Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

frauen weben, das Vadhmal, im Mittelalter einer der
verbreitetsten Handelsartikel geworden und hat geradezu als
Geld gedient. Aehnlich sind bei manchen Völkern Afrikas
Matten und allerlei Bastgeflechte allgemeine Tauschmittel.
In den japanischen Dörfern wird fast in jedem Hause aus
der auf den eigenen Feldern gewonnenen Baumwolle Garn
gesponnen und Zeug gewoben, von dem ein Teil in den
Austausch kommt. In Schweden durchwandern die West-
goten und Smaländer fast das ganze Land, um die zu
Hause gewobenen baumwollenen oder wollenen Zeuge zum
Verkaufe auszubieten. In Ungarn, Galizien, Rumänien
und den südslavischen Ländern trifft man überall auf den
städtischen Wochenmärkten Bauern, welche ihre Thon- und
Holzwaaren, Bäuerinnen welche neben Gemüse und Eiern
die selbstgefertigten Schürzen, die gestickten Bänder und
Spitzen auslegen. Namentlich wenn sich der Grundbesitz
zersplittert und zum Unterhalte einer Familie nicht mehr
ausreicht, verlegt sich ein Teil der Bauern auf einen be-
sonderen Zweig des Hausfleißes und produziert dann in
ähnlicher Weise für den Markt, wie unsere süddeutschen
Kleinbauern Wein, Hopfen oder Tabak erzeugen. Der
nötige Rohstoff wird anfangs noch auf dem eigenen Felde
oder aus dem Gemeindewalde gewonnen, später auch wohl
gekauft. Allerlei verwandte Produktionen schließen sich an,
und so bildet sich, wie in vielen Teilen Rußlands, aus
dem Hausfleiß ein unendlich formenreiches bäuerliches Klein-
gewerbe.

frauen weben, das Vadhmâl, im Mittelalter einer der
verbreitetſten Handelsartikel geworden und hat geradezu als
Geld gedient. Aehnlich ſind bei manchen Völkern Afrikas
Matten und allerlei Baſtgeflechte allgemeine Tauſchmittel.
In den japaniſchen Dörfern wird faſt in jedem Hauſe aus
der auf den eigenen Feldern gewonnenen Baumwolle Garn
geſponnen und Zeug gewoben, von dem ein Teil in den
Austauſch kommt. In Schweden durchwandern die Weſt-
goten und Smaländer faſt das ganze Land, um die zu
Hauſe gewobenen baumwollenen oder wollenen Zeuge zum
Verkaufe auszubieten. In Ungarn, Galizien, Rumänien
und den ſüdſlaviſchen Ländern trifft man überall auf den
ſtädtiſchen Wochenmärkten Bauern, welche ihre Thon- und
Holzwaaren, Bäuerinnen welche neben Gemüſe und Eiern
die ſelbſtgefertigten Schürzen, die geſtickten Bänder und
Spitzen auslegen. Namentlich wenn ſich der Grundbeſitz
zerſplittert und zum Unterhalte einer Familie nicht mehr
ausreicht, verlegt ſich ein Teil der Bauern auf einen be-
ſonderen Zweig des Hausfleißes und produziert dann in
ähnlicher Weiſe für den Markt, wie unſere ſüddeutſchen
Kleinbauern Wein, Hopfen oder Tabak erzeugen. Der
nötige Rohſtoff wird anfangs noch auf dem eigenen Felde
oder aus dem Gemeindewalde gewonnen, ſpäter auch wohl
gekauft. Allerlei verwandte Produktionen ſchließen ſich an,
und ſo bildet ſich, wie in vielen Teilen Rußlands, aus
dem Hausfleiß ein unendlich formenreiches bäuerliches Klein-
gewerbe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="96"/>
frauen weben, das <hi rendition="#g">Vadhm<hi rendition="#aq">â</hi>l</hi>, im Mittelalter einer der<lb/>
verbreitet&#x017F;ten Handelsartikel geworden und hat geradezu als<lb/>
Geld gedient. Aehnlich &#x017F;ind bei manchen Völkern Afrikas<lb/>
