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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Vierdes Buch
geringste Speise nicht genossen hatte; also ging sie leise nach ihrem Gemache/ und horche-
te an der Tühr/ ob sie etwas vernehmen möchte; klopffete endlich leise/ und immer härter
an/ vernam aber durch aus nichts/ und befahrete sich daher/ es möchte ihr etwa eine Oh-
macht wegen des langen fastens zugestossen seyn/ wo sie nicht aus Müdigkeit eingeschlaf-
fen währe; nahm endlich ihren Häupt Schlüssel/ und öffnete die Tühr/ und als sie niemand
in der Stuben sahe/ wolte sie die inner Kammer öffnen/ ward aber des angeklebeten Zettels
an derselben Tühr gewahr/ welches sie lase/ und die Einbildung fassete/ das Fräulein wolte
sie prüfen/ wie heut das übrige Frauenzimmer/ wiewol ihr das Herz schon zuzittern anfing,
weil sie dann auch in der Schlafkammer niemand fand/ schlug sie ihre Hände zusammen/
und sagte: O weh O weh mir armen und elenden/ nun muß ich doch samt meinem einigen
Sohn eines grausamen abscheulichen Todes sterben/ dafern wir uns nicht durch die flucht
erretten; fassete in der Noht ein Herz/ ging in das gemeine Zimmer/ und meldete der Fräu-
lein Leibdienerin an/ weil Ihre Gn. etwas unpaß wäre/ müste sie bey derselben diese Nacht
bleiben/ und solte sie derweil sich nach ihrem Lager verfügen; welches zwar dem Frauen-
zimmer ungewohnt vorkam/ aber doch keine weitere Gedanken ihnen darüber macheten.
Weil ihr dann allemahl frey stund/ vom Schlosse zugehen/ nam sie ihre besten Kleinot zu
sich/ ging zu ihrem Sohn in seine Herberge/ und sagte zu ihm: O du mein liebes Kind/ nun
hilff/ daß wir beyde unser Leben retten/ sonst müssen wir ohn alle Gnade sterben; Ach ach/
unser Königliches Fräulein ist heut heimlich ausgerissen/ welche mir zuhüten anvertrauet
wahr; so sattele nun alsbald deine beyden Pferde/ nim deine besten Sachen zu dir/ und gib
mir ein Mannes Kleid/ so wollen wlr noch diesen Abend uns nach Hirkanien zu deines Va-
ters Bruder auff den Weg machen/ ob wir verhoffentlich durchkommen/ und unsere See-
le erretten möchten. Der Jüngling erschrak der Zeitung/ und stund wie ein Trunkener;
aber als die Mutter ihn der Gefahr erinnerte/ machte ers nach ihrem Willen/ setzeten sich
auff/ und ritten mit einander zur Stad hinaus/ gleich da man die Tohre schliessen wolte/
dann weil man ihn als einen Königlichen Ausreiter kennete/ ließ man ihn mit seinem Ge-
färten unbefraget frey zihen; die Wege wahren ihm sehr wol bekant/ so gab der volle Mon-
de ihnen Schein genug/ daß sie die ganze Nacht reiten kunten/ und solcher gestalt sich dem
Tode entrissen. Des folgenden Morgens/ eine Stunde vor der Sonnen Aufgang/ wer-
kete das Fräulein ihren Herkules sitsam auf/ und sagte: Höchster Schatz/ wir werden der-
eins bessere Zeit zur Ruhe haben/ vor dißmahl aber wird das sicherste seyn/ daß wir uns in
die Kleider bringen/ und unsern Weg verfolgen. Herkules fuhr aus tieffem Schlaffe auff/
umfing sie freundlich/ und gab zur Antwort: Ich weiß nicht/ wie mir Gott in dieser grossen
Gefahr so sanffte Ruhe verleihet/ es währe dann/ daß die gröste Last meiner Sorgen mir
vom Herzen gefallen ist/ nachdem ich meinen allerwerdesten Schatz aus dem Königlichen
Schlosse in ein elendes Bauren Hüttlein geführet/ weswegen sie mir nicht unbillich auff-
setzig ist. Ja/ antwortete sie/ vielmehr hat meine innigliche Wollust ursach gnug mich zu
hassen/ nachdem ich heßliche schwarze Krämerin ihn der schönsten Fräulein Lukrezien oder
Sibyllen beraube. In diesem verliebeten Gespräch verhar reten sie ein halb Stündichen
legten hernach ihre Kleider an/ und fertigten sich zur Reise. Als sie gleich auffsitzen wolten/
höreten sie ein hartes Geklopffe an der Haus Tühr/ da Timokles fragete/ wer da währe.

