Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch.
bringer seyn muß; sahe hiemit Herkules sehr traurig an/ und auff Teutsch sagte er mit lei-
ser Stimme zu ihm: Ach Fürst Herkules/ unser Fräulein Valißka/ unser Frl. Valißka!
damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules diesen allerliebsten
Nahmen hörete/ erstarreten alle seine Gliedmassen/ das Geblüt aus allen Adern lieff ihm
zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur diese Worte sagte: O du
allerliebstes Seelichen! o wo bistu/ wo bistu? womit er sanfftiglich zur Erden niderfiel/ und
unbewäglich liegen blieb. Frl. Sibylla stund ihm allernähest/ sahe ihn sinken/ und ward
dadurch so bestürzet/ daß ihr gleiche Ohmacht überging/ und sie auff ihn dahin fiel. Der
Stathalter sahe den grossen Jammer/ schlug die Hände zusammen/ und wünschete ihm
selber den Tod. Ladislastund wie ein Stein/ kunte weder reden noch schweigen/ biß ihm
ber grosse Herzensprast diese Worte heraus drängete: Sol es dann also aus Angst und
Trübnis gestorben seyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte überbleiben. Der junge Fabius
tröstete ihn/ er solte sich seines unüberwindlichen Gemühts erinnern/ dem Unglük geherzt
das Häupt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ sondern anordnen helffen/
daß sein Freund gelabet würde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ risse Frl. Sibyllen
den Busem auff/ und besprützete sie mit kühlem Wasser. Ladisla rüttelte und schüttelte sei-
nen Herkules/ wischete ihm den Angstschweiß ab/ und bestreich ihn mit Krafftwasser/ zu
ihm sagend: Mein Bruder/ hastu Ursach gnug zusterben/ so nim deinen Ladisla mit/ der
dich nimmermehr überleben wird. Fabius taht ihm geträuen Beystand/ daß er endlich zu
ihm selber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb verschlossenen Augen wieder zu
Teutsch anfing: O du allerliebstes Seelichen? o du unvergleichlicher Weltschaz! sol ich
dich dann in der ewigen Seligkeit nicht sehen? O du allerliebstes Seelichen/ o wo bistu?
Ladisla trat hin zu Wenzesla/ (der wieder zun Füssen kommen wahr/ und neben den Gesan-
ten diß grosse Unglük beklagete) und fragete ihn/ ob dann seine Frl. Schwester todes ver-
blichen währe. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber sie ist gefangen und in Räuber Hän-
den. Nun dann sagete er/ so stehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und sag-
te zu ihm: Mein allerliebster Bruder/ unsere Schwester Valiska lebet. O Bruder o Bru-
der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und sagte weiter: O du ädle Seele/
du außbund menschliches Geschlechts/ währestu doch nur vor deinem Ende zur erkänt-
nis deines Heylandes kommen; o so dürftestu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen-
zesla trat auch zu ihm/ sprechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Swester lebet und ist
gesund/ nur daß sie von etlichen Räubern gefangen gehalten wird. Hierauff besan er sich/
fürchtend/ er hätte etwa in dieser Angst sich etlicher Reden vernehmen lassen/ wodurch sei-
ne Liebe könte geargwohnet werden; stund auff und sagte: Ich bin meiner Frl. Wasen und
Schwester ohnzweiffel mein Leben schuldig/ welches zu rächen/ sie vor zwey jahren so be-
reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert hätte; in betrachtung dessen/ muß ihre Ge-
fängnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern
Dienste anzuwenden weiß. Er nahete sich zum Tische/ mit einem Trunk Wein seine matten
Geister zu laben/ sahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va-
ters Stuele in der tieffsten Ohmacht saß/ und kein Lebenszeichen sehen lies/ welches vor
seinem Ladisla zu verbergen/ er ihr den Busem öffnete/ und den Wein unter das Angesicht

streich/
J i ij

Anderes Buch.
bringer ſeyn muß; ſahe hiemit Herkules ſehr traurig an/ und auff Teutſch ſagte er mit lei-
ſer Stimme zu ihm: Ach Fuͤrſt Herkules/ unſer Fraͤulein Valißka/ unſer Frl. Valißka!
damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules dieſen allerliebſten
Nahmen hoͤrete/ erſtarreten alle ſeine Gliedmaſſen/ das Gebluͤt aus allen Adern lieff ihm
zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur dieſe Worte ſagte: O du
allerliebſtes Seelichen! o wo biſtu/ wo biſtu? womit er ſanfftiglich zur Erden niderfiel/ uñ
unbewaͤglich liegen blieb. Frl. Sibylla ſtund ihm allernaͤheſt/ ſahe ihn ſinken/ und ward
dadurch ſo beſtuͤrzet/ daß ihr gleiche Ohmacht uͤberging/ und ſie auff ihn dahin fiel. Der
Stathalter ſahe den groſſen Jammer/ ſchlug die Haͤnde zuſammen/ und wuͤnſchete ihm
ſelber den Tod. Ladiſlaſtund wie ein Stein/ kunte weder reden noch ſchweigen/ biß ihm
ber groſſe Herzenspraſt dieſe Worte heraus draͤngete: Sol es dann alſo aus Angſt und
Truͤbnis geſtorben ſeyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte uͤberbleiben. Der junge Fabius
troͤſtete ihn/ er ſolte ſich ſeines unuͤberwindlichen Gemuͤhts erinnern/ dem Ungluͤk geherzt
das Haͤupt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ ſondern anordnen helffen/
daß ſein Freund gelabet wuͤrde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ riſſe Frl. Sibyllen
den Buſem auff/ und beſpruͤtzete ſie mit kuͤhlem Waſſer. Ladiſla ruͤttelte und ſchuͤttelte ſei-
nen Herkules/ wiſchete ihm den Angſtſchweiß ab/ und beſtreich ihn mit Krafftwaſſer/ zu
ihm ſagend: Mein Bruder/ haſtu Urſach gnug zuſterben/ ſo nim deinen Ladiſla mit/ der
dich nimmermehr uͤberleben wird. Fabius taht ihm getraͤuen Beyſtand/ daß er endlich zu
ihm ſelber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb verſchloſſenen Augen wieder zu
Teutſch anfing: O du allerliebſtes Seelichen? o du unvergleichlicher Weltſchaz! ſol ich
dich dann in der ewigen Seligkeit nicht ſehen? O du allerliebſtes Seelichen/ o wo biſtu?
Ladiſla trat hin zu Wenzeſla/ (der wieder zun Fuͤſſen kommen wahr/ und neben den Geſan-
ten diß groſſe Ungluͤk beklagete) und fragete ihn/ ob dann ſeine Frl. Schweſter todes ver-
blichen waͤhre. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber ſie iſt gefangen und in Raͤuber Haͤn-
den. Nun dann ſagete er/ ſo ſtehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und ſag-
te zu ihm: Mein allerliebſter Bruder/ unſere Schweſter Valiſka lebet. O Bruder o Bru-
der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und ſagte weiter: O du aͤdle Seele/
du außbund menſchliches Geſchlechts/ waͤhreſtu doch nur vor deinem Ende zur erkaͤnt-
nis deines Heylandes kommen; o ſo duͤrfteſtu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen-
zeſla trat auch zu ihm/ ſprechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Sweſter lebet und iſt
geſund/ nur daß ſie von etlichen Raͤubern gefangen gehalten wird. Hierauff beſan er ſich/
fuͤrchtend/ er haͤtte etwa in dieſer Angſt ſich etlicher Reden vernehmen laſſen/ wodurch ſei-
ne Liebe koͤnte geargwohnet werden; ſtund auff und ſagte: Ich bin meiner Frl. Waſen uñ
Schweſter ohnzweiffel mein Leben ſchuldig/ welches zu raͤchen/ ſie vor zwey jahren ſo be-
reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert haͤtte; in betrachtung deſſen/ muß ihre Ge-
faͤngnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern
Dienſte anzuwenden weiß. Er nahete ſich zum Tiſche/ mit einem Trunk Wein ſeine matten
