Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Sechstes Buch. aus Kindlichem Gehorsam zuleisten ich gezwungen werde. Hier kam mein Herr Vaterwieder zu uns/ und redete mit Herkules von allerley neues/ was in Schweden sich zugetra- gen/ biß die Mahlzeit angerichtet ward/ da ich gleich gegen meinen Herkules überzusitzen kam/ auff welchen ich etlicher massen einen Unwillen/ wegen mir angelegter Beschämung/ geworffen hatte/ der sich aber von ihm selber verlohr/ und hatte nach dem ich niemahls das Herz/ ihm solches verweißlich vorzuhalten. Bey der Mahlzeit redeten wir beyderseits gar wenig/ sondern weideten die Augen fast immerzu einer an dem andern/ daß ich als blind mich nicht begreiffen kunte/ was mir wol oder übel[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]anstünde. Wie aber mein Herkules sich seiner Vernunfft allemahl so bescheidentlich zugebrauchen weiß/ also besan er sich auch bald/ nam eine andere Art und seine gewöhnliche Freidigkeit an/ und ergetzete mit seinem holdseligen Gespräch meine Eltern/ daß ich mir einbildete/ er achtete meiner wenig/ oder wol gar nicht; dann so offt sichs begab/ daß er mit mir in Gegenwart anderer redete/ mach- te er wenig Worte/ und sahe mich fast nicht an/ daß ich drüber in die Gedanken geriet/ ob ich ihn etwa unwissend beleidiget hätte/ oder er vielleicht etwas an mir sähe/ welches sein Gemüht von mir abwendete; aber wann er allein mit mir zureden kam/ ward ich der furcht bald entladen; dann nachdem (allen unvermerkt/ das wahr seine Gewohnheit) er mir die Hand geküsset hatte/ baht er bald darauff umb Verzeihung/ massen seine Mässigkeit und Zucht/ deren er sich noch diese Stunde gebrauchet/ ich über alle seine andere Tugenden er- hebe; wiewol er nicht unterließ mir täglich zubeteuren/ daß seine Seele mir allein verbun- den währe/ wann sie nur dessen könte gewirdiget seyn. O wie offt nam ich mir vor/ ihm sol- ches mit behäglicher Antwort zuersetzen; dann (warumb solte ichs meiner Fr. Schwester verschweigen?) mein Herz wahr ihm so gar ergeben/ daß ich Tag und Nacht an nichts/ als nur an seine Holdseligkeit gedenken kunte; und gleichwol verzohe sichs etliche Tage/ ehe ich die Kühnheit ergreiffen kunte/ ihm meine ehrenliebende Gutwilligkeit zubekennen/ biß ich endlich mich selbst überwand/ und da er sehr inständig umb Gewogenheit bey mir anhielt/ ihm dieses zur Antwort gab: Durchl. Fürst; warumb wolte Eure Liebe an mei- nem guten Willen zweifeln/ da sie/ meines wissens dessen ja die allergeringste Ursach nicht haben? dann in Betrachtung unsers herkommens und Standes/ sind wir allerdinge ein- ander gleich/ und zwinget uns ja die nahe Verwandschafft zur vertraulichen guten Ge- wogenheit; bitte demnach/ mich hinfüro des Verdachts freundlich zuentheben/ als ob zu Euer Liebe ich ein anders/ als in Ehren hochgewogenes Herz tragen solte/ nachdemmahl ich dieselbe wol versichern kan/ daß sie an mir keine andere Freundin/ als an meinem Herr Bruder einen ergebenen Freund haben sol; welches so kühn auszureden ich mich nicht scheuhe weil seine Tugend mich/ seine nahe Blutfreundin/ ihm umb so viel mehr verbind- lich gemacht hat. Dieser Erklärung erfreuete sich Herkules/ wie ich eigentlich sahe/ von Herzen mit vorgeben/ sein Gemüht währe nicht verständig gnug/ eine Antwort abzufas- sen/ durch welche er seine Vergnügung an den Tag legen könte/ und als er sahe/ daß meine Fr. Mutter sich zu uns nahete/ sagte er zum Beschluß; Sein Herz solte nun und nimmer- mehr einer andern Fräulein/ als mir zur Liebe und Bewohnung offen stehen/ dafern es nur wirdig währe/ einen so treflichen Schaz in sich zufassen/ wolte auch meinem hochgün- stigen Erbieten gerne Glauben zumässen/ wann ich nur sein geschehenes ansuchen noch zur zeit
