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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
der nähe währen. Als sie mit diesen traurigen Gedanken und Unterredungen sich also pla-
geten/ trat Neklam zu dem Groß Fürsten/ und meldete an/ es währe ein alter abgelebter
Mann auff einem Bauren Wagen ankommen/ trüge einen volgestopften Sak auff dem
Rücken/ und gäbe vor/ er müste den Groß Fürsten aus Teutschland selber sprechen/ dessen
hätte er ausdrüklichen Befehl. Lasset ihn herkommen/ sagete der Großfürst/ wer weiß/ was
er vorzutragen hat. Neklam verrichtete diesen Befehl/ wolte nicht lange nachfragen/ von
wannen er kähme/ und was er suchete/ sondern erinnerte ihn bloß/ den Sak haussen stehen
zulassen; Worauff dieser zur Antwort gab: Ich werde ja dasselbe nicht von mir legen/ wel-
ches einzuliefern ich eigentlich überkommen bin. Also ließ ers gerne geschehen/ daß er nach
seinem Willen verfuhr. Als dieser mit seiner Bürde zur Tühr hinein trat/ und den grossen
Fürstlichen Pracht sahe/ währe ihn schier geschwunden/ setzete den Sak neben sich auff die
Erde/ und lehnete sich dran/ endlich erhohlete er sich wieder/ zohe sein Hühtlein ab/ lösete den
Sak ohn einiges Wortsprechen auff/ zohe hernach der Fräulein rohten Unter Rok/ und
das Himmelblaue Silber Stücken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho/ bey
dem sie auff dem Häu ihre erste Herberge hatten) trat vor den Groß Fürsten/ und wolte
seine Erzählung anfahen/ da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte Groß Fürstin
kennete dieselben straks ansehens/ und fing an überlaut zuruffen: O du almächtiger Gott/
das sind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald saget mir/ mein guter Alter/ ob sie lebe oder
tod sey. Der gute Mann erschrak der Rede/ wuste nicht/ was er antworten solte/ und in der
Verwirrung fing er an: Was weiß ichs/ ob sie lebendig oder tod ist/ wann sie hie nicht ist?
Darauff fing die betrübete Mutter an zuklagen und weinen/ daß ihr Gemahl ihr gnug ein-
zureden hatte: Sie möchte doch in Geduld stehen/ und dem alten einfältigen Manne Zeit
gönnen/ anzudeuten/ was er davon wüste; befahl auch diesem/ sein Wort vorzubringen/
welcher also redete: Gnädigster Großfürst/ ich habe des abends nach gehaltener Schlacht
einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Hütten auff dem Häu/ umb Gefahr zu
meiden/ heimlich verstecket/ welche sich anfangs vor Bruder und Schwester angaben/ a-
ber ich nachgehends wol merkete/ dz es eine andere Beschaffenheit mit ihnen haben möch-
te/ davon ich doch eigentlich nicht zusagen weiß/ wiewol sie mir so viel anvertraueten/ daß
sie des höchsten Adels in diesem ganzen Königreiche währen; Diese haben nach ihrem Ab-
scheide mir befohlen/ wann inwendig sieben Tagen nicht Nachfrage kommen/ oder sie mir
nicht einen Wagen senden würden/ solte ich mich nach dem Groß Fürsten der Teutschen
machen/ ihm diese Kleider bringen/ und zur Nachricht anzeigen/ daß sie bey mir gewesen
währen. Das ist mir ja wol eine recht wunderliche Sache/ sagte der Groß Fürst; ist dann
diese Schwester mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon gesprungen/ und hat Un-
ter- und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein/ antwortete er; sondern sie durfften in die-
sen statlichen Kleidern im Felde nicht wanken/ wegen der flüchtigen streiffenden Reuter/
und hatten alte Lumpen angelegt/ daß sie sicher durchkommen möchten. Das wird ihr we-
nig helffen/ sagte der Groß Fürst; die Haut und Farbe wird sie bald verrahten/ daß sie kei-
ne Bauren Magd ist. Davor hätte ich sie in dieser Kleidung leicht angesehen/ sagte der
Alte/ dann wie zart und schön sie mir des ersten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam/ so heß-
lich und fahlbraun sahe ich sie im wegreisen/ daß ich nicht wissen kan/ wie sich ein Mensch

so
e e e e iij

Siebendes Buch.
