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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
ihr erstes Begehren nicht gerne abschlagen/ wanns immer mensch- und möglich bey der
Fr. Mutter zuerhalten währe/ warumb ich dann kindlich und demühtig bitte. Die Köni-
gin erschrak der Werbung/ und gedachte sie eins vor alles abzuweisen/ gab ihr demnach
diese Antwort: Herzliebes Kind/ sage mir davon ja kein Wort mehr; ich bin schon diese
Nacht in so grosser Angst wegen deines gestrigen Unglüks gewesen/ daß mich alle mahl ge-
dauchte/ du währest mir von der Seite gerissen; Ja wann du hinaus vor das Tohr reitest/
verlanget mich/ daß ich dein Angesicht wieder sehe/ und ich solte dich einen so langen gefähr-
lichen Weg reisen lassen? bedenke/ ob ich solches vor dem Himmel und der Welt verant-
worten könte/ wann durch diese Zulassung ich dein Unglük und Verderben befoderte?
Dein Bruder wird ohn zweiffel mit seinem Gemahl hieselbst bald ankommen/ dann hastu
noch Zeit genug/ dein Schwesterliches Hertz jhnen zu erzeigen; daß sie dir aber solches zu-
muhten/ geschihet nur Ehrenhalben/ dann sie selbst würden mirs verdenken/ wann ich dich
dergestalt hinzihen liesse. So entschlage dich nun solcher Gedanken/ und betrachte dein ge-
striges Unglük/ als dann wird dir dieser Vorsaz selbst miß fallen. Diese abschlägige Antwort
trieb dem Fräulein die Trähnen aus den Augen/ welches die Königin sehr befremdete/ und
daher in ihren vorigen Gedanken/ wegen jhrer Verliebung gegen Herkules gestärket ward/
dann sie kennete jhren festen Sinn/ und daß jhr Herz zuvor bluten muste/ ehe das Augen-
wasser hervor brach/ hörete auch diese Rede der Fräulein mit sonderlicher bewägung an:
Gnädigste Fr. Mutter/ es tuht meiner innigen Seele leid/ und ist ihr fast unerträglich/ daß
ich meinem einigen Herr Bruder auff sein[e]m gewünscheten Beylager nicht Geselschafft
leisten sol; Ja wann etwa Kriege oder an dere Unruhe währen/ die mich hievon abhielten/
dann hätte ich Entschuldigung einzuwenden; sol ich aber mein nicht-erscheinen bloß hie-
mit beschönen/ daß meine Fr. Mutter mir solches nicht gönnen wollen/ weiß ich nicht/ ob
redliche Leute daran ein genügen haben werden. Mein Herr Bruder ist gleichwol ein be-
rühmter und mächtiger König/ aber auff seinem eigenen Beylager wird er ein verlassener
ohn-freund seyn/ absonderlich/ weil sein Herkules ihm keinen Beystand leisten kan; jedoch
muß ich meiner Fr. Mutter billich gehorsamen/ wie schwer mirs auch in diesem Stücke
fället/ wiewol ich noch der festen Zuver sicht gelebe/ sie wede sich eines andern bedenken/ und
in einer so schlechten Sache meinen Herrn Bruder nicht schimpflich stecken lassen. Ein
Baur folget ja feinen Verwanten von einem Dorffe zum andern; ein Bürger von einer
Stad zur andern/ warumb solten dann Königliches Standes Schwester und Brüder ein-
ander diese Freundschafft nicht leisten? Ich habe ja des Meers wüten nicht zubefürchten/
dann die Gutsche kan mich dahin tragen; so sind auch noch so viel Reuter wol in Böh-
men/ die mich sicher begleiten können/ wann es nur meiner herzaller liebsten Fr. Mu[t]ter ge-
fallen wolte/ welche noch dieses bedenken wird/ wie ungleich die Frl. Braut/ und jhre El-
tern es ausdeuten werden/ daß kein Anverwanter auff dem Beylager erscheinet. Freylich
werden sie argwohnen/ als achte man diese Römische Braut/ und ihre Eltern zu geringe;
welches wol immerzu ein schlimmes Mißtrauen verursachen dürffte. Die Königin hatte
sie überaus lieb/ hörete nicht allein ihre wehmühtige Reden und nachdenkliche Ursachen/
sondern sahe daneben ihre Trähnen herunter fliessen/ welche sie länger nicht reitzen kunte/
daher sie antwortete: Gedulde dich liebes Kind/ ich wil noch weder ja noch nein gesagt ha-

ben/
F f iij

Erſtes Buch.
ihr erſtes Begehren nicht gerne abſchlagen/ wanns immer menſch- und moͤglich bey der
Fr. Mutter zuerhalten waͤhre/ warumb ich dann kindlich und demuͤhtig bitte. Die Koͤni-
gin erſchrak der Werbung/ und gedachte ſie eins vor alles abzuweiſen/ gab ihr demnach
dieſe Antwort: Herzliebes Kind/ ſage mir davon ja kein Wort mehr; ich bin ſchon dieſe
Nacht in ſo groſſer Angſt wegen deines geſtrigen Ungluͤks geweſen/ daß mich alle mahl ge-
dauchte/ du waͤhreſt mir von der Seite geriſſen; Ja wann du hinaus vor das Tohr reiteſt/
verlanget mich/ daß ich dein Angeſicht wieder ſehe/ uñ ich ſolte dich einen ſo langen gefaͤhr-
lichen Weg reiſen laſſen? bedenke/ ob ich ſolches vor dem Himmel und der Welt verant-
worten koͤnte/ wann durch dieſe Zulaſſung ich dein Ungluͤk und Verderben befoderte?