Geiſter zu laben/ ſahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va-
ters Stuele in der tieffſten Ohmacht ſaß/ und kein Lebenszeichen ſehen lies/ welches vor
ſeinem Ladiſla zu verbergen/ er ihr den Buſem oͤffnete/ und den Wein unter das Angeſicht

ſtreich/
J i ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0289" n="251"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch.</hi></fw><lb/>
bringer &#x017F;eyn muß; &#x017F;ahe hiemit Herkules &#x017F;ehr traurig an/ und auff Teut&#x017F;ch &#x017F;agte er mit lei-<lb/>
&#x017F;er Stimme zu ihm: Ach Fu&#x0364;r&#x017F;t Herkules/ un&#x017F;er Fra&#x0364;ulein Valißka/ un&#x017F;er Frl. Valißka!<lb/>
damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules die&#x017F;en allerlieb&#x017F;ten<lb/>
Nahmen ho&#x0364;rete/ er&#x017F;tarreten alle &#x017F;eine Gliedma&#x017F;&#x017F;en/ das Geblu&#x0364;t aus allen Adern lieff ihm<lb/>
zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur die&#x017F;e Worte &#x017F;agte: O du<lb/>
allerlieb&#x017F;tes Seelichen! o wo bi&#x017F;tu/ wo bi&#x017F;tu? womit er &#x017F;anfftiglich zur Erden niderfiel/ un&#x0303;<lb/>
unbewa&#x0364;glich liegen blieb. Frl. Sibylla &#x017F;tund ihm allerna&#x0364;he&#x017F;t/ &#x017F;ahe ihn &#x017F;inken/ und ward<lb/>
dadurch &#x017F;o be&#x017F;tu&#x0364;rzet/ daß ihr gleiche Ohmacht u&#x0364;berging/ und &#x017F;ie auff ihn dahin fiel. Der<lb/>
Stathalter &#x017F;ahe den gro&#x017F;&#x017F;en Jammer/ &#x017F;chlug die Ha&#x0364;nde zu&#x017F;ammen/ und wu&#x0364;n&#x017F;chete ihm<lb/>
&#x017F;elber den Tod. Ladi&#x017F;la&#x017F;tund wie ein Stein/ kunte weder reden noch &#x017F;chweigen/ biß ihm<lb/>
ber gro&#x017F;&#x017F;e Herzenspra&#x017F;t die&#x017F;e Worte heraus dra&#x0364;ngete: Sol es dann al&#x017F;o aus Ang&#x017F;t und<lb/>
Tru&#x0364;bnis ge&#x017F;torben &#x017F;eyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte u&#x0364;berbleiben. Der junge Fabius<lb/>
tro&#x0364;&#x017F;tete ihn/ er &#x017F;olte &#x017F;ich &#x017F;eines unu&#x0364;berwindlichen Gemu&#x0364;hts erinnern/ dem Unglu&#x0364;k geherzt<lb/>
das Ha&#x0364;upt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ &#x017F;ondern anordnen helffen/<lb/>
daß &#x017F;ein Freund gelabet wu&#x0364;rde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ ri&#x017F;&#x017F;e Frl. Sibyllen<lb/>
den Bu&#x017F;em auff/ und be&#x017F;pru&#x0364;tzete &#x017F;ie mit ku&#x0364;hlem Wa&#x017F;&#x017F;er. Ladi&#x017F;la ru&#x0364;ttelte und &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;ei-<lb/>
nen Herkules/ wi&#x017F;chete ihm den Ang&#x017F;t&#x017F;chweiß ab/ und be&#x017F;treich ihn mit Krafftwa&#x017F;&#x017F;er/ zu<lb/>
ihm &#x017F;agend: Mein Bruder/ ha&#x017F;tu Ur&#x017F;ach gnug zu&#x017F;terben/ &#x017F;o nim deinen Ladi&#x017F;la mit/ der<lb/>
dich nimmermehr u&#x0364;berleben wird. Fabius taht ihm getra&#x0364;uen Bey&#x017F;tand/ daß er endlich zu<lb/>
ihm &#x017F;elber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen wieder zu<lb/>
Teut&#x017F;ch anfing: O du allerlieb&#x017F;tes Seelichen? o du unvergleichlicher Welt&#x017F;chaz! &#x017F;ol ich<lb/>
