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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Achtes Buch.
Bruder König Herkules/ oder sie meine Fr. Schwester werden mich fein unterrichten/
da ich den Einwürffen dieses verführischen Betlers nicht aus dem Grunde zubegegnen ge-
wust: Es wahr eine Stunde nach des zimlich helle scheinen den Monden Aufgange/ da ich
hinter einer dicken finstern Hecke saß/ und wol tausenderley Gedanken in meinem Gehirn
umlieffen/ welche alle mit ein ander auff meiner liebsten Fräulein Leben und Zustand hin-
zieleten/ als ich gleich einen Menschen von ferne hörete in sich selber reden/ der mir je länger
je mehr nahete/ biß ich ihn ins Gesichte bekam/ groß und ansehnlich von Gestalt/ aber in
Betlers Kleidern/ gleich als ich; Er stellete sich/ als sähe er mich nicht/ und fing in Lateini-
scher Sprache an: O du blindes Menschliche Geschlecht/ wie lässestu dich doch von so
mannichem falschen Irtuhms-Winde umtreiben/ und deine arme Seele zuplagen/ da du
doch wol in Ruhe leben köntest/ so lange dir solches von dem unvermeidlichen Verhäng-
niß zugelassen ist; O daß doch ein verständiger sich unterfinge/ die mannicherley Tohrhei-
ten den Menschen aus dem Kopffe zubringen/ damit sie aller Unruhe und Furcht entris-
sen/ dereins auffhöreten/ dasselbe zuscheuhen/ was nichts/ als ein ertichtetes Fündlein ist.
Ich schloß aus diesen Worten/ es müste dieser etwas mehr als ein gemeiner Betler seyn/
ging zu ihm hin/ und nach Wünschung eines guten Abends/ fragete ich ihn/ was er bey
Nachtzeit an diesem wüsten Orte suchen ginge. Dieser stellete sich/ als entsetzete er sich über
meiner unvermuhtlichen Gegenwart/ und gab zur Antwort: Mein Freund/ wer ihr seid/
ich hätte nicht gemeynet/ daß jemand anders als ich/ hieselbst bey Nachtzeit sich finden
würde/ sonst hätte ich meiner Zungen gebieten wollen/ zwischen ihrem Zähn-gemäure sich
stille zuhalten; jedoch eure freundliche Frage zubeantworten/ gebe ich euch zuvernehmen/
daß ich wegen eines unglüklichen Falles gezwungen bin/ meine Heimat zuverlassen/ und
umb meines Lebens Rettung mich in die unbekante wild-fremde zubegeben/ da ich schon
12 Jahr und länger das Elend gebauet/ und zwischen solcher Zeit nicht allein viel Land-
schafften in Asien/ Afrik und Europagesehen/ sondern auch mannicher Menschen wun-
derliche Gemühter und Einbildungen erkennet habe/ insonderheit was den Glauben und
den Gottesdienst betrifft/ worüber ich mich nicht gnug habe verwundern können/ in betrach-
tung/ daß sie fast alle miteinander ihr höchstes Gut auff einen blossen Wahn bauen/ wel-
cher keinen Grund hat. Hiemit schwieg er stille/ umb daß ich durch Nachfrage ihm Ursach
geben solte/ sich weiter heraus zulassen/ wie mich dann der Vorwiz trieb/ welches ich her-
nach bereuete/ und lieber gewolt/ daß ich gar geschwiegen hätte; Ich fing aber also an: Ob
ich zwar annech jung und unerfahren bin/ so habe ich gleichwol auff der Menschen tuhn
und lassen/ den Glauben und Gottesdienst betreffend/ auch etwas acht gegeben/ und ist zwar
nicht ohn/ daß viel/ ja wol der gröste Teil hieselbst in grossem Irtuhm stecken/ aber das wür-
de zu beklagen seyn/ wann sie alle miteinander des rechtschaffenen Grundes verfehlen sol-
ten. Des rechtschaffenen Grundes verfehlen? fragete dieser; Je was vor ein Glaube ist
dann wol zufinden/ der auff tüchtigem Grunde bestehen solte? Die/ so man Heyden nen-
net/ werden von den Juden und Christen beschuldiget/ daß ihr Glaube und Gottesdienst
falsch und nichtig sey/ und gleichwol bauen dieselben darauff ihr höchstes Gut. Die Juden
lauren auff einen versprochenen Heyland/ der sie aus allen Ländern/ dahin sie verstossen
sind/ wieder samlen/ und ihr Reich zu Jerusalem auffrichten solle; Die Heyden verachten

sie
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Achtes Buch.