der naͤhe waͤhren. Als ſie mit dieſen traurigen Gedanken und Unterredungen ſich alſo pla-
geten/ trat Neklam zu dem Groß Fuͤrſten/ und meldete an/ es waͤhre ein alter abgelebter
Mann auff einem Bauren Wagen ankommen/ truͤge einen volgeſtopften Sak auff dem
Ruͤcken/ und gaͤbe vor/ er müſte den Groß Fuͤrſten aus Teutſchland ſelber ſprechen/ deſſen
haͤtte er ausdrüklichen Befehl. Laſſet ihn herkommen/ ſagete der Großfuͤrſt/ wer weiß/ was
er vorzutragen hat. Neklam verrichtete dieſen Befehl/ wolte nicht lange nachfragen/ von
wannen er kaͤhme/ und was er ſuchete/ ſondern erinnerte ihn bloß/ den Sak hauſſen ſtehen
zulaſſen; Worauff dieſer zur Antwort gab: Ich werde ja daſſelbe nicht von mir legen/ wel-
ches einzuliefern ich eigentlich uͤberkommen bin. Alſo ließ ers gerne geſchehen/ daß er nach
ſeinem Willen verfuhr. Als dieſer mit ſeiner Buͤrde zur Tuͤhr hinein trat/ und den groſſen
Fuͤrſtlichen Pracht ſahe/ waͤhre ihn ſchier geſchwunden/ ſetzete den Sak neben ſich auff die
Erde/ und lehnete ſich dran/ endlich erhohlete er ſich wieder/ zohe ſein Huͤhtlein ab/ loͤſete dẽ
Sak ohn einiges Wortſprechen auff/ zohe hernach der Fraͤulein rohten Unter Rok/ und
das Himmelblaue Silber Stuͤcken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho/ bey
dem ſie auff dem Haͤu ihre erſte Herberge hatten) trat vor den Groß Fuͤrſten/ und wolte
ſeine Erzaͤhlung anfahen/ da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte Groß Fuͤrſtin
kennete dieſelben ſtraks anſehens/ und fing an uͤberlaut zuruffen: O du almaͤchtiger Gott/
das ſind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald ſaget mir/ mein guter Alter/ ob ſie lebe oder
tod ſey. Der gute Mann erſchrak der Rede/ wuſte nicht/ was er antworten ſolte/ und in der
Verwirrung fing er an: Was weiß ichs/ ob ſie lebendig oder tod iſt/ wann ſie hie nicht iſt?
Darauff fing die betruͤbete Mutter an zuklagen und weinen/ daß ihr Gemahl ihr gnug ein-
zureden hatte: Sie moͤchte doch in Geduld ſtehen/ und dem alten einfaͤltigen Manne Zeit
goͤnnen/ anzudeuten/ was er davon wuͤſte; befahl auch dieſem/ ſein Wort vorzubringen/
welcher alſo redete: Gnaͤdigſter Großfuͤrſt/ ich habe des abends nach gehaltener Schlacht
einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Huͤtten auff dem Haͤu/ umb Gefahr zu
meiden/ heimlich verſtecket/ welche ſich anfangs vor Bruder und Schweſter angaben/ a-
ber ich nachgehends wol merkete/ dz es eine andere Beſchaffenheit mit ihnen haben moͤch-
te/ davon ich doch eigentlich nicht zuſagen weiß/ wiewol ſie mir ſo viel anvertraueten/ daß
ſie des hoͤchſten Adels in dieſem ganzen Koͤnigreiche waͤhren; Dieſe haben nach ihrem Ab-
ſcheide mir befohlen/ wann inwendig ſieben Tagen nicht Nachfrage kommen/ oder ſie mir
nicht einen Wagen ſenden wuͤrden/ ſolte ich mich nach dem Groß Fuͤrſten der Teutſchen
machen/ ihm dieſe Kleider bringen/ und zur Nachricht anzeigen/ daß ſie bey mir geweſen
waͤhren. Das iſt mir ja wol eine recht wunderliche Sache/ ſagte der Groß Fuͤrſt; iſt dann
dieſe Schweſter mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon geſprungen/ und hat Un-
ter- und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein/ antwortete er; ſondern ſie durfften in die-
ſen ſtatlichen Kleidern im Felde nicht wanken/ wegen der fluͤchtigen ſtreiffenden Reuter/
und hatten alte Lumpen angelegt/ daß ſie ſicher durchkommen moͤchten. Das wird ihr we-
nig helffen/ ſagte der Groß Fuͤrſt; die Haut und Farbe wird ſie bald verrahten/ daß ſie kei-
ne Bauren Magd iſt. Davor haͤtte ich ſie in dieſer Kleidung leicht angeſehen/ ſagte der
Alte/ dann wie zart und ſchoͤn ſie mir des erſten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam/ ſo heß-
lich und fahlbraun ſahe ich ſie im wegreiſen/ daß ich nicht wiſſen kan/ wie ſich ein Menſch