dich dann in der ewigen Seligkeit nicht &#x017F;ehen? O du allerlieb&#x017F;tes Seelichen/ o wo bi&#x017F;tu?<lb/>
Ladi&#x017F;la trat hin zu Wenze&#x017F;la/ (der wieder zun Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en kommen wahr/ und neben den Ge&#x017F;an-<lb/>
ten diß gro&#x017F;&#x017F;e Unglu&#x0364;k beklagete) und fragete ihn/ ob dann &#x017F;eine Frl. Schwe&#x017F;ter todes ver-<lb/>
blichen wa&#x0364;hre. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber &#x017F;ie i&#x017F;t gefangen und in Ra&#x0364;uber Ha&#x0364;n-<lb/>
den. Nun dann &#x017F;agete er/ &#x017F;o &#x017F;tehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und &#x017F;ag-<lb/>
te zu ihm: Mein allerlieb&#x017F;ter Bruder/ un&#x017F;ere Schwe&#x017F;ter Vali&#x017F;ka lebet. O Bruder o Bru-<lb/>
der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und &#x017F;agte weiter: O du a&#x0364;dle Seele/<lb/>
du außbund men&#x017F;chliches Ge&#x017F;chlechts/ wa&#x0364;hre&#x017F;tu doch nur vor deinem Ende zur erka&#x0364;nt-<lb/>
nis deines Heylandes kommen; o &#x017F;o du&#x0364;rfte&#x017F;tu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen-<lb/>
ze&#x017F;la trat auch zu ihm/ &#x017F;prechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Swe&#x017F;ter lebet und i&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;und/ nur daß &#x017F;ie von etlichen Ra&#x0364;ubern gefangen gehalten wird. Hierauff be&#x017F;an er &#x017F;ich/<lb/>
fu&#x0364;rchtend/ er ha&#x0364;tte etwa in die&#x017F;er Ang&#x017F;t &#x017F;ich etlicher Reden vernehmen la&#x017F;&#x017F;en/ wodurch &#x017F;ei-<lb/>
ne Liebe ko&#x0364;nte geargwohnet werden; &#x017F;tund auff und &#x017F;agte: Ich bin meiner Frl. Wa&#x017F;en un&#x0303;<lb/>
Schwe&#x017F;ter ohnzweiffel mein Leben &#x017F;chuldig/ welches zu ra&#x0364;chen/ &#x017F;ie vor zwey jahren &#x017F;o be-<lb/>
reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert ha&#x0364;tte; in betrachtung de&#x017F;&#x017F;en/ muß ihre Ge-<lb/>
fa&#x0364;ngnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern<lb/>
Dien&#x017F;te anzuwenden weiß. Er nahete &#x017F;ich zum Ti&#x017F;che/ mit einem Trunk Wein &#x017F;eine matten<lb/>
Gei&#x017F;ter zu laben/ &#x017F;ahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va-<lb/>
ters Stuele in der tieff&#x017F;ten Ohmacht &#x017F;aß/ und kein Lebenszeichen &#x017F;ehen lies/ welches vor<lb/>
&#x017F;einem Ladi&#x017F;la zu verbergen/ er ihr den Bu&#x017F;em o&#x0364;ffnete/ und den Wein unter das Ange&#x017F;icht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i ij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;treich/</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0289] Anderes Buch. bringer ſeyn muß; ſahe hiemit Herkules ſehr traurig an/ und auff Teutſch ſagte er mit lei- ſer Stimme zu ihm: Ach Fuͤrſt Herkules/ unſer Fraͤulein Valißka/ unſer Frl. Valißka! damit verging ihm die Rede und der Odem zugleich. Als Herkules dieſen allerliebſten Nahmen hoͤrete/ erſtarreten alle ſeine Gliedmaſſen/ das Gebluͤt aus allen Adern lieff ihm zum Herzen/ daß ihm ein kalter Schweiß außbrach/ und er nur dieſe Worte ſagte: O du allerliebſtes Seelichen! o wo biſtu/ wo biſtu? womit er ſanfftiglich zur Erden niderfiel/ uñ unbewaͤglich