Bruder Koͤnig Herkules/ oder ſie meine Fr. Schweſter werden mich fein unterrichten/
da ich den Einwuͤrffen dieſes verfuͤhriſchen Betlers nicht aus dem Grunde zubegegnen ge-
wuſt: Es wahr eine Stunde nach des zimlich helle ſcheinen den Monden Aufgange/ da ich
hinter einer dicken finſtern Hecke ſaß/ und wol tauſenderley Gedanken in meinem Gehirn
umlieffen/ welche alle mit ein ander auff meiner liebſten Fraͤulein Leben und Zuſtand hin-
zieleten/ als ich gleich einen Menſchen von ferne hoͤrete in ſich ſelber reden/ der mir je laͤnger
je mehr nahete/ biß ich ihn ins Geſichte bekam/ groß und anſehnlich von Geſtalt/ aber in
Betlers Kleidern/ gleich als ich; Er ſtellete ſich/ als ſaͤhe er mich nicht/ und fing in Lateini-
ſcher Sprache an: O du blindes Menſchliche Geſchlecht/ wie laͤſſeſtu dich doch von ſo
mannichem falſchen Irtuhms-Winde umtreiben/ und deine arme Seele zuplagen/ da du
doch wol in Ruhe leben koͤnteſt/ ſo lange dir ſolches von dem unvermeidlichen Verhaͤng-
niß zugelaſſen iſt; O daß doch ein verſtaͤndiger ſich unterfinge/ die mannicherley Tohrhei-
ten den Menſchen aus dem Kopffe zubringen/ damit ſie aller Unruhe und Furcht entriſ-
ſen/ dereins auffhoͤreten/ daſſelbe zuſcheuhen/ was nichts/ als ein ertichtetes Fuͤndlein iſt.
Ich ſchloß aus dieſen Worten/ es muͤſte dieſer etwas mehr als ein gemeiner Betler ſeyn/
ging zu ihm hin/ und nach Wünſchung eines guten Abends/ fragete ich ihn/ was er bey
Nachtzeit an dieſem wuͤſten Orte ſuchen ginge. Dieſer ſtellete ſich/ als entſetzete er ſich uͤber
meiner unvermuhtlichen Gegenwart/ und gab zur Antwort: Mein Freund/ wer ihr ſeid/
ich haͤtte nicht gemeynet/ daß jemand anders als ich/ hieſelbſt bey Nachtzeit ſich finden
wuͤrde/ ſonſt haͤtte ich meiner Zungen gebieten wollen/ zwiſchen ihrem Zaͤhn-gemaͤure ſich
ſtille zuhalten; jedoch eure freundliche Frage zubeantworten/ gebe ich euch zuvernehmen/
daß ich wegen eines ungluͤklichen Falles gezwungen bin/ meine Heimat zuverlaſſen/ und
umb meines Lebens Rettung mich in die unbekante wild-fremde zubegeben/ da ich ſchon
12 Jahr und laͤnger das Elend gebauet/ und zwiſchen ſolcher Zeit nicht allein viel Land-
ſchafften in Aſien/ Afrik und Europageſehen/ ſondern auch mannicher Menſchen wun-
derliche Gemuͤhter und Einbildungen erkennet habe/ inſonderheit was den Glauben und
den Gottesdienſt betrifft/ woruͤber ich mich nicht gnug habe verwundern koͤñen/ in betrach-
tung/ daß ſie faſt alle miteinander ihr hoͤchſtes Gut auff einen bloſſen Wahn bauen/ wel-
cher keinen Grund hat. Hiemit ſchwieg er ſtille/ umb daß ich durch Nachfrage ihm Urſach
geben ſolte/ ſich weiter heraus zulaſſen/ wie mich dann der Vorwiz trieb/ welches ich her-
nach bereuete/ und lieber gewolt/ daß ich gar geſchwiegen haͤtte; Ich fing aber alſo an: Ob
ich zwar annech jung und unerfahren bin/ ſo habe ich gleichwol auff der Menſchen tuhn
und laſſen/ den Glauben und Gottesdienſt betreffend/ auch etwas acht gegeben/ uñ iſt zwar
nicht ohn/ daß viel/ ja wol der groͤſte Teil hieſelbſt in groſſem Irtuhm ſtecken/ aber das wuͤr-
de zu beklagen ſeyn/ wann ſie alle miteinander des rechtſchaffenen Grundes verfehlen ſol-
ten. Des rechtſchaffenen Grundes verfehlen? fragete dieſer; Je was vor ein Glaube iſt
dann wol zufinden/ der auff tuͤchtigem Grunde beſtehen ſolte? Die/ ſo man Heyden nen-
net/ werden von den Juden und Chriſten beſchuldiget/ daß ihr Glaube und Gottesdienſt
falſch und nichtig ſey/ und gleichwol bauen dieſelben darauff ihr hoͤchſtes Gut. Die Judẽ
lauren auff einen verſprochenen Heyland/ der ſie aus allen Laͤndern/ dahin ſie verſtoſſen
ſind/ wieder ſamlen/ und ihr Reich zu Jeruſalem auffrichten ſolle; Die Heyden verachten

ſie
