde? Meine Fr. Mutter/ euren Ladisla und mich/ wer-
det ihr ja nicht vor fremde schelten; ist euch dann meine Frl. Schwester so frembde/ und
habet schon unterschiedliche Reisen zu Pferde und zu fusse mit ihr gehalten? da werdet
ihr ja mit einander etwas Kundschafft gemacht haben. Es ist mir leid gnug/ antwortete
er/ daß das Durchl. Fräulein ich vom gehen so ermüdet sehen muste; weil ichs aber nicht
endern kunte/ hoffe ich deßwegen entschuldiget zu seyn. Mein Herr/ antwortete das Fräu-
lein/ weil mein eigener Vorwitz mich zu dieser Reise getrieben/ habe ich das ritzen und ste-
chen der Dornen billich erlitten/ und halte/ meine Frau Schwester werde das ihre auch
empfunden haben. Ich? sagte Fr. Sophia; trauet mir sicher/ herzgeliebtes Schwester-
chen/ daß diese Dornen mich so gar nicht gereuen/ daß ich sie vielmehr liebe/ weil unter den-

selben
V ij

Erſtes Buch.
leget hernach die Urſach eurer Einſamkeit auff andere/ die doch gerne mit euch umgingen.
Ob die Schuld an mir liege/ ſagte er/ daß ich gemieden weꝛde/ kan wol ſeyn/ geſtehe es auch
ſelber/ wann mir nur zugelaſſen iſt/ des beſchuldigten Stoltzes mich zuentledigen/ deſſen ich
ungerne wolte teilhaftig ſeyn; findet aber meine Fr. Schweſter dieſes oder andere unzim-
liche Laſter an mir/ wolle ſie meiner nur nicht verſchonen/ weil ich meine Gebrechen nicht
allemahl von mir ſelbſt erkennen kan; deßwegen ſind dieſelben meine allerliebeſten Freun-
de/ welche ſich meiner Beſſerung annehmen/ und ſelbe fortzuſetzen bemuͤhet ſind/ zweifele
auch nicht/ da meine Fr. Schweſter taͤglich mit ihr em Verweißtuhm fortfahren wird/
ſolle es ſehr viel bey mir fruchten. Ach ja freylich/ antwortete ſie/ mit dergleichen ſpitzigen
Pfeilen muß man auff traͤuherzige Freunde zuſchieſſen/ damit man abgeſchrecket wird/ dz
man kein Schertzwort mit euch reden darff. Ladiſla lachcte/ daß ihr gefiderter Bolzen ſo
zeitig zuruͤk prallete/ wie ſie dann weiters nicht vorzubꝛingen wuſte/ und Heꝛkules ſchon auf
eine Antwort bedacht wahr; aber ſie fiel jhm ein/ und ſagte: Nun ſehet euch umb/ Herr
Herkules/ jhr ſeyd ſchon taͤhtlich wiederleget/ als wolte niemand eure Geſelſchafft haben/
dann dort laͤſſet meine Frl. Schweſter Frl. Sibylla ſich von meiner Fr. Mutrer herleitẽ/
damit ſie eure Einſamkeit breche/ deren ſie ohn zweifel wird wahr genommen haben. Es
gingen aber dieſe beyden friſch fort/ dann ſie nahmen jener hinter dem Roſenpuſche nicht
wahr/ biß ſie in den offenen Weg traten/ welches das Fraͤulein erſehend/ alsbald ſtutzete/
dann ſie kennete unſere Helden nicht ſo bald. Aber Fr. Sophia rieff ihr zu: Geliebte Frl.