Sechſtes Buch. aus Kindlichem Gehorſam zuleiſten ich gezwungen werde. Hier kam mein Herr Vaterwieder zu uns/ und redete mit Herkules von allerley neues/ was in Schweden ſich zugetra- gen/ biß die Mahlzeit angerichtet ward/ da ich gleich gegen meinen Herkules uͤberzuſitzen kam/ auff welchen ich etlicher maſſen einen Unwillen/ wegẽ mir angelegter Beſchaͤmung/ geworffen hatte/ der ſich aber von ihm ſelber verlohr/ uñ hatte nach dem ich niemahls das Herz/ ihm ſolches verweißlich vorzuhalten. Bey der Mahlzeit redeten wir beyderſeits gar wenig/ ſondern weideten die Augen faſt immerzu einer an dem andern/ daß ich als blind mich nicht begreiffen kunte/ was mir wol oder uͤbel[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]anſtuͤnde. Wie aber mein Herkules ſich ſeiner Vernunfft allemahl ſo beſcheidentlich zugebrauchẽ weiß/ alſo beſan er ſich auch bald/ nam eine andere Art und ſeine gewoͤhnliche Freidigkeit an/ und ergetzete mit ſeinem holdſeligen Geſpraͤch meine Eltern/ daß ich mir einbildete/ er achtete meiner wenig/ oder wol gar nicht; dann ſo offt ſichs begab/ daß er mit mir in Gegenwart anderer redete/ mach- te er wenig Worte/ und ſahe mich faſt nicht an/ daß ich druͤber in die Gedanken geriet/ ob ich ihn etwa unwiſſend beleidiget haͤtte/ oder er vielleicht etwas an mir ſaͤhe/ welches ſein Gemüht von mir abwendete; aber wañ er allein mit mir zureden kam/ ward ich der furcht bald entladen; dann nachdem (allen unvermerkt/ das wahr ſeine Gewohnheit) er mir die Hand gekuͤſſet hatte/ baht er bald darauff umb Verzeihung/ maſſen ſeine Maͤſſigkeit und Zucht/ deren er ſich noch dieſe Stunde gebrauchet/ ich uͤber alle ſeine andere Tugenden er- hebe; wiewol er nicht unterließ mir taͤglich zubeteuren/ daß ſeine Seele mir allein verbun- den waͤhre/ wann ſie nur deſſen koͤnte gewirdiget ſeyn. O wie offt nam ich mir vor/ ihm ſol- ches mit behaͤglicher Antwort zuerſetzen; dann (warumb ſolte ichs meiner Fr. Schweſter verſchweigen?) mein Herz wahr ihm ſo gar ergeben/ daß ich Tag und Nacht an nichts/ als nur an ſeine Holdſeligkeit gedenken kunte; und gleichwol verzohe ſichs etliche Tage/ ehe ich die Kuͤhnheit ergreiffen kunte/ ihm meine ehrenliebende Gutwilligkeit zubekennen/ biß ich endlich mich ſelbſt uͤberwand/ und da er ſehr inſtaͤndig umb Gewogenheit bey mir anhielt/ ihm dieſes zur Antwort gab: Durchl. Fuͤrſt; warumb wolte Eure Liebe an mei- nem guten Willen zweifeln/ da ſie/ meines wiſſens deſſen ja die allergeringſte Urſach nicht haben? dann in Betrachtung unſers herkommens und Standes/ ſind wir allerdinge ein- ander gleich/ und zwinget uns ja die nahe Verwandſchafft zur vertraulichen guten Ge- wogenheit; bitte demnach/ mich hinfuͤro des Verdachts freundlich zuentheben/ als ob zu Euer Liebe ich ein anders/ als in Ehren hochgewogenes Herz tragen ſolte/ nachdemmahl ich dieſelbe wol verſichern kan/ daß ſie an mir keine andere Freundin/ als an meinem Herr Bruder einen ergebenen Freund haben ſol; welches ſo kuͤhn auszureden ich mich nicht ſcheuhe weil ſeine Tugend mich/ ſeine nahe Blutfreundin/ ihm umb ſo viel mehr verbind- lich gemacht hat. Dieſer Erklaͤrung erfreuete ſich Herkules/ wie ich eigentlich ſahe/ von Herzen mit vorgeben/ ſein Gemuͤht waͤhre nicht verſtaͤndig gnug/ eine Antwort abzufaſ- ſen/ durch welche er ſeine Vergnuͤgung an den Tag legen koͤnte/ und als er ſahe/ daß meine Fr. Mutter ſich zu uns nahete/ ſagte er zum Beſchluß; Sein Herz ſolte nun und nimmer- mehr einer andern Fraͤulein/ als mir zur Liebe und Bewohnung offen ſtehen/ dafern es nur wirdig waͤhre/ einen ſo treflichen Schaz in ſich zufaſſen/ wolte auch meinem hochguͤn- ſtigen Erbieten gerne Glauben zumaͤſſen/ wann ich nur ſein geſchehenes anſuchen noch zuꝛ zeit
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Sechſtes Buch.