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[883/0889] Achtes Buch. Bruder Koͤnig Herkules/ oder ſie meine Fr. Schweſter werden mich fein unterrichten/ da ich den Einwuͤrffen dieſes verfuͤhriſchen Betlers nicht aus dem Grunde zubegegnen ge- wuſt: Es wahr eine Stunde nach des zimlich helle ſcheinen den Monden Aufgange/ da ich hinter einer dicken finſtern Hecke ſaß/ und wol tauſenderley Gedanken in meinem Gehirn umlieffen/ welche alle mit ein ander auff meiner liebſten Fraͤulein Leben und Zuſtand hin- zieleten/ als ich gleich einen Menſchen von ferne hoͤrete in ſich ſelber reden/ der mir je laͤnger je mehr nahete/ biß ich ihn ins Geſichte bekam/ groß und anſehnlich von Geſtalt/ aber in Betlers Kleidern/ gleich als ich; Er ſtellete ſich/ als ſaͤhe er mich nicht/ und fing in Lateini- ſcher Sprache an: O du blindes Menſchliche Geſchlecht/ wie laͤſſeſtu dich doch von ſo mannichem falſchen Irtuhms-Winde umtreiben/ und deine arme Seele zuplagen/ da du doch wol in Ruhe leben koͤnteſt/ ſo lange dir ſolches von dem unvermeidlichen Verhaͤng- niß zugelaſſen iſt; O daß doch ein verſtaͤndiger ſich unterfinge/ die mannicherley Tohrhei- ten den Menſchen aus dem Kopffe zubringen/ damit ſie aller Unruhe und Furcht entriſ- ſen/ dereins auffhoͤreten/ daſſelbe zuſcheuhen/ was nichts/ als ein ertichtetes Fuͤndlein iſt. Ich ſchloß aus dieſen Worten/ es muͤſte dieſer etwas mehr als ein gemeiner Betler ſeyn/ ging zu ihm hin/ und nach Wünſchung eines guten Abends/ fragete ich ihn/ was er bey Nachtzeit an dieſem wuͤſten Orte ſuchen ginge. Dieſer ſtellete ſich/ als entſetzete er ſich uͤber meiner unvermuhtlichen Gegenwart/ und gab zur Antwort: Mein Freund/ wer ihr ſeid/ ich haͤtte nicht gemeynet/ daß jemand anders als ich/ hieſelbſt bey Nachtzeit ſich finden wuͤrde/ ſonſt haͤtte ich meiner Zungen gebieten wollen/ zwiſchen ihrem Zaͤhn-gemaͤure ſich ſtille zuhalten; jedoch eure freundliche Frage zubeantworten/ gebe ich euch zuvernehmen/ daß ich wegen eines ungluͤklichen Falles gezwungen bin/ meine Heimat zuverlaſſen/ und umb meines Lebens Rettung mich in die unbekante wild-fremde zubegeben/ da ich ſchon 12 Jahr und laͤnger das Elend gebauet/ und zwiſchen ſolcher Zeit nicht allein viel Land- ſchafften in Aſien/ Afrik und Europageſehen/ ſondern auch mannicher Menſchen wun- derliche Gemuͤhter und Einbildungen erkennet habe/ inſonderheit was den Glauben und den Gottesdienſt betrifft/ woruͤber ich mich nicht gnug habe verwundern koͤñen/ in betrach- tung/ daß ſie faſt alle miteinander ihr hoͤchſtes Gut auff einen bloſſen Wahn bauen/ wel- cher keinen Grund hat. Hiemit ſchwieg er ſtille/ umb daß ich durch Nachfrage ihm Urſach geben ſolte/ ſich weiter heraus zulaſſen/ wie mich dann der Vorwiz trieb/ welches ich her- nach bereuete/ und lieber gewolt/ daß ich gar geſchwiegen haͤtte; Ich fing aber alſo an: Ob ich zwar annech jung und unerfahren bin/ ſo habe ich gleichwol auff der Menſchen tuhn und laſſen/ den Glauben und Gottesdienſt betreffend/ auch etwas acht gegeben/ uñ iſt zwar nicht ohn/ daß viel/ ja wol der groͤſte Teil hieſelbſt in groſſem Irtuhm ſtecken/ aber das wuͤr- de zu beklagen ſeyn/ wann ſie alle miteinander des rechtſchaffenen Grundes verfehlen ſol- ten. Des rechtſchaffenen Grundes verfehlen? fragete dieſer; Je was vor ein Glaube iſt dann wol zufinden/ der auff tuͤchtigem Grunde beſtehen ſolte? Die/ ſo man Heyden nen- net/ werden von den Juden und Chriſten beſchuldiget/ daß ihr Glaube und Gottesdienſt falſch und nichtig ſey/ und gleichwol bauen dieſelben darauff ihr hoͤchſtes Gut. Die Judẽ lauren auff einen verſprochenen Heyland/ der ſie aus allen Laͤndern/ dahin ſie verſtoſſen ſind/ wieder ſamlen/ und ihr Reich zu Jeruſalem auffrichten ſolle; Die Heyden verachten ſie t t t t t ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 883. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/889>, abgerufen am 22.11.2024.