Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch.
leiden wolte/ und weil er grosse Geldmittel hatte/ taht er seinen Eltern und anderen Anver-
wanten viel zugute/ bezeigete sich sonst sehr höfflich und Tugendreich/ daß jederman sich
über ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er sich schon angemeldet/ und biß
auff Großfürstin Klaren (deren sie sich zueigen ergeben hätte) befehl und gnädigste Einwil-
ligung ihm gute Zusage getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne sahe/ und es gleichwol nit
hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfürstin Schreiben nebest über schik-
ten statlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr allerseits grosse Freude/ und machten die beiden
Schwestern nebest Reichard und seiner Reuterey sich alsbald des folgenden Tages auff
den Weg/ und weil sie Tag und Nacht eileten/ kahmen sie zween Tage vor der Krönung zu
Prag an/ liessen sich anmelden/ und wurden von Leches und Libussen auff Fürstlichen Gut-
schen nach dem Schlosse gehohlet/ worüber dem guten Reichard die Trähnen häuffig aus
den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor diesem als ein Ubeltähter in Ketten und Banden
dahingeschleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes absonderliches Gemach hingeführet/
darinnen kein Mensch/ als er und sein Gemahl wahr. Reichard muste anfangs allein hin-
eintreten/ welcher die Fürstin ersehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht
überfiel daß er wie ein todter Mensch gestrekt zur Erden stürzete/ worüber die Fürstin sich
entsetzete/ und zu ihrem Fürsten sagete: Allein diese Reue verdienet volkommene Verge-
bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn schüttelte und bald wieder zu sich
selbst brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm sagete: Mein
lieber Freund Reichard/ ihr habt förder nicht Ursach/ euer Herz wegen des ehemaligen
der gestalt zuängsten/ nachdem alles vergeben und vergessen ist/ wie ihr solches dann durch
eure tapffere und geträue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien sitzend/ gab
zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtigster Fürst/ daß ich meiner Boßheit selbst verges-
sen könte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffhören wird/ biß sie durch den Tod von
ihrem Leibe außfähret: Euch aber Durchleuchtigste Groß Furstin/ gnädigste Frau/ bitte
ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ dieselbe wolle mir groben Missetähter und boß-
hafften Sünder gnädigste Vergebung wiederfahren lassen/ und ihren gerechten wolbesu-
geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch diese Stunde nicht wegern wil/ zur völligen
Abtragung der begangenen gotlosen Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fürstin er-
innerte sich zwar ihrer ehemaligen Angst und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be-
hielt dannoch die Oberhand/ daher trat sie ihm näher/ und sagte: Stehet auff Ritter Rei-
thard/ ich habe alles ehemalige der Vergessenheit gänzlich übergeben/ so gar/ daß wer des-
sen gegen mich Erwähnung tuhn wird/ mein Freund nicht seyn sol; dessen zum Zeugniß
ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm dieselbe dar; welche doch zuberühren oder
zuküssen er sich viel zuunwirdig achtete/ daher er sich zu ihren Füssen niderlegte/ und den
Rockes Saum ehrerbietig küssete/ so daß Arbianes ihm hart zureden muste/ er solte solche
Bezeigung abstellen/ wo er sonst wolte sein Freund seyn. Worauff er sich endlich auffrich-
tete/ und doch die Augen vor sich niderschlagend/ die Fürstin nicht ansehen durffte. Sie
aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schwestern Adelheit
und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle er-
schienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ so kaum sechs Jahr alt wahr/ also

anfing:

Achtes Buch.