Schweſter/ komt mir doch zum Beyſtande/ dann ich bin zu wenig und ſchwach/ dieſen bey-
den Herren allein zu antworten. Herkules trat ihr hoͤflich entgegen/ empfing ſie mit einem
Handkuſſe/ und nach Wuͤnſchung eines froͤlichen Morgen fragete er/ ob ſie nach dem ein-
genommenẽ Schrecken wolgeruhet haͤtte. Sie hingegen baht um Verzeihung/ dz ſie durch
ihre Ankunfft ihre Unterredung ſtoͤrete/ ſahe jhn unterdeſſen in dieſem duͤnnen Kleide an/
und verwunderte ſich ſo gar uͤber die volkommene Zierligkeit ſeines Leibes und aller Glied-
maſſen/ daß ſie faſt erſtummete; und als Fr. Sophia jhre Verenderung ſahe/ kam ſie ihr
zu Huͤlffe/ und ſagete: Herzgeliebete Frl. Schweſter/ meynet ſie wol/ daß dieſer Herꝛ noch
eben derſelbe ſey/ welcher geſtriges Tages ein ſolches Gemetze unter den Raͤubern hielt/ dz
wir Ohren und Augen zudruͤcken muſten? Ach nein/ ſagte Frl. Sibylla/ wann mir das
Angeſicht nicht bekant waͤhre/ wuͤrde ichs ſchwerlich glaͤuben. So geliebet meiner Frau
Schweſter es gar offt/ ſagte Herkules/ mich bey fremden ſtum zu machen. Bey fremden?
fragete ſie; je wer iſt dann alhie fremde? Meine Fr. Mutter/ euren Ladiſla und mich/ wer-
det ihr ja nicht vor fremde ſchelten; iſt euch dann meine Frl. Schweſter ſo frembde/ und
habet ſchon unterſchiedliche Reiſen zu Pferde und zu fuſſe mit ihr gehalten? da werdet
ihr ja mit einander etwas Kundſchafft gemacht haben. Es iſt mir leid gnug/ antwortete
er/ daß das Durchl. Fraͤulein ich vom gehen ſo ermuͤdet ſehen muſte; weil ichs aber nicht
endern kunte/ hoffe ich deßwegen entſchuldiget zu ſeyn. Mein Herꝛ/ antwortete das Fraͤu-
lein/ weil mein eigener Vorwitz mich zu dieſer Reiſe getrieben/ habe ich das ritzen und ſte-
chen der Dornen billich erlitten/ und halte/ meine Frau Schweſter werde das ihre auch
empfunden haben. Ich? ſagte Fr. Sophia; trauet mir ſicher/ herzgeliebtes Schweſter-
chen/ daß dieſe Dornen mich ſo gar nicht gereuen/ daß ich ſie vielmehr liebe/ weil unter den-

ſelben
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[155/0193] Erſtes Buch. leget hernach die Urſach eurer Einſamkeit auff andere/ die doch gerne mit euch umgingen. Ob die Schuld an mir liege/ ſagte er/ daß ich gemieden weꝛde/ kan wol ſeyn/ geſtehe es auch ſelber/ wann mir nur zugelaſſen iſt/ des beſchuldigten Stoltzes mich zuentledigen/ deſſen ich ungerne wolte teilhaftig ſeyn; findet aber meine Fr. Schweſter dieſes oder andere unzim- liche Laſter an mir/ wolle ſie meiner nur nicht verſchonen/ weil ich meine Gebrechen nicht allemahl von mir ſelbſt erkennen kan; deßwegen ſind dieſelben meine allerliebeſten Freun- de/ welche ſich meiner Beſſerung annehmen/ und ſelbe fortzuſetzen bemuͤhet ſind/ zweifele auch nicht/ da meine Fr. Schweſter taͤglich mit ihr em Verweißtuhm fortfahren wird/ ſolle es ſehr viel bey mir fruchten. Ach ja freylich/ antwortete ſie/ mit dergleichen ſpitzigen Pfeilen muß man auff traͤuherzige Freunde