Bald
S s s s s ij

Vierdes Buch
geringſte Speiſe nicht genoſſen hatte; alſo ging ſie leiſe nach ihrem Gemache/ und horche-
te an der Tuͤhr/ ob ſie etwas vernehmen moͤchte; klopffete endlich leiſe/ und immer haͤrter
an/ vernam aber durch aus nichts/ und befahrete ſich daher/ es moͤchte ihr etwa eine Oh-
macht wegen des langen faſtens zugeſtoſſen ſeyn/ wo ſie nicht aus Muͤdigkeit eingeſchlaf-
fen waͤhre; nahm endlich ihren Haͤupt Schluͤſſel/ und oͤffnete die Tuͤhr/ uñ als ſie niemand
in der Stuben ſahe/ wolte ſie die inner Kammer oͤffnen/ ward aber des angeklebeten Zettels
an derſelben Tuͤhr gewahr/ welches ſie laſe/ und die Einbildung faſſete/ das Fraͤulein wolte
ſie pruͤfen/ wie heut das uͤbrige Frauenzimmer/ wiewol ihr das Herz ſchon zuzittern anfing,
weil ſie dann auch in der Schlafkammer niemand fand/ ſchlug ſie ihre Haͤnde zuſammen/
und ſagte: O weh O weh mir armen und elenden/ nun muß ich doch ſamt meinem einigen
Sohn eines grauſamen abſcheulichen Todes ſterben/ dafern wir uns nicht durch die flucht
erretten; faſſete in der Noht ein Herz/ ging in das gemeine Zimmer/ und meldete der Fraͤu-
lein Leibdienerin an/ weil Ihre Gn. etwas unpaß waͤre/ muͤſte ſie bey derſelben dieſe Nacht
bleiben/ und ſolte ſie derweil ſich nach ihrem Lager verfuͤgen; welches zwar dem Frauen-
zimmer ungewohnt vorkam/ aber doch keine weitere Gedanken ihnen daruͤber macheten.
Weil ihr dann allemahl frey ſtund/ vom Schloſſe zugehen/ nam ſie ihre beſten Kleinot zu
ſich/ ging zu ihrem Sohn in ſeine Herberge/ und ſagte zu ihm: O du mein liebes Kind/ nun
hilff/ daß wir beyde unſer Leben retten/ ſonſt muͤſſen wir ohn alle Gnade ſterben; Ach ach/
unſer Koͤnigliches Fraͤulein iſt heut heimlich ausgeriſſen/ welche mir zuhuͤten anvertrauet
wahr; ſo ſattele nun alsbald deine beyden Pferde/ nim deine beſten Sachen zu dir/ und gib
mir ein Mañes Kleid/ ſo wollen wlr noch dieſen Abend uns nach Hirkanien zu deines Va-
ters Bruder auff den Weg machen/ ob wir verhoffentlich durchkommen/ und unſere See-
le erretten moͤchten. Der Juͤngling erſchrak der Zeitung/ und ſtund wie ein Trunkener;
aber als die Mutter ihn der Gefahr erinnerte/ machte ers nach ihrem Willen/ ſetzeten ſich
auff/ und ritten mit einander zur Stad hinaus/ gleich da man die Tohre ſchlieſſen wolte/
dann weil man ihn als einen Koͤniglichen Ausreiter kennete/ ließ man ihn mit ſeinem Ge-
faͤrten unbefraget frey zihen; die Wege wahren ihm ſehr wol bekant/ ſo gab der volle Mon-
de ihnen Schein genug/ daß ſie die ganze Nacht reiten kunten/ und ſolcher geſtalt ſich dem
Tode entriſſen. Des folgenden Morgens/ eine Stunde vor der Sonnen Aufgang/ wer-
kete das Fraͤulein ihren Herkules ſitſam auf/ und ſagte: Hoͤchſter Schatz/ wir werden der-
eins beſſere Zeit zur Ruhe haben/ vor dißmahl aber wird das ſicherſte ſeyn/ daß wir uns in
die Kleider bringen/ und unſern Weg verfolgen. Herkules fuhr aus tieffem Schlaffe auff/
umfing ſie freundlich/ und gab zur Antwort: Ich weiß nicht/ wie mir Gott in dieſer groſſen
Gefahr ſo ſanffte Ruhe verleihet/ es waͤhre dann/ daß die groͤſte Laſt meiner Sorgen mir
vom Herzen gefallen iſt/ nachdem ich meinen allerwerdeſten Schatz aus dem Koͤniglichen
Schloſſe in ein elendes Bauren Hüttlein gefuͤhret/ weswegen ſie mir nicht unbillich auff-
ſetzig iſt. Ja/ antwortete ſie/ vielmehr hat meine innigliche Wolluſt urſach gnug mich zu
haſſen/ nachdem ich heßliche ſchwarze Kraͤmerin ihn der ſchoͤnſten Fraͤulein Lukrezien odeꝛ
Sibyllen beraube. In dieſem verliebeten Geſpraͤch verhar reten ſie ein halb Stuͤndichen
legten hernach ihre Kleider an/ und fertigten ſich zur Reiſe. Als ſie gleich auffſitzen wolten/
hoͤreten ſie ein hartes Geklopffe an der Haus Tuͤhr/ da Timokles fragete/ wer da waͤhre.

Bald
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[875/0913] Vierdes Buch geringſte Speiſe nicht genoſſen hatte; alſo ging ſie leiſe nach ihrem Gemache/ und horche- te an der Tuͤhr/ ob ſie etwas vernehmen moͤchte; klopffete endlich leiſe/ und immer haͤrter an/ vernam aber durch aus nichts/ und befahrete ſich daher/ es moͤchte ihr etwa eine Oh- macht wegen des langen faſtens zugeſtoſſen ſeyn/ wo ſie nicht aus Muͤdigkeit eingeſchlaf- fen waͤhre; nahm endlich ihren Haͤupt Schluͤſſel/ und oͤffnete die Tuͤhr/ uñ als ſie niemand in der Stuben ſahe/ wolte ſie die inner Kammer oͤffnen/ ward aber des angeklebeten Zettels an derſelben Tuͤhr gewahr/ welches ſie laſe/ und die Einbildung faſſete/ das Fraͤulein wolte ſie pruͤfen/ wie heut das uͤbrige Frauenzimmer/ wiewol ihr das Herz ſchon zuzittern anfing, weil ſie dann auch in der Schlafkammer niemand fand/ ſchlug ſie ihre Haͤnde zuſammen/ und ſagte: O weh O weh mir armen und elenden/ nun muß ich doch ſamt meinem einigen Sohn eines grauſamen abſcheulichen Todes ſterben/ dafern wir uns nicht durch die flucht erretten; faſſete in der Noht ein Herz/ ging in das gemeine Zimmer/ und meldete der Fraͤu- lein Leibdienerin an/ weil Ihre Gn. etwas unpaß waͤre/ muͤſte ſie bey derſelben dieſe Nacht bleiben/ und ſolte ſie derweil ſich nach ihrem Lager verfuͤgen; welches zwar dem Frauen- zimmer ungewohnt vorkam/ aber doch keine weitere Gedanken ihnen daruͤber macheten. Weil ihr dann allemahl frey ſtund/ vom Schloſſe zugehen/ nam ſie ihre beſten Kleinot zu ſich/ ging zu ihrem Sohn in ſeine Herberge/ und ſagte zu ihm: O du mein liebes Kind/ nun hilff/ daß wir beyde unſer Leben retten/ ſonſt muͤſſen wir ohn alle Gnade ſterben; Ach ach/ unſer Koͤnigliches Fraͤulein iſt heut heimlich ausgeriſſen/ welche mir zuhuͤten anvertrauet wahr; ſo ſattele nun alsbald deine beyden Pferde/ nim deine beſten Sachen zu dir/ und gib mir ein Mañes Kleid/ ſo wollen wlr noch dieſen Abend uns nach Hirkanien zu deines Va- ters Bruder auff den Weg machen/ ob wir verhoffentlich durchkommen/ und unſere See- le erretten moͤchten. Der Juͤngling erſchrak der Zeitung/ und ſtund wie ein Trunkener; aber als die Mutter ihn der Gefahr erinnerte/ machte ers nach ihrem Willen/ ſetzeten ſich auff/ und ritten mit einander zur Stad hinaus/ gleich da man die Tohre ſchlieſſen wolte/ dann weil man ihn als einen Koͤniglichen Ausreiter kennete/ ließ man ihn mit ſeinem Ge- faͤrten unbefraget frey zihen; die Wege wahren ihm ſehr wol bekant/ ſo gab der volle Mon- de ihnen Schein genug/ daß ſie die ganze Nacht reiten kunten/ und ſolcher geſtalt ſich dem Tode entriſſen. Des folgenden Morgens/ eine Stunde vor der Sonnen Aufgang/ wer- kete das Fraͤulein ihren Herkules ſitſam auf/ und ſagte: Hoͤchſter Schatz/ wir werden der- eins beſſere Zeit zur Ruhe haben/ vor dißmahl aber wird das ſicherſte ſeyn/ daß wir uns in die Kleider bringen/ und unſern Weg verfolgen. Herkules fuhr aus tieffem Schlaffe auff/ umfing ſie freundlich/ und gab zur Antwort: Ich weiß nicht/ wie mir Gott in dieſer groſſen Gefahr ſo ſanffte Ruhe verleihet/ es waͤhre dann/ daß die groͤſte Laſt meiner Sorgen mir vom Herzen gefallen iſt/ nachdem ich meinen allerwerdeſten Schatz aus dem Koͤniglichen Schloſſe in ein elendes Bauren Hüttlein gefuͤhret/ weswegen ſie mir nicht unbillich auff- ſetzig iſt. Ja/ antwortete ſie/ vielmehr hat meine innigliche Wolluſt urſach gnug mich zu haſſen/ nachdem ich heßliche ſchwarze Kraͤmerin ihn der ſchoͤnſten Fraͤulein Lukrezien odeꝛ Sibyllen beraube. In dieſem verliebeten Geſpraͤch verhar reten ſie ein halb Stuͤndichen legten hernach ihre Kleider an/ und fertigten ſich zur Reiſe. Als ſie gleich auffſitzen wolten/ hoͤreten ſie ein hartes Geklopffe an der Haus Tuͤhr/ da Timokles fragete/ wer da waͤhre. Bald S ſ ſ ſ ſ ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/913>, abgerufen am 02.06.2024.