leiden wolte/ und weil er groſſe Geldmittel hatte/ taht er ſeinen Eltern und anderen Anver-
wanten viel zugute/ bezeigete ſich ſonſt ſehr hoͤfflich und Tugendreich/ daß jederman ſich
uͤber ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er ſich ſchon angemeldet/ und biß
auff Großfürſtin Klaren (deren ſie ſich zueigen ergeben haͤtte) befehl und gnaͤdigſte Einwil-
ligung ihm gute Zuſage getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne ſahe/ und es gleichwol nit
hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfuͤrſtin Schreiben nebeſt uͤber ſchik-
ten ſtatlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr allerſeits groſſe Freude/ und machten die beiden
Schweſtern nebeſt Reichard und ſeiner Reuterey ſich alsbald des folgenden Tages auff
den Weg/ und weil ſie Tag und Nacht eileten/ kahmen ſie zween Tage vor der Kroͤnung zu
Prag an/ lieſſen ſich anmelden/ und wurden von Leches und Libuſſen auff Fuͤrſtlichen Gut-
ſchen nach dem Schloſſe gehohlet/ woruͤber dem guten Reichard die Traͤhnen haͤuffig aus
den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor dieſem als ein Ubeltaͤhter in Ketten und Banden
dahingeſchleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes abſonderliches Gemach hingefuͤhret/
darinnen kein Menſch/ als er und ſein Gemahl wahr. Reichard muſte anfangs allein hin-
eintreten/ welcher die Fuͤrſtin erſehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht
uͤberfiel daß er wie ein todter Menſch geſtrekt zur Erden ſtuͤrzete/ woruͤber die Fuͤrſtin ſich
entſetzete/ und zu ihrem Fuͤrſten ſagete: Allein dieſe Reue verdienet volkommene Verge-
bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn ſchuͤttelte und bald wieder zu ſich
ſelbſt brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm ſagete: Mein
lieber Freund Reichard/ ihr habt foͤrder nicht Urſach/ euer Herz wegen des ehemaligen
der geſtalt zuaͤngſten/ nachdem alles vergeben und vergeſſen iſt/ wie ihr ſolches dann durch
eure tapffere und getraͤue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien ſitzend/ gab
zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ daß ich meiner Boßheit ſelbſt vergeſ-
ſen koͤnte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffhoͤren wird/ biß ſie durch den Tod von
ihrem Leibe außfaͤhret: Euch aber Durchleuchtigſte Groß Fůrſtin/ gnaͤdigſte Frau/ bitte
ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ dieſelbe wolle mir groben Miſſetaͤhter und boß-
hafften Suͤnder gnaͤdigſte Vergebung wiederfahren laſſen/ und ihren gerechten wolbeſu-
geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch dieſe Stunde nicht wegern wil/ zur voͤlligen
Abtragung der begangenen gotloſen Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fuͤrſtin er-
innerte ſich zwar ihrer ehemaligen Angſt und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be-
hielt dannoch die Oberhand/ daher trat ſie ihm naͤher/ und ſagte: Stehet auff Ritter Rei-
thard/ ich habe alles ehemalige der Vergeſſenheit gaͤnzlich uͤbergeben/ ſo gar/ daß wer deſ-
ſen gegen mich Erwaͤhnung tuhn wird/ mein Freund nicht ſeyn ſol; deſſen zum Zeugniß
ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm dieſelbe dar; welche doch zuberuͤhren oder
zuküſſen er ſich viel zuunwirdig achtete/ daher er ſich zu ihren Fuͤſſen niderlegte/ und den
Rockes Saum ehrerbietig kuͤſſete/ ſo daß Arbianes ihm hart zureden muſte/ er ſolte ſolche
Bezeigung abſtellen/ wo er ſonſt wolte ſein Freund ſeyn. Worauff er ſich endlich auffrich-
tete/ und doch die Augen vor ſich niderſchlagend/ die Fuͤrſtin nicht anſehen durffte. Sie
aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schweſtern Adelheit
und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle eꝛ-
ſchienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ ſo kaum ſechs Jahr alt wahr/ alſo

anfing:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0850" n="844"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Buch.</hi></fw><lb/>
leiden wolte/ und weil er gro&#x017F;&#x017F;e Geldmittel hatte/ taht er &#x017F;einen Eltern und anderen Anver-<lb/>
wanten viel zugute/ bezeigete &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr ho&#x0364;fflich und Tugendreich/ daß jederman &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;ber ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er &#x017F;ich &#x017F;chon angemeldet/ und biß<lb/>
auff Großfür&#x017F;tin Klaren (deren &#x017F;ie &#x017F;ich zueigen ergeben ha&#x0364;tte) befehl und gna&#x0364;dig&#x017F;te Einwil-<lb/>