Dein Bruder wird ohn zweiffel mit ſeinem Gemahl hieſelbſt bald ankommen/ dañ haſtu
noch Zeit genug/ dein Schweſterliches Hertz jhnen zu erzeigen; daß ſie dir aber ſolches zu-
muhten/ geſchihet nur Ehrenhalben/ dann ſie ſelbſt wuͤrden mirs verdenken/ wann ich dich
dergeſtalt hinzihen lieſſe. So entſchlage dich nun ſolcher Gedanken/ und betrachte dein ge-
ſtriges Ungluͤk/ als dañ wird dir dieſer Vorſaz ſelbſt miß fallen. Dieſe abſchlaͤgige Antwort
trieb dem Fraͤulein die Traͤhnen aus den Augen/ welches die Koͤnigin ſehr befremdete/ und
daher in ihren vorigẽ Gedanken/ wegen jhrer Verliebung gegen Herkules geſtaͤrket ward/
dann ſie kennete jhren feſten Sinn/ und daß jhr Herz zuvor bluten muſte/ ehe das Augen-
waſſer hervor brach/ hoͤrete auch dieſe Rede der Fraͤulein mit ſonderlicher bewaͤgung an:
Gnaͤdigſte Fr. Mutter/ es tuht meiner innigen Seele leid/ und iſt ihr faſt unertraͤglich/ daß
ich meinem einigen Herr Bruder auff ſein[e]m gewuͤnſcheten Beylager nicht Geſelſchafft
leiſten ſol; Ja wann etwa Kriege oder an dere Unruhe waͤhren/ die mich hievon abhielten/
dann haͤtte ich Entſchuldigung einzuwenden; ſol ich aber mein nicht-erſcheinen bloß hie-
mit beſchoͤnen/ daß meine Fr. Mutter mir ſolches nicht goͤnnen wollen/ weiß ich nicht/ ob
redliche Leute daran ein genuͤgen haben werden. Mein Herr Bruder iſt gleichwol ein be-
ruͤhmter und maͤchtiger Koͤnig/ aber auff ſeinem eigenen Beylager wird er ein verlaſſener
ohn-freund ſeyn/ abſonderlich/ weil ſein Herkules ihm keinen Beyſtand leiſten kan; jedoch
muß ich meiner Fr. Mutter billich gehorſamen/ wie ſchwer mirs auch in dieſem Stuͤcke
faͤllet/ wiewol ich noch der feſten Zuver ſicht gelebe/ ſie wede ſich eines andern bedenken/ uñ
in einer ſo ſchlechten Sache meinen Herrn Bruder nicht ſchimpflich ſtecken laſſen. Ein
Baur folget ja feinen Verwanten von einem Dorffe zum andern; ein Buͤrger von einer
Stad zur andern/ warumb ſolten dann Koͤnigliches Standes Schweſter uñ Bruͤder ein-
ander dieſe Freundſchafft nicht leiſten? Ich habe ja des Meers wuͤten nicht zubefuͤrchten/
dann die Gutſche kan mich dahin tragen; ſo ſind auch noch ſo viel Reuter wol in Boͤh-
men/ die mich ſicher begleiten koͤnnen/ wann es nur meiner herzaller liebſten Fr. Mu[t]ter ge-
fallen wolte/ welche noch dieſes bedenken wird/ wie ungleich die Frl. Braut/ und jhre El-
tern es ausdeuten werden/ daß kein Anverwanter auff dem Beylager erſcheinet. Freylich
werden ſie argwohnen/ als achte man dieſe Roͤmiſche Braut/ und ihre Eltern zu geringe;
welches wol immerzu ein ſchlimmes Mißtrauen verurſachen duͤrffte. Die Koͤnigin hatte
ſie uͤberaus lieb/ hoͤrete nicht allein ihre wehmuͤhtige Reden und nachdenkliche Urſachen/
ſondern ſahe daneben ihre Traͤhnen herunter flieſſen/ welche ſie laͤnger nicht reitzen kunte/
daher ſie antwortete: Gedulde dich liebes Kind/ ich wil noch weder ja noch nein geſagt ha-

