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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
heyrahten/ welcher auff seinem höckerichten Puckel mehr dann 65 Jahr träget. Nachdem aber mei-
nem zarten Herzen allerdinge eine Unmögligkeit ist/ einen solchen ekelhafften unvermögenden Greisen
und Leisen/ an der Seiten zuerdulden/ und meinen schönen Leib den abgelebeten dürren Knochen un-
terwürffig zumachen/ insonderheit da ich einen solchen gewünscheten Buhler an Euer Liebe habe; Als
gelanget an dieselbe mein ehrendienst- und herzfreundliches ersuchen/ mich dieses ausgedorreten Un-
glüks zubenehmen/ und durch seine blühende grüne Krafft mich zuerfreuen; das ist/ mit seiner Wer-
bung fleissig anzuhalten/ oder/ wo möglich/ mich gar aus meines Vaters Gewalt hinweg zuhohlen/
als seine ganz ergebene; jedoch mit dem ausdrüklichen bedinge/ daß/ dafern seine Liebe diesen Brief
und dessen Inhalt einigem Menschen der Welt offenbahren wird/ er von aller meiner Hulde in Ewig-
keit sol entsetzet seyn/ werde auch auff solchen fall mir einen andern Buhlen und Retter erkiesen; son-
sten aber bin und verbleibe ich meines herzgeltebeten Herrn und allerangenehmesten Freundes/ weil
ich lebe/ ganz ergebene gehorsame Lukrezie Pompejin.

Fr. Lukrezia muste Zeit des lesens ihren Mund mit einem Wischtuche zuhalten/ damit
sie sich des lachens erwehrete/ nachgehends sagte sie zu Prokulus: Tapfer Ritter/ wer
mag doch immermehr des Narren mit euch so ungescheuhet und handgreiflich gespielet
haben? Mein Herr Vater aber wolle doch den Brief besehen/ ob er die Hand kenne/ dann
daß es meine nicht sein wird/ bin ich gnug versichert. Aber der Käyser baht/ ein wenig/
inne zu halten/ biß daß übrige auch verlesen währe. Welches dann dem elenden Prokulus
sehr angenehm wahr/ und zu Lukrezien sagete: Ja eben dieses komt mit eures Bohten rede
überein/ welcher mir mündlich anzeigete/ dafern ich diesen Brief lautbahr machen würde/
wolte sie alles/ auch ihre eigene Hand verleugnen. Es ist gut/ antwortete sie; man pfleget
den geheimen Bohten wol so viel in den Mund zu legen; sonst zweifele ich nicht/ wann der
Schau-Spiel-Schreiber Plautus oder Terentius wieder aus der Asche hervor kähmen/
würden sie an euch zeuges gnug haben/ woraus sie ein gaukel- volles Spiel tichten könten.
Er aber kehrete sich daran wenig/ baht nur/ der hönischen zunge ein Gebiß anzulegen/ und
reichete den andern Brief hin/ welcher also verlesen ward/ daß vor erst die Aufschrift mit
dem ersten nach allen worten überein kahm/ da doch der eine zu Jerusalem/ der ander zu
Padua solte geschrieben sein; und alle anwesende daher die Auftreiberey leicht merketen;
darauf folgete nun dieser Inhalt:

Wann die liebe Sonne durch ihre glänzende Strahlen so wol meines Herzen Lust und Freu-
de/ als den klaren Tag hervor bringen/ und dieselbe euch mein Herr/ zeigen könte/ würdet ihr/ höchst-
werther Schaz erkennen mögen die Herligkeit/ in welche ich durch Euer Liebe Anwerbung nach mei-
ner Heyraht gesetzet bin; hingegen muß ich mich dannoch plagen und grämen/ daß meine unbedacht-
same Eltern (wie ich aus deren Schreiben mit höchstem Unwillen vernehme) bedenken tragen/ Euer
Liebe mich alsbald zuversprechen. Ach mein Seelen-Freund/ wie herzlich danke ich euch vor solche
Gunst und Liebe/ kan auch nicht absehen/ warumb meine Eltern dieses Glük nicht mit mir zugleich
mit beyden Händen ergreiffen/ es währe dann/ daß sie dem hinkenden einäugigen Nummius Lelia-
nus noch weiters zuhöreten/ welcher ihnen grosse güldene Berge von seiner Liebe gegen mich vorschwä-
tzen sol/ von dessen unglüklicher Ehe mich doch entweder Herrn Prokulus kundbare Tapfferkeit und
geträue Gegenliebe/ oder zum wenigsten mein eigenes Brodmesser frey sprechen wird. Euer Liebe der
Verschwiegenheit dieses meines Schreibens zuerinnern/ achte ich vor unnöhtig/ massen dessen hoher
Verstand leicht zuermässen hat/ daß durch ein widriges er mich in das tieffste Unglük/ ja in den Tod
selbst stürzen würde; und zwar die ihm zu aller Liebe und Träue ganz ergeben ist/ auch in alle Ewigkeit
eine solche verbleiben wird/ Sibylla Fabiin.

Gelieb-
f f f iij

Sechſtes Buch.
heyrahten/ welcher auff ſeinem hoͤckerichten Puckel mehr dann 65 Jahr traͤget. Nachdem aber mei-
nem zarten Herzen allerdinge eine Unmoͤgligkeit iſt/ einen ſolchen ekelhafften unvermoͤgenden Greiſen
und Leiſen/ an der Seiten zuerdulden/ und meinen ſchoͤnen Leib den abgelebeten duͤrren Knochen un-
terwuͤrffig zumachen/ inſonderheit da ich einen ſolchen gewuͤnſcheten Buhler an Euer Liebe habe; Als
gelanget an dieſelbe mein ehrendienſt- und herzfreundliches erſuchen/ mich dieſes ausgedorreten Un-
gluͤks zubenehmen/ und durch ſeine bluͤhende gruͤne Krafft mich zuerfreuen; das iſt/ mit ſeiner Wer-
bung fleiſſig anzuhalten/ oder/ wo moͤglich/ mich gar aus meines Vaters Gewalt hinweg zuhohlen/
als ſeine ganz ergebene; jedoch mit dem ausdruͤklichen bedinge/ daß/ dafern ſeine Liebe dieſen Brief
und deſſen Inhalt einigem Menſchen der Welt offenbahren wird/ er von aller meiner Hulde in Ewig-
keit ſol entſetzet ſeyn/ werde auch auff ſolchen fall mir einen andern Buhlen und Retter erkieſen; ſon-
ſten aber bin und verbleibe ich meines herzgeltebeten Herrn und allerangenehmeſten Freundes/ weil
ich lebe/ ganz ergebene gehorſame Lukrezie Pompejin.

Fr. Lukrezia muſte Zeit des leſens ihren Mund mit einem Wiſchtuche zuhalten/ damit
ſie ſich des lachens erwehrete/ nachgehends ſagte ſie zu Prokulus: Tapfer Ritter/ wer
mag doch immermehr des Narren mit euch ſo ungeſcheuhet und handgreiflich geſpielet
haben? Mein Herr Vater aber wolle doch den Brief beſehen/ ob er die Hand kenne/ dann
daß es meine nicht ſein wird/ bin ich gnug verſichert. Aber der Kaͤyſer baht/ ein wenig/
iñe zu halten/ biß daß übrige auch verleſen waͤhre. Welches dann dem elenden Prokulus
ſehr angenehm wahr/ und zu Lukrezien ſagete: Ja eben dieſes komt mit eures Bohten rede
uͤberein/ welcher mir muͤndlich anzeigete/ dafern ich dieſen Brief lautbahr machen würde/
wolte ſie alles/ auch ihre eigene Hand verleugnen. Es iſt gut/ antwortete ſie; man pfleget
den geheimen Bohten wol ſo viel in den Mund zu legen; ſonſt zweifele ich nicht/ wann der
Schau-Spiel-Schreiber Plautus oder Terentius wieder aus der Aſche hervor kaͤhmen/
wuͤrden ſie an euch zeuges gnug haben/ woraus ſie ein gaukel- volles Spiel tichten koͤnten.
Er aber kehrete ſich daran wenig/ baht nur/ der hoͤniſchen zunge ein Gebiß anzulegen/ und
reichete den andern Brief hin/ welcher alſo verleſen ward/ daß vor erſt die Aufſchrift mit
dem erſten nach allen worten uͤberein kahm/ da doch der eine zu Jeruſalem/ der ander zu
Padua ſolte geſchrieben ſein; und alle anweſende daher die Auftreiberey leicht merketen;
darauf folgete nun dieſer Inhalt:

Wann die liebe Sonne durch ihre glaͤnzende Strahlen ſo wol meines Herzen Luſt und Freu-
de/ als den klaren Tag hervor bringen/ und dieſelbe euch mein Herr/ zeigen koͤnte/ wuͤrdet ihr/ hoͤchſt-
werther Schaz erkennen moͤgen die Herligkeit/ in welche ich durch Euer Liebe Anwerbung nach mei-
ner Heyraht geſetzet bin; hingegen muß ich mich dannoch plagen und graͤmen/ daß meine unbedacht-
ſame Eltern (wie ich aus deren Schreiben mit hoͤchſtem Unwillen vernehme) bedenken tragen/ Euer
Liebe mich alsbald zuverſprechen. Ach mein Seelen-Freund/ wie herzlich danke ich euch vor ſolche
Gunſt und Liebe/ kan auch nicht abſehen/ warumb meine Eltern dieſes Gluͤk nicht mit mir zugleich
mit beyden Haͤnden ergreiffen/ es waͤhre dann/ daß ſie dem hinkenden einaͤugigen Nummius Lelia-
nus noch weiters zuhoͤretẽ/ welcher ihnen groſſe guͤldene Berge von ſeiner Liebe gegen mich vorſchwaͤ-
tzen ſol/ von deſſen ungluͤklicher Ehe mich doch entweder Herrn Prokulus kundbare Tapfferkeit und
getraͤue Gegenliebe/ oder zum wenigſten mein eigenes Brodmeſſer frey ſprechen wird. Euer Liebe der
Verſchwiegenheit dieſes meines Schreibens zuerinnern/ achte ich vor unnoͤhtig/ maſſen deſſen hoher
Verſtand leicht zuermaͤſſen hat/ daß durch ein widriges er mich in das tieffſte Ungluͤk/ ja in den Tod
ſelbſt ſtuͤrzen wuͤrde; und zwar die ihm zu aller Liebe und Traͤue ganz ergeben iſt/ auch in alle Ewigkeit
eine ſolche verbleiben wird/ Sibylla Fabiin.