ligung ihm gute Zu&#x017F;age getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne &#x017F;ahe/ und es gleichwol nit<lb/>
hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfu&#x0364;r&#x017F;tin Schreiben nebe&#x017F;t u&#x0364;ber &#x017F;chik-<lb/>
ten &#x017F;tatlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr aller&#x017F;eits gro&#x017F;&#x017F;e Freude/ und machten die beiden<lb/>
Schwe&#x017F;tern nebe&#x017F;t Reichard und &#x017F;einer Reuterey &#x017F;ich alsbald des folgenden Tages auff<lb/>
den Weg/ und weil &#x017F;ie Tag und Nacht eileten/ kahmen &#x017F;ie zween Tage vor der Kro&#x0364;nung zu<lb/>
Prag an/ lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich anmelden/ und wurden von Leches und Libu&#x017F;&#x017F;en auff Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Gut-<lb/>
&#x017F;chen nach dem Schlo&#x017F;&#x017F;e gehohlet/ woru&#x0364;ber dem guten Reichard die Tra&#x0364;hnen ha&#x0364;uffig aus<lb/>
den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor die&#x017F;em als ein Ubelta&#x0364;hter in Ketten und Banden<lb/>
dahinge&#x017F;chleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes ab&#x017F;onderliches Gemach hingefu&#x0364;hret/<lb/>
darinnen kein Men&#x017F;ch/ als er und &#x017F;ein Gemahl wahr. Reichard mu&#x017F;te anfangs allein hin-<lb/>
eintreten/ welcher die Fu&#x0364;r&#x017F;tin er&#x017F;ehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht<lb/>
u&#x0364;berfiel daß er wie ein todter Men&#x017F;ch ge&#x017F;trekt zur Erden &#x017F;tu&#x0364;rzete/ woru&#x0364;ber die Fu&#x0364;r&#x017F;tin &#x017F;ich<lb/>
ent&#x017F;etzete/ und zu ihrem Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;agete: Allein die&#x017F;e Reue verdienet volkommene Verge-<lb/>
bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn &#x017F;chu&#x0364;ttelte und bald wieder zu &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm &#x017F;agete: Mein<lb/>
lieber Freund Reichard/ ihr habt fo&#x0364;rder nicht Ur&#x017F;ach/ euer Herz wegen des ehemaligen<lb/>
der ge&#x017F;talt zua&#x0364;ng&#x017F;ten/ nachdem alles vergeben und verge&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t/ wie ihr &#x017F;olches dann durch<lb/>
eure tapffere und getra&#x0364;ue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien &#x017F;itzend/ gab<lb/>
zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtig&#x017F;ter Fu&#x0364;r&#x017F;t/ daß ich meiner Boßheit &#x017F;elb&#x017F;t verge&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ko&#x0364;nte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffho&#x0364;ren wird/ biß &#x017F;ie durch den Tod von<lb/>
ihrem Leibe außfa&#x0364;hret: Euch aber Durchleuchtig&#x017F;te Groß F&#x016F;r&#x017F;tin/ gna&#x0364;dig&#x017F;te Frau/ bitte<lb/>
ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ die&#x017F;elbe wolle mir groben Mi&#x017F;&#x017F;eta&#x0364;hter und boß-<lb/>
hafften Su&#x0364;nder gna&#x0364;dig&#x017F;te Vergebung wiederfahren la&#x017F;&#x017F;en/ und ihren gerechten wolbe&#x017F;u-<lb/>
geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch die&#x017F;e Stunde nicht wegern wil/ zur vo&#x0364;lligen<lb/>
Abtragung der begangenen gotlo&#x017F;en Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fu&#x0364;r&#x017F;tin er-<lb/>
innerte &#x017F;ich zwar ihrer ehemaligen Ang&#x017F;t und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be-<lb/>
hielt dannoch die Oberhand/ daher trat &#x017F;ie ihm na&#x0364;her/ und &#x017F;agte: Stehet auff Ritter Rei-<lb/>
thard/ ich habe alles ehemalige der Verge&#x017F;&#x017F;enheit ga&#x0364;nzlich u&#x0364;bergeben/ &#x017F;o gar/ daß wer de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gegen mich Erwa&#x0364;hnung tuhn wird/ mein Freund nicht &#x017F;eyn &#x017F;ol; de&#x017F;&#x017F;en zum Zeugniß<lb/>
ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm die&#x017F;elbe dar; welche doch zuberu&#x0364;hren oder<lb/>
zukü&#x017F;&#x017F;en er &#x017F;ich viel zuunwirdig achtete/ daher er &#x017F;ich zu ihren Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en niderlegte/ und den<lb/>
Rockes Saum ehrerbietig ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete/ &#x017F;o daß Arbianes ihm hart zureden mu&#x017F;te/ er &#x017F;olte &#x017F;olche<lb/>
Bezeigung ab&#x017F;tellen/ wo er &#x017F;on&#x017F;t wolte &#x017F;ein Freund &#x017F;eyn. Worauff er &#x017F;ich endlich auffrich-<lb/>