zuſchieſſen/ damit man abgeſchrecket wird/ dz man kein Schertzwort mit euch reden darff. Ladiſla lachcte/ daß ihr gefiderter Bolzen ſo zeitig zuruͤk prallete/ wie ſie dann weiters nicht vorzubꝛingen wuſte/ und Heꝛkules ſchon auf eine Antwort bedacht wahr; aber ſie fiel jhm ein/ und ſagte: Nun ſehet euch umb/ Herr Herkules/ jhr ſeyd ſchon taͤhtlich wiederleget/ als wolte niemand eure Geſelſchafft haben/ dann dort laͤſſet meine Frl. Schweſter Frl. Sibylla ſich von meiner Fr. Mutrer herleitẽ/ damit ſie eure Einſamkeit breche/ deren ſie ohn zweifel wird wahr genommen haben. Es gingen aber dieſe beyden friſch fort/ dann ſie nahmen jener hinter dem Roſenpuſche nicht wahr/ biß ſie in den offenen Weg traten/ welches das Fraͤulein erſehend/ alsbald ſtutzete/ dann ſie kennete unſere Helden nicht ſo bald. Aber Fr. Sophia rieff ihr zu: Geliebte Frl. Schweſter/ komt mir doch zum Beyſtande/ dann ich bin zu wenig und ſchwach/ dieſen bey- den Herren allein zu antworten. Herkules trat ihr hoͤflich entgegen/ empfing ſie mit einem Handkuſſe/ und nach Wuͤnſchung eines froͤlichen Morgen fragete er/ ob ſie nach dem ein- genommenẽ Schrecken wolgeruhet haͤtte. Sie hingegen baht um Verzeihung/ dz ſie durch ihre Ankunfft ihre Unterredung ſtoͤrete/ ſahe jhn unterdeſſen in dieſem duͤnnen Kleide an/ und verwunderte ſich ſo gar uͤber die volkommene Zierligkeit ſeines Leibes und aller Glied- maſſen/ daß ſie faſt erſtummete; und als Fr. Sophia jhre Verenderung ſahe/ kam ſie ihr zu Huͤlffe/ und ſagete: Herzgeliebete Frl. Schweſter/ meynet ſie wol/ daß dieſer Herꝛ noch eben derſelbe ſey/ welcher geſtriges Tages ein ſolches Gemetze unter den Raͤubern hielt/ dz wir Ohren und Augen zudruͤcken muſten? Ach nein/ ſagte Frl. Sibylla/ wann mir das Angeſicht nicht bekant waͤhre/ wuͤrde ichs ſchwerlich glaͤuben. So geliebet meiner Frau Schweſter es gar offt/ ſagte Herkules/ mich bey fremden ſtum zu machen. Bey fremden? fragete ſie; je wer iſt dann alhie fremde? Meine Fr. Mutter/ euren Ladiſla und mich/ wer- det ihr ja nicht vor fremde ſchelten; iſt euch dann meine Frl. Schweſter ſo frembde/ und habet ſchon unterſchiedliche Reiſen zu Pferde und zu fuſſe mit ihr gehalten? da werdet ihr ja mit einander etwas Kundſchafft gemacht haben. Es iſt mir leid gnug/ antwortete er/ daß das Durchl. Fraͤulein ich vom gehen ſo ermuͤdet ſehen muſte; weil ichs aber nicht endern kunte/ hoffe ich deßwegen entſchuldiget zu ſeyn. Mein Herꝛ/ antwortete das Fraͤu- lein/ weil mein eigener Vorwitz mich zu dieſer Reiſe getrieben/ habe ich das ritzen und ſte- chen der Dornen billich erlitten/ und halte/ meine Frau Schweſter werde das ihre auch empfunden haben. Ich? ſagte Fr. Sophia; trauet mir ſicher/ herzgeliebtes Schweſter- chen/ daß dieſe Dornen mich ſo gar nicht gereuen/ daß ich ſie vielmehr liebe/ weil unter den- ſelben V ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/193>, abgerufen am 22.12.2024.