Gelieb-
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[413/0419] Sechſtes Buch. heyrahten/ welcher auff ſeinem hoͤckerichten Puckel mehr dann 65 Jahr traͤget. Nachdem aber mei- nem zarten Herzen allerdinge eine Unmoͤgligkeit iſt/ einen ſolchen ekelhafften unvermoͤgenden Greiſen und Leiſen/ an der Seiten zuerdulden/ und meinen ſchoͤnen Leib den abgelebeten duͤrren Knochen un- terwuͤrffig zumachen/ inſonderheit da ich einen ſolchen gewuͤnſcheten Buhler an Euer Liebe habe; Als gelanget an dieſelbe mein ehrendienſt- und herzfreundliches erſuchen/ mich dieſes ausgedorreten Un- gluͤks zubenehmen/ und durch ſeine bluͤhende gruͤne Krafft mich zuerfreuen; das iſt/ mit ſeiner Wer- bung fleiſſig anzuhalten/ oder/ wo moͤglich/ mich gar aus meines Vaters Gewalt hinweg zuhohlen/ als ſeine ganz ergebene; jedoch mit dem ausdruͤklichen bedinge/ daß/ dafern ſeine Liebe dieſen Brief und deſſen Inhalt einigem Menſchen der Welt offenbahren wird/ er von aller meiner Hulde in Ewig- keit ſol entſetzet ſeyn/ werde auch auff ſolchen fall mir einen andern Buhlen und Retter erkieſen; ſon- ſten aber bin und verbleibe ich meines herzgeltebeten Herrn und allerangenehmeſten Freundes/ weil ich lebe/ ganz ergebene gehorſame Lukrezie Pompejin. Fr. Lukrezia muſte Zeit des leſens ihren Mund mit einem Wiſchtuche zuhalten/ damit ſie ſich des lachens erwehrete/ nachgehends ſagte ſie zu Prokulus: Tapfer Ritter/ wer mag doch immermehr des Narren mit euch ſo ungeſcheuhet und handgreiflich geſpielet haben? Mein Herr Vater aber wolle doch den Brief beſehen/ ob er die Hand kenne/ dann daß es meine nicht ſein wird/ bin ich gnug verſichert. Aber der Kaͤyſer baht/ ein wenig/ iñe zu halten/ biß daß übrige auch verleſen waͤhre. Welches dann dem elenden Prokulus ſehr angenehm wahr/ und zu Lukrezien ſagete: Ja eben dieſes komt mit eures Bohten rede uͤberein/ welcher mir muͤndlich anzeigete/ dafern ich dieſen Brief lautbahr machen würde/ wolte ſie alles/ auch ihre eigene Hand verleugnen. Es iſt gut/ antwortete ſie; man pfleget den geheimen Bohten wol ſo viel in den Mund zu legen; ſonſt zweifele ich nicht/ wann der Schau-Spiel-Schreiber Plautus oder Terentius wieder aus der Aſche hervor kaͤhmen/ wuͤrden ſie an euch zeuges gnug haben/ woraus ſie ein gaukel- volles Spiel tichten koͤnten. Er aber kehrete ſich daran wenig/ baht nur/ der hoͤniſchen zunge ein Gebiß anzulegen/ und reichete den andern Brief hin/ welcher alſo verleſen ward/ daß vor erſt die Aufſchrift mit dem erſten nach allen worten uͤberein kahm/ da doch der eine zu Jeruſalem/ der ander zu Padua ſolte geſchrieben ſein; und alle anweſende daher die Auftreiberey leicht merketen; darauf folgete nun dieſer Inhalt: Wann die liebe Sonne durch ihre glaͤnzende Strahlen ſo wol meines Herzen Luſt und Freu- de/ als den klaren Tag hervor bringen/ und dieſelbe euch mein Herr/ zeigen koͤnte/ wuͤrdet ihr/ hoͤchſt- werther Schaz erkennen moͤgen die Herligkeit/ in welche ich durch Euer Liebe Anwerbung nach mei- ner Heyraht geſetzet bin; hingegen muß ich mich dannoch plagen und graͤmen/ daß meine unbedacht- ſame Eltern (wie ich aus deren Schreiben mit hoͤchſtem Unwillen vernehme) bedenken tragen/ Euer Liebe mich alsbald zuverſprechen. Ach mein Seelen-Freund/ wie herzlich danke ich euch vor ſolche Gunſt und Liebe/ kan auch nicht abſehen/ warumb meine Eltern dieſes Gluͤk nicht mit mir zugleich mit beyden Haͤnden ergreiffen/ es waͤhre dann/ daß ſie dem hinkenden einaͤugigen Nummius Lelia- nus noch weiters zuhoͤretẽ/ welcher ihnen groſſe guͤldene Berge von ſeiner Liebe gegen mich vorſchwaͤ- tzen ſol/ von deſſen ungluͤklicher Ehe mich doch entweder Herrn Prokulus kundbare Tapfferkeit und getraͤue Gegenliebe/ oder zum wenigſten mein eigenes Brodmeſſer frey ſprechen wird. Euer Liebe der Verſchwiegenheit dieſes meines Schreibens zuerinnern/ achte ich vor unnoͤhtig/ maſſen deſſen hoher Verſtand leicht zuermaͤſſen hat/ daß durch ein widriges er mich in das tieffſte Ungluͤk/ ja in den Tod ſelbſt ſtuͤrzen wuͤrde; und zwar die ihm zu aller Liebe und Traͤue ganz ergeben iſt/ auch in alle Ewigkeit eine ſolche verbleiben wird/ Sibylla Fabiin. Gelieb- f f f iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/419>, abgerufen am 31.10.2024.