tete/ und doch die Augen vor &#x017F;ich nider&#x017F;chlagend/ die Fu&#x0364;r&#x017F;tin nicht an&#x017F;ehen durffte. Sie<lb/>
aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schwe&#x017F;tern Adelheit<lb/>
und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle e&#xA75B;-<lb/>
&#x017F;chienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ &#x017F;o kaum &#x017F;echs Jahr alt wahr/ al&#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">anfing:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[844/0850] Achtes Buch. leiden wolte/ und weil er groſſe Geldmittel hatte/ taht er ſeinen Eltern und anderen Anver- wanten viel zugute/ bezeigete ſich ſonſt ſehr hoͤfflich und Tugendreich/ daß jederman ſich uͤber ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er ſich ſchon angemeldet/ und biß auff Großfürſtin Klaren (deren ſie ſich zueigen ergeben haͤtte) befehl und gnaͤdigſte Einwil- ligung ihm gute Zuſage getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne ſahe/ und es gleichwol nit hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfuͤrſtin Schreiben nebeſt uͤber ſchik- ten ſtatlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr allerſeits groſſe Freude/ und machten die beiden Schweſtern nebeſt Reichard und ſeiner Reuterey ſich alsbald des folgenden Tages auff den Weg/ und weil ſie Tag und Nacht eileten/ kahmen ſie zween Tage vor der Kroͤnung zu Prag an/ lieſſen ſich anmelden/ und wurden von Leches und Libuſſen auff Fuͤrſtlichen Gut- ſchen nach dem Schloſſe gehohlet/ woruͤber dem guten Reichard die Traͤhnen haͤuffig aus den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor dieſem als ein Ubeltaͤhter in Ketten und Banden dahingeſchleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes abſonderliches Gemach hingefuͤhret/ darinnen kein Menſch/ als er und ſein Gemahl wahr. Reichard muſte anfangs allein hin- eintreten/ welcher die Fuͤrſtin erſehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht uͤberfiel daß er wie ein todter Menſch geſtrekt zur Erden ſtuͤrzete/ woruͤber die Fuͤrſtin ſich entſetzete/ und zu ihrem Fuͤrſten ſagete: Allein dieſe Reue verdienet volkommene Verge- bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn ſchuͤttelte und bald wieder zu ſich ſelbſt brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm ſagete: Mein lieber Freund Reichard/ ihr habt foͤrder nicht Urſach/ euer Herz wegen des ehemaligen der geſtalt zuaͤngſten/ nachdem alles vergeben und vergeſſen iſt/ wie ihr ſolches dann durch eure tapffere und getraͤue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien ſitzend/ gab zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtigſter Fuͤrſt/ daß ich meiner Boßheit ſelbſt vergeſ- ſen koͤnte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffhoͤren wird/ biß ſie durch den Tod von ihrem Leibe außfaͤhret: Euch aber Durchleuchtigſte Groß Fůrſtin/ gnaͤdigſte Frau/ bitte ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ dieſelbe wolle mir groben Miſſetaͤhter und boß- hafften Suͤnder gnaͤdigſte Vergebung wiederfahren laſſen/ und ihren gerechten wolbeſu- geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch dieſe Stunde nicht wegern wil/ zur voͤlligen Abtragung der begangenen gotloſen Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fuͤrſtin er- innerte ſich zwar ihrer ehemaligen Angſt und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be- hielt dannoch die Oberhand/ daher trat ſie ihm naͤher/ und ſagte: Stehet auff Ritter Rei- thard/ ich habe alles ehemalige der Vergeſſenheit gaͤnzlich uͤbergeben/ ſo gar/ daß wer deſ- ſen gegen mich Erwaͤhnung tuhn wird/ mein Freund nicht ſeyn ſol; deſſen zum Zeugniß ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm dieſelbe dar; welche doch zuberuͤhren oder zuküſſen er ſich viel zuunwirdig achtete/ daher er ſich zu ihren Fuͤſſen niderlegte/ und den Rockes Saum ehrerbietig kuͤſſete/ ſo daß Arbianes ihm hart zureden muſte/ er ſolte ſolche Bezeigung abſtellen/ wo er ſonſt wolte ſein Freund ſeyn. Worauff er ſich endlich auffrich- tete/ und doch die Augen vor ſich niderſchlagend/ die Fuͤrſtin nicht anſehen durffte. Sie aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schweſtern Adelheit und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle eꝛ- ſchienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ ſo kaum ſechs Jahr alt wahr/ alſo anfing:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/850
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/850>, abgerufen am 22.11.2024.