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[229/0267] Erſtes Buch. ihr erſtes Begehren nicht gerne abſchlagen/ wanns immer menſch- und moͤglich bey der Fr. Mutter zuerhalten waͤhre/ warumb ich dann kindlich und demuͤhtig bitte. Die Koͤni- gin erſchrak der Werbung/ und gedachte ſie eins vor alles abzuweiſen/ gab ihr demnach dieſe Antwort: Herzliebes Kind/ ſage mir davon ja kein Wort mehr; ich bin ſchon dieſe Nacht in ſo groſſer Angſt wegen deines geſtrigen Ungluͤks geweſen/ daß mich alle mahl ge- dauchte/ du waͤhreſt mir von der Seite geriſſen; Ja wann du hinaus vor das Tohr reiteſt/ verlanget mich/ daß ich dein Angeſicht wieder ſehe/ uñ ich ſolte dich einen ſo langen gefaͤhr- lichen Weg reiſen laſſen? bedenke/ ob ich ſolches vor dem Himmel und der Welt verant- worten koͤnte/ wann durch dieſe Zulaſſung ich dein Ungluͤk und Verderben befoderte? Dein Bruder wird ohn zweiffel mit ſeinem Gemahl hieſelbſt bald ankommen/ dañ haſtu noch Zeit genug/ dein Schweſterliches Hertz jhnen zu erzeigen; daß ſie dir aber ſolches zu- muhten/ geſchihet nur Ehrenhalben/ dann ſie ſelbſt wuͤrden mirs verdenken/ wann ich dich dergeſtalt hinzihen lieſſe. So entſchlage dich nun ſolcher Gedanken/ und betrachte dein ge- ſtriges Ungluͤk/ als dañ wird dir dieſer Vorſaz ſelbſt miß fallen. Dieſe abſchlaͤgige Antwort trieb dem Fraͤulein die Traͤhnen aus den Augen/ welches die Koͤnigin ſehr befremdete/ und daher in ihren vorigẽ Gedanken/ wegen jhrer Verliebung gegen Herkules geſtaͤrket ward/ dann ſie kennete jhren feſten Sinn/ und daß jhr Herz zuvor bluten muſte/ ehe das Augen- waſſer hervor brach/ hoͤrete auch dieſe Rede der Fraͤulein mit ſonderlicher bewaͤgung an: Gnaͤdigſte Fr. Mutter/ es tuht meiner innigen Seele leid/ und iſt ihr faſt unertraͤglich/ daß ich meinem einigen Herr Bruder auff ſeinem gewuͤnſcheten Beylager nicht Geſelſchafft leiſten ſol; Ja wann etwa Kriege oder an dere Unruhe waͤhren/ die mich hievon abhielten/ dann haͤtte ich Entſchuldigung einzuwenden; ſol ich aber mein nicht-erſcheinen bloß hie- mit beſchoͤnen/ daß meine Fr. Mutter mir ſolches nicht goͤnnen wollen/ weiß ich nicht/ ob redliche Leute daran ein genuͤgen haben werden. Mein Herr Bruder iſt gleichwol ein be- ruͤhmter und maͤchtiger Koͤnig/ aber auff ſeinem eigenen Beylager wird er ein verlaſſener ohn-freund ſeyn/ abſonderlich/ weil ſein Herkules ihm keinen Beyſtand leiſten kan; jedoch muß ich meiner Fr. Mutter billich gehorſamen/ wie ſchwer mirs auch in dieſem Stuͤcke faͤllet/ wiewol ich noch der feſten Zuver ſicht gelebe/ ſie wede ſich eines andern bedenken/ uñ in einer ſo ſchlechten Sache meinen Herrn Bruder nicht ſchimpflich ſtecken laſſen. Ein Baur folget ja feinen Verwanten von einem Dorffe zum andern; ein Buͤrger von einer Stad zur andern/ warumb ſolten dann Koͤnigliches Standes Schweſter uñ Bruͤder ein- ander dieſe Freundſchafft nicht leiſten? Ich habe ja des Meers wuͤten nicht zubefuͤrchten/ dann die Gutſche kan mich dahin tragen; ſo ſind auch noch ſo viel Reuter wol in Boͤh- men/ die mich ſicher begleiten koͤnnen/ wann es nur meiner herzaller liebſten Fr. Mutter ge- fallen wolte/ welche noch dieſes bedenken wird/ wie ungleich die Frl. Braut/ und jhre El- tern es ausdeuten werden/ daß kein Anverwanter auff dem Beylager erſcheinet. Freylich werden ſie argwohnen/ als achte man dieſe Roͤmiſche Braut/ und ihre Eltern zu geringe; welches wol immerzu ein ſchlimmes Mißtrauen verurſachen duͤrffte. Die Koͤnigin hatte ſie uͤberaus lieb/ hoͤrete nicht allein ihre wehmuͤhtige Reden und nachdenkliche Urſachen/ ſondern ſahe daneben ihre Traͤhnen herunter flieſſen/ welche ſie laͤnger nicht reitzen kunte/ daher ſie antwortete: Gedulde dich liebes Kind/ ich wil noch weder ja noch nein geſagt ha- ben/ F f iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/267>, abgerufen am 22.12.2024.