liegen blieb. Frl. Sibylla ſtund ihm allernaͤheſt/ ſahe ihn ſinken/ und ward dadurch ſo beſtuͤrzet/ daß ihr gleiche Ohmacht uͤberging/ und ſie auff ihn dahin fiel. Der Stathalter ſahe den groſſen Jammer/ ſchlug die Haͤnde zuſammen/ und wuͤnſchete ihm ſelber den Tod. Ladiſlaſtund wie ein Stein/ kunte weder reden noch ſchweigen/ biß ihm ber groſſe Herzenspraſt dieſe Worte heraus draͤngete: Sol es dann alſo aus Angſt und Truͤbnis geſtorben ſeyn/ werde ich gewißlich nicht der lezte uͤberbleiben. Der junge Fabius troͤſtete ihn/ er ſolte ſich ſeines unuͤberwindlichen Gemuͤhts erinnern/ dem Ungluͤk geherzt das Haͤupt bieten/ und nicht mit todes Gedanken umbgehen/ ſondern anordnen helffen/ daß ſein Freund gelabet wuͤrde. Damit trat die Stathalterin hinzu/ riſſe Frl. Sibyllen den Buſem auff/ und beſpruͤtzete ſie mit kuͤhlem Waſſer. Ladiſla ruͤttelte und ſchuͤttelte ſei- nen Herkules/ wiſchete ihm den Angſtſchweiß ab/ und beſtreich ihn mit Krafftwaſſer/ zu ihm ſagend: Mein Bruder/ haſtu Urſach gnug zuſterben/ ſo nim deinen Ladiſla mit/ der dich nimmermehr uͤberleben wird. Fabius taht ihm getraͤuen Beyſtand/ daß er endlich zu ihm ſelber kam/ und mit einem tieffen Seuffzer und halb verſchloſſenen Augen wieder zu Teutſch anfing: O du allerliebſtes Seelichen? o du unvergleichlicher Weltſchaz! ſol ich dich dann in der ewigen Seligkeit nicht ſehen? O du allerliebſtes Seelichen/ o wo biſtu? Ladiſla trat hin zu Wenzeſla/ (der wieder zun Fuͤſſen kommen wahr/ und neben den Geſan- ten diß groſſe Ungluͤk beklagete) und fragete ihn/ ob dann ſeine Frl. Schweſter todes ver- blichen waͤhre. Nein Gn. Herr/ antwortete er/ aber ſie iſt gefangen und in Raͤuber Haͤn- den. Nun dann ſagete er/ ſo ſtehet ihr ja noch zu helffen; ging wieder zu Herkules/ und ſag- te zu ihm: Mein allerliebſter Bruder/ unſere Schweſter Valiſka lebet. O Bruder o Bru- der/ antwortete er/ ertichtete Hoffnung zergehet bald; und ſagte weiter: O du aͤdle Seele/ du außbund menſchliches Geſchlechts/ waͤhreſtu doch nur vor deinem Ende zur erkaͤnt- nis deines Heylandes kommen; o ſo duͤrfteſtu die ewige Verdamnis nit ertragen. Wen- zeſla trat auch zu ihm/ ſprechend: Gewißlich Gn. Herr/ eure Frl. Sweſter lebet und iſt geſund/ nur daß ſie von etlichen Raͤubern gefangen gehalten wird. Hierauff beſan er ſich/ fuͤrchtend/ er haͤtte etwa in dieſer Angſt ſich etlicher Reden vernehmen laſſen/ wodurch ſei- ne Liebe koͤnte geargwohnet werden; ſtund auff und ſagte: Ich bin meiner Frl. Waſen uñ Schweſter ohnzweiffel mein Leben ſchuldig/ welches zu raͤchen/ ſie vor zwey jahren ſo be- reit und willig wahr/ da es die Noht erfodert haͤtte; in betrachtung deſſen/ muß ihre Ge- faͤngnis oder meines Lebensfadem gebrochen werden/ welches ich in keinem wirdigern Dienſte anzuwenden weiß. Er nahete ſich zum Tiſche/ mit einem Trunk Wein ſeine matten Geiſter zu laben/ ſahe aber das Fr. Sophia/ deren niemand acht hatte/ auff ihres H. Va- ters Stuele in der tieffſten Ohmacht ſaß/ und kein Lebenszeichen ſehen lies/ welches vor ſeinem Ladiſla zu verbergen/ er ihr den Buſem oͤffnete/ und den Wein unter das Angeſicht ſtreich/ J i ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/289
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/289>, abgerufen am 16.06.2024.