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[589/0595] Siebendes Buch. der naͤhe waͤhren. Als ſie mit dieſen traurigen Gedanken und Unterredungen ſich alſo pla- geten/ trat Neklam zu dem Groß Fuͤrſten/ und meldete an/ es waͤhre ein alter abgelebter Mann auff einem Bauren Wagen ankommen/ truͤge einen volgeſtopften Sak auff dem Ruͤcken/ und gaͤbe vor/ er müſte den Groß Fuͤrſten aus Teutſchland ſelber ſprechen/ deſſen haͤtte er ausdrüklichen Befehl. Laſſet ihn herkommen/ ſagete der Großfuͤrſt/ wer weiß/ was er vorzutragen hat. Neklam verrichtete dieſen Befehl/ wolte nicht lange nachfragen/ von wannen er kaͤhme/ und was er ſuchete/ ſondern erinnerte ihn bloß/ den Sak hauſſen ſtehen zulaſſen; Worauff dieſer zur Antwort gab: Ich werde ja daſſelbe nicht von mir legen/ wel- ches einzuliefern ich eigentlich uͤberkommen bin. Alſo ließ ers gerne geſchehen/ daß er nach ſeinem Willen verfuhr. Als dieſer mit ſeiner Buͤrde zur Tuͤhr hinein trat/ und den groſſen Fuͤrſtlichen Pracht ſahe/ waͤhre ihn ſchier geſchwunden/ ſetzete den Sak neben ſich auff die Erde/ und lehnete ſich dran/ endlich erhohlete er ſich wieder/ zohe ſein Huͤhtlein ab/ loͤſete dẽ Sak ohn einiges Wortſprechen auff/ zohe hernach der Fraͤulein rohten Unter Rok/ und das Himmelblaue Silber Stuͤcken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho/ bey dem ſie auff dem Haͤu ihre erſte Herberge hatten) trat vor den Groß Fuͤrſten/ und wolte ſeine Erzaͤhlung anfahen/ da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte Groß Fuͤrſtin kennete dieſelben ſtraks anſehens/ und fing an uͤberlaut zuruffen: O du almaͤchtiger Gott/ das ſind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald ſaget mir/ mein guter Alter/ ob ſie lebe oder tod ſey. Der gute Mann erſchrak der Rede/ wuſte nicht/ was er antworten ſolte/ und in der Verwirrung fing er an: Was weiß ichs/ ob ſie lebendig oder tod iſt/ wann ſie hie nicht iſt? Darauff fing die betruͤbete Mutter an zuklagen und weinen/ daß ihr Gemahl ihr gnug ein- zureden hatte: Sie moͤchte doch in Geduld ſtehen/ und dem alten einfaͤltigen Manne Zeit goͤnnen/ anzudeuten/ was er davon wuͤſte; befahl auch dieſem/ ſein Wort vorzubringen/ welcher alſo redete: Gnaͤdigſter Großfuͤrſt/ ich habe des abends nach gehaltener Schlacht einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Huͤtten auff dem Haͤu/ umb Gefahr zu meiden/ heimlich verſtecket/ welche ſich anfangs vor Bruder und Schweſter angaben/ a- ber ich nachgehends wol merkete/ dz es eine andere Beſchaffenheit mit ihnen haben moͤch- te/ davon ich doch eigentlich nicht zuſagen weiß/ wiewol ſie mir ſo viel anvertraueten/ daß ſie des hoͤchſten Adels in dieſem ganzen Koͤnigreiche waͤhren; Dieſe haben nach ihrem Ab- ſcheide mir befohlen/ wann inwendig ſieben Tagen nicht Nachfrage kommen/ oder ſie mir nicht einen Wagen ſenden wuͤrden/ ſolte ich mich nach dem Groß Fuͤrſten der Teutſchen machen/ ihm dieſe Kleider bringen/ und zur Nachricht anzeigen/ daß ſie bey mir geweſen waͤhren. Das iſt mir ja wol eine recht wunderliche Sache/ ſagte der Groß Fuͤrſt; iſt dann dieſe Schweſter mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon geſprungen/ und hat Un- ter- und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein/ antwortete er; ſondern ſie durfften in die- ſen ſtatlichen Kleidern im Felde nicht wanken/ wegen der fluͤchtigen ſtreiffenden Reuter/ und hatten alte Lumpen angelegt/ daß ſie ſicher durchkommen moͤchten. Das wird ihr we- nig helffen/ ſagte der Groß Fuͤrſt; die Haut und Farbe wird ſie bald verrahten/ daß ſie kei- ne Bauren Magd iſt. Davor haͤtte ich ſie in dieſer Kleidung leicht angeſehen/ ſagte der Alte/ dann wie zart und ſchoͤn ſie mir des erſten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam/ ſo heß- lich und fahlbraun ſahe ich ſie im wegreiſen/ daß ich nicht wiſſen kan/ wie ſich ein Menſch ſo e e e e iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/595>, abgerufen am 22.11.2024.