Matten und allerlei Ba&#x017F;tgeflechte allgemeine Tau&#x017F;chmittel.<lb/>
In den japani&#x017F;chen Dörfern wird fa&#x017F;t in jedem Hau&#x017F;e aus<lb/>
der auf den eigenen Feldern gewonnenen Baumwolle Garn<lb/>
ge&#x017F;ponnen und Zeug gewoben, von dem ein Teil in den<lb/>
Austau&#x017F;ch kommt. In Schweden durchwandern die We&#x017F;t-<lb/>
goten und Smaländer fa&#x017F;t das ganze Land, um die zu<lb/>
Hau&#x017F;e gewobenen baumwollenen oder wollenen Zeuge zum<lb/>
Verkaufe auszubieten. In Ungarn, Galizien, Rumänien<lb/>
und den &#x017F;üd&#x017F;lavi&#x017F;chen Ländern trifft man überall auf den<lb/>
&#x017F;tädti&#x017F;chen Wochenmärkten Bauern, welche ihre Thon- und<lb/>
Holzwaaren, Bäuerinnen welche neben Gemü&#x017F;e und Eiern<lb/>
die &#x017F;elb&#x017F;tgefertigten Schürzen, die ge&#x017F;tickten Bänder und<lb/>
Spitzen auslegen. Namentlich wenn &#x017F;ich der Grundbe&#x017F;itz<lb/>
zer&#x017F;plittert und zum Unterhalte einer Familie nicht mehr<lb/>
ausreicht, verlegt &#x017F;ich ein Teil der Bauern auf einen be-<lb/>
&#x017F;onderen Zweig des Hausfleißes und produziert dann in<lb/>
ähnlicher Wei&#x017F;e für den Markt, wie un&#x017F;ere &#x017F;üddeut&#x017F;chen<lb/>
Kleinbauern Wein, Hopfen oder Tabak erzeugen. Der<lb/>
nötige Roh&#x017F;toff wird anfangs noch auf dem eigenen Felde<lb/>
oder aus dem Gemeindewalde gewonnen, &#x017F;päter auch wohl<lb/>
gekauft. Allerlei verwandte Produktionen &#x017F;chließen &#x017F;ich an,<lb/>
und &#x017F;o bildet &#x017F;ich, wie in vielen Teilen Rußlands, aus<lb/>
dem Hausfleiß ein unendlich formenreiches bäuerliches Klein-<lb/>
gewerbe.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0118] frauen weben, das Vadhmâl, im Mittelalter einer der verbreitetſten Handelsartikel geworden und hat geradezu als Geld gedient. Aehnlich ſind bei manchen Völkern Afrikas Matten und allerlei Baſtgeflechte allgemeine Tauſchmittel. In den japaniſchen Dörfern wird faſt in jedem Hauſe aus der auf den eigenen Feldern gewonnenen Baumwolle Garn geſponnen und Zeug gewoben, von dem ein Teil in den Austauſch kommt. In Schweden durchwandern die Weſt- goten und Smaländer faſt das ganze Land, um die zu Hauſe gewobenen baumwollenen oder wollenen Zeuge zum Verkaufe auszubieten. In Ungarn, Galizien, Rumänien und den ſüdſlaviſchen Ländern trifft man überall auf den ſtädtiſchen Wochenmärkten Bauern, welche ihre Thon- und Holzwaaren, Bäuerinnen welche neben Gemüſe und Eiern die ſelbſtgefertigten Schürzen, die geſtickten Bänder und Spitzen auslegen. Namentlich wenn ſich der Grundbeſitz zerſplittert und zum Unterhalte einer Familie nicht mehr ausreicht, verlegt ſich ein Teil der Bauern auf einen be- ſonderen Zweig des Hausfleißes und produziert dann in ähnlicher Weiſe für den Markt, wie unſere ſüddeutſchen Kleinbauern Wein, Hopfen oder Tabak erzeugen. Der nötige Rohſtoff wird anfangs noch auf dem eigenen Felde oder aus dem Gemeindewalde gewonnen, ſpäter auch wohl gekauft. Allerlei verwandte Produktionen ſchließen ſich an, und ſo bildet ſich, wie in vielen Teilen Rußlands, aus dem Hausfleiß ein unendlich formenreiches bäuerliches Klein- gewerbe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/118
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/118>, abgerufen am 21.11.2024.