aus Kindlichem Gehorſam zuleiſten ich gezwungen werde. Hier kam mein Herr Vater
wieder zu uns/ und redete mit Herkules von allerley neues/ was in Schweden ſich zugetra-
gen/ biß die Mahlzeit angerichtet ward/ da ich gleich gegen meinen Herkules uͤberzuſitzen
kam/ auff welchen ich etlicher maſſen einen Unwillen/ wegẽ mir angelegter Beſchaͤmung/
geworffen hatte/ der ſich aber von ihm ſelber verlohr/ uñ hatte nach dem ich niemahls das
Herz/ ihm ſolches verweißlich vorzuhalten. Bey der Mahlzeit redeten wir beyderſeits gar
wenig/ ſondern weideten die Augen faſt immerzu einer an dem andern/ daß ich als blind
mich nicht begreiffen kunte/ was mir wol oder uͤbel_anſtuͤnde. Wie aber mein Herkules
ſich ſeiner Vernunfft allemahl ſo beſcheidentlich zugebrauchẽ weiß/ alſo beſan er ſich auch
bald/ nam eine andere Art und ſeine gewoͤhnliche Freidigkeit an/ und ergetzete mit ſeinem
holdſeligen Geſpraͤch meine Eltern/ daß ich mir einbildete/ er achtete meiner wenig/ oder
wol gar nicht; dann ſo offt ſichs begab/ daß er mit mir in Gegenwart anderer redete/ mach-
te er wenig Worte/ und ſahe mich faſt nicht an/ daß ich druͤber in die Gedanken geriet/ ob
ich ihn etwa unwiſſend beleidiget haͤtte/ oder er vielleicht etwas an mir ſaͤhe/ welches ſein
Gemüht von mir abwendete; aber wañ er allein mit mir zureden kam/ ward ich der furcht
bald entladen; dann nachdem (allen unvermerkt/ das wahr ſeine Gewohnheit) er mir die
Hand gekuͤſſet hatte/ baht er bald darauff umb Verzeihung/ maſſen ſeine Maͤſſigkeit und
Zucht/ deren er ſich noch dieſe Stunde gebrauchet/ ich uͤber alle ſeine andere Tugenden er-
hebe; wiewol er nicht unterließ mir taͤglich zubeteuren/ daß ſeine Seele mir allein verbun-
den waͤhre/ wann ſie nur deſſen koͤnte gewirdiget ſeyn. O wie offt nam ich mir vor/ ihm ſol-
ches mit behaͤglicher Antwort zuerſetzen; dann (warumb ſolte ichs meiner Fr. Schweſter
verſchweigen?) mein Herz wahr ihm ſo gar ergeben/ daß ich Tag und Nacht an nichts/
als nur an ſeine Holdſeligkeit gedenken kunte; und gleichwol verzohe ſichs etliche Tage/
ehe ich die Kuͤhnheit ergreiffen kunte/ ihm meine ehrenliebende Gutwilligkeit zubekennen/
biß ich endlich mich ſelbſt uͤberwand/ und da er ſehr inſtaͤndig umb Gewogenheit bey mir
anhielt/ ihm dieſes zur Antwort gab: Durchl. Fuͤrſt; warumb wolte Eure Liebe an mei-
nem guten Willen zweifeln/ da ſie/ meines wiſſens deſſen ja die allergeringſte Urſach nicht
haben? dann in Betrachtung unſers herkommens und Standes/ ſind wir allerdinge ein-
ander gleich/ und zwinget uns ja die nahe Verwandſchafft zur vertraulichen guten Ge-
wogenheit; bitte demnach/ mich hinfuͤro des Verdachts freundlich zuentheben/ als ob zu
Euer Liebe ich ein anders/ als in Ehren hochgewogenes Herz tragen ſolte/ nachdemmahl
ich dieſelbe wol verſichern kan/ daß ſie an mir keine andere Freundin/ als an meinem Herr
Bruder einen ergebenen Freund haben ſol; welches ſo kuͤhn auszureden ich mich nicht
ſcheuhe weil ſeine Tugend mich/ ſeine nahe Blutfreundin/ ihm umb ſo viel mehr verbind-
lich gemacht hat. Dieſer Erklaͤrung erfreuete ſich Herkules/ wie ich eigentlich ſahe/ von
Herzen mit vorgeben/ ſein Gemuͤht waͤhre nicht verſtaͤndig gnug/ eine Antwort abzufaſ-
ſen/ durch welche er ſeine Vergnuͤgung an den Tag legen koͤnte/ und als er ſahe/ daß meine
Fr. Mutter ſich zu uns nahete/ ſagte er zum Beſchluß; Sein Herz ſolte nun und nimmer-
mehr einer andern Fraͤulein/ als mir zur Liebe und Bewohnung offen ſtehen/ dafern es
nur wirdig waͤhre/ einen ſo treflichen Schaz in ſich zufaſſen/ wolte auch meinem hochguͤn-
ſtigen Erbieten gerne Glauben zumaͤſſen/ wann ich nur ſein geſchehenes anſuchen noch zuꝛ
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/378>, abgerufen